Smartwatches: Xiaomi Mi Watch im Vergleich zur realme Watch S – lohnt sich der höhere Preis?
Gehäuse und Display – Unterschiede erst auf den zweiten Blick
Auf den ersten Blick sehen sich die beiden großen Uhren im durchgängig dunklen Design sehr ähnlich. Beide haben Bänder in 22 mm Standardgröße mit Schnellverschluss, die man nach Belieben austauschen kann. Bei der Gehäusefarbe bietet nur Xiaomi Alternativen Dunkelblau oder Beige an. Das Gehäuse der Xiaomi Mi Watch ist aus Kunststoff, das der realme Watch S aus Aluminium und minimal leichter. Die Watch S ist nach IP68 zertifiziert, die Mi Watch bis 5 ATM wassergeschützt und damit zweifelsfrei zum Schwimmen geeignet.
Das Display ist bei beiden nicht vollkommen plan: Xiaomi rundet es zum Rand hin ab, realme lässt es zum Rand hin über eine Kante schräg auslaufen. Was auf den ersten Blick nicht auffällt: Obwohl die Watch S mit einem Durchmesser von 1,85 Zoll noch etwas großer ist als die Mi Watch (1,81 Zoll), ist ihr Display zwischen den breiten Rändern mit 1,3 Zoll kleiner als das der Mi Watch (1,39 Zoll). Bei einer Auflösung von 360 x 360 px kommt sie damit nur auf 278 ppi. Die Pixeldichte der Mi Watch entspricht mit 326 ppi der anderer Smartwatches in dieser Größe wie etwa Huaweis Watch GT 2 Pro oder die Mobvoi TicWatch Pro 3.
Zudem bringt das AMOLED der Mi Watch die Zifferblätter strahlender zur Geltung als die realme Watch S. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind bei beiden mit über 100 Zifferblatt-Varianten groß, aber beiden fehlt die Option, Komplikationen zu individualisieren. Ein Update nach unserem Test der Watch S ergänzte die Möglichkeit, das Zifferblatt wie bei der Mi Watch nicht nur über die App, sondern auch direkt am Handgelenk zu ändern.
Beide regulieren die Helligkeit mit Hilfe eines Lichtsensors automatisch. Ein Always-on-Display besitzt nur die Mi Watch. Da keine von ihnen NFC besitzt, unterstützen sie kein mobiles Bezahlen über die Smartwatch.
Bedienung und Apps – realme App nicht für iPhone erhältlich
Die zugehörige Smartphone-App gibt es für die realme Watch S nur in Google´s Play-Store, mit einem iPhone kommt man also nicht weit. Xiaomis Wear-App gibt es für beide Plattformen; in einigen Situationen verhält sich die Xiaomi Smartwatch allerdings unter iOS anders als unter Android, worauf wir in unserem Test der Mi Watch hinweisen.
Beide Wearables bedient man über den Touchscreen und zwei seitliche Tasten. Die untere startet bei beiden die Trainings-App, bei Xiaomi alternativ ein zuvor zugewiesenes Workout.
Xiaomi installiert auf der Mi Watch ein paar Apps mehr als realme auf der Watch S, wie die nachfolgend abgebildete App-Übersicht verdeutlicht. Die realme-Anwendungen finden sich auch bei Xiaomi, darunter Timer, Wecker und Stoppuhr, Atemübungen, Trainings-App und die letzten Trainingsprotokolle sowie Remote-Steuerungen für den Smartphone-Player und deren Kamera. Letztere hat bei Xiaomi noch Beta-Status. In unserem Test der Mi Watch funktionierte sie mit dem iPhone 12 Pro und einem Honor V20, das lässt sich aber unter Umständen nicht auf alle Hersteller übertragen.
Über die Tool-Sammlung hinaus finden wir auf dem Mi Watch Apps für die den Kompass und den Höhensensor, die der Watch S fehlen, sowie Apps für das erweiterte Gesundheits-Monitoring, das die Mi Watch der Watch S ebenfalls voraus hat. Mehr dazu unter Gesundheit und Fitness.
Telefonie, Messaging
Kommt auf dem Smartphone ein Anruf an, kann man ihn über beide Wearables abweisen oder alternativ stummschalten.
Emojis sind bei beiden Smartwatches eine Schwachstelle: Die Watch S zeigt sie gar nicht an, die Mi Watch nur einige von ihnen, und die nicht farbig und so klein, dass man sie kaum erkennt. Zum Vergleich dieselbe Nachricht auf einer Smartwatch mit WearOS (hier Mobvoi TicWatch Pro 3).
Sprachassistent
Beide Wearables besitzen keinen Lautsprecher, die Mi Watch aber zumindest ein Mikrofon, über das sie Anweisungen an Amazons Sprachassistenten Alexa entgegen nimmt. In unserem Test funktionierte die Kommunikation mit Alexa in Verbindung mit dem Honor V20 reibungslos; unter iOS musste die Mi Watch in den meisten fällen erst die Verbindung zum iPhone reaktivieren, so dass sie nahezu jede Anfrage erst im zweiten Anlauf bediente.
Auf der Watch S ist kein Sprachassistent implementiert.
Gesundheit und Fitness
Die Pulsmessung zählt zu den Standarddisziplinen eines Fitness-Trackers. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass sowohl die Mi Watch, als auch die zuvor getestete Mi Watch Lite den Puls in unseren Tests so ungenau erfasst haben. Im Vergleich mit einem Brustgurt von Polar zählten beide öfter um 10 Schläge mehr oder weniger. Zwar stimmte auch die realme Watch S nicht immer mit dem Brustgurt überein; die Abweichung war aber geringer und die Messung insgesamt stabiler. Beide geben auf Wunsch einen Alarm aus, wenn die Herzfrequenz außerhalb der Norm liegt. In der realme-App kann man die Grenzen für diesen Alarm definieren und darüber hinaus das Mess-Intervall anpassen.
Den Sättigungsgrad des Blutsauerstoffs messen beide manuell, und auch nachts während des Schlafens nicht mehrmals automatisch wie beispielsweise die TicWatch Pro 3 oder die Fitbit Sense. Vergleichsmessungen mit einem medizinisch zertifizierten Pulsoximeter bescheinigen der realme Watch S eine hohe Übereinstimmung und eine geringe durchschnittliche Abweichung von 0,7 Prozentpunkten. Bei der Mi Watch lag die durchschnittliche Abweichung bei 1,2 Prozentpunkten.
Während die Watch S das Aktivitäts-Tracking auf Grundfunktionen wie Bewegungserinnerungen, Schrittzähler und Kalorienverbrauch beschränkt, weitet Xiaomi die Gesundheitsfunktionen der Mi Watch unter anderem um ein Energie- und Stressbarometer aus. In Verbindung mit dem iPhone synchronisiert sie Gesundheitswerte wie Schlafdaten und Aktivitätsenergie mit Apple Health. Zu Google Fit stellen beide keine Verbindung her.
Trainingsaufzeichnung
Der Xiaomi-Tracker erkennt Laufen und schnelles Gehen automatisch. Beim Workout über die Trainings-App steuern beide den Musik-Player des Smartphones, ohne den Workout-Bildschirm verlassen zu müssen. Als Trainings-Assistent ist die Watch S der Mi Watch signifikant unterlegen. Sie besitzt weder GPS noch Höhenmesser und trackt die Route beim Laufen oder Radfahren nur in Verbindung mit dem Smartphone. Die Trainings-App unterstützt nur 15 Sportarten gegenüber mehr als 100 bei der Mi Watch.
Wer den Xiaomi-Tracker für sein tägliches Workout verwendet, wird außerdem die professionellen Analysen schätzen, und dass die untere Taste auf Wunsch seinen bevorzugten Trainingsmodus aufruft und nicht erst die übergeordnete Trainings-App.
Der Nutzen von Gesundheits- und Fitness-Tracking hängt letztlich auch stark davon ab, wie die Hersteller die Daten präsentieren. Das dokumentieren der Test der Mi Watch und der Test der Watch S jeweils mit zahlreichen beispielhaften Watch- und App-Screens.
Laufzeit – realme läuft und läuft
Mit 15 Tagen für die Watch S und 16 für die Mi Watch beziffern die Hersteller die durchschnittliche Laufzeit ihrer Wearables nahezu gleich. In unseren Praxistests kamen wir mit der Mi Watch allerdings nur auf etwa 10 Tage ohne Always-on-Display, auf 4 bis 5 Tage bei aktiviertem Always-on-Display.
Die realme-Smartwatsch besitzt weder ein Always-on-Display noch GPS und zeigte sich im Test insgesamt genügsamer. Im Test hielt der Akku eher länger als vom Hersteller angegeben. Ein Killer-Feature ist die Trageerkennung, die realme bei der Watch S über einen Sensor implementiert. Zumindest dann, wenn man großen Wert darauf legt, sich über einen möglichst langen Zeitraum auf die Smartwatch verlassen zu können, auch wenn man sie nicht permanent trägt. In diesem Fall fährt die realme Watch S ihren Energiebedarf nämlich so weit runter, dass der Akku unseres Testgerätes die 3 Monate zwischen unserem Test und diesem Vergleich überlebt hat. Mit immer noch 10 Restkapazität war die Uhr sofort betriebsbereit.
Fazit
Aus dem Vergleich der beiden China-Wearables geht Xiaomis Mi Watch zweifelsfrei als Sieger hervor. Für sie spricht das größere und schärfere Display, sowie zusätzliche Hardware wie Mikrofon, GPS und barometrischer Sensor, aus der Features wie Sprachassistent und Routenaufzeichnung hervorgehen.
Es gibt kaum Argumente, die für die Watch S und gegen die Mi Watch sprechen. Vor allem für Sportler ist die Xiaomi-Smartwatch die bessere Wahl.
Sportlern empfiehlt sich die Mi Watch nicht nur der besseren Hardware wegen. Während das Trainingsprotokoll auf der realme Smartwatch rudimentär bleibt und sich in der zugehörigen App auf eine Seite beschränkt, wertet Xiaomi die Trainingsdaten besser aus und erstellt anschauliche Diagramme, die man nicht nur auf dem Smartphone sondern auch auf der Uhr einsehen kann.
Für die realme Watch S sprechen – neben dem etwa um die Hälfte günstigeren Preis – die bessere Laufzeit und eine verlässlichere Messung von Puls und Blutsauerstoff.
Wer noch abwarten will, kann sich parallel dazu schon mal die realme Watch S Pro anschauen. Deren Ausstattung kommt der von der Mi Watch nahe. Sobald die Pro-Version der realme-Smartwatch für einen Test zu haben ist, werden wir berichten, wie sie sich in der Praxis schlägt.
Preis und Verfügbarkeit
Während die Wrealme Watch S bei vielen Händlern von ursprünglich 79 Euro auf unter 70 gesunken ist (etwa 67 Euro bei Amazon), kletterte die Xiaomi Mi Watch bei Online-Händlern wie Amazon mit 125 Euro im Betrachtungszeitraum sogar über die UVP (119 Euro). In Beige oder Marine verkauft sie unter anderem der Mi-Store in Düsseldorf zu 109 Euro.
Preisvergleich
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