Windows Copilot+ und Qualcomm Snapdragon: Wirklich eine Revolution oder nur cleveres Marketing - ein Kommentar
Die Zukunft der Windows-Laptops ist da - zumindest, wenn man dem Marketing der Hersteller und vor allem Microsoft Glauben schenkt. Wir hatten nun einige der neuen Laptop-Modelle im Test und wollen uns mit dieser Aussage genauer auseinandersetzen. Ist es wirklich die beworbene Revolution, oder ist es ein weiterer erfolgloser Versuch, Windows-Geräte mit ARM-Prozessoren zu etablieren? Vielleicht ist es auch einfach nur die unvermeidliche Reaktion auf Apples eigene ARM-Prozessoren, wo die Situation mit macOS aber sowohl bei der Software als auch der Hardware (keine Konkurrenz durch andere Chips) nicht wirklich mit Windows verglichen werden kann.
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Qualcomm Snapdragon ist nicht gleich Copilot+
Beim aktuellen Marketing könnte man vermuten, dass sich die Bezeichnung Copilot+ auf die neuen Laptops mit Qualcomms ARM-Prozessoren beziehen, denn aktuell gibt es lediglich diese Kombination. Das ist allerdings irreführend und derzeit sicherlich auch cleveres Marketing. Grundsätzlich ist Copilot+ aber lediglich ein Überbegriff, den prinzipiell auch andere Laptops verwenden können. Man kann das am besten mit der alten Ultrabook-Bezeichnung von Intel vergleichen, denn damit ein Hersteller ein Modell Ultrabook nennen durfte, musste es verschiedene Kriterien erfüllen.
Bei dem Überbegriff Copilot+ ist die Sache sogar noch einfacher, denn das einzige Kriterium ist die Leistung der NPU (Neural Processing Unit). Microsoft definiert die Mindestleistung der NPU mit 40 TOPS, damit man die zusätzlichen KI-Funktionen (z. B. Live-Untertitel, Recall-Funktion, etc.) nutzen kann. Dieser Begriff wurde mit den neuen Snapdragon-ARM-Laptops eingeführt und aktuell gibt es keine Copilot+-Geräte mit AMD- oder Intel-Prozessoren. Das ändert sich aber schon in wenigen Wochen, wenn Laptops mit AMDs neuen Zen5-Mobilprozessoren auf den Markt kommen. Dann gibt es plötzlich auch Copilot+-Laptops mit AMD-CPUs und Intel wird in wenigen Monaten mit den neuen Lunar-Lake-Chips folgen. Spätestens im Herbst kann dann so ziemlich jeder neue Laptop die Bezeichnung Copilot+ tragen, weshalb die ganze Sache schon bald nicht mehr besonders aussagekräftig sein könnte.
Sind Snapdragon-Laptops vollwertige Windows-Rechner?
Die neuen Snapdragon-Prozessoren von Qualcomm verwenden eine andere Architektur als die üblichen AMD/Intel-Prozessoren, was wir uns in unserem Analyseartikel auch bereits angesehen haben. Das bedeutet aber auch, dass diese ARM-Prozessoren eine spezielle ARM-Version von Windows benötigen. Das bringt Probleme mit sich, denn grundsätzlich braucht man dann auch spezielle ARM-Versionen von Anwendungen/Programmen. Es gibt zwar auch eine Option, Anwendungen für x86-Systeme zu emulieren, das führt aber selbst im besten Fall zu einer geringeren Leistung gegenüber nativen ARM-Versionen. Das kennt man grundsätzlich auch von den Apple MacBooks, seitdem Apple seine eigenen ARM-Prozessoren verwendet.
Der große Unterschied zwischen Apples macOS und Windows ist jedoch, dass Windows in dieser Hinsicht deutlich offener ist und es einfach viel mehr Programme, Treiber, Spiele etc. für Windows gibt. Es kann also passieren, dass Anwendungen, Tools oder Peripherie-Geräte wie Drucker, Scanner, externe Soundkarten, etc. einfach nicht mit den neuen Windows-ARM-Geräten funktionieren. Das ist uns auch bei unseren Tests passiert, denn wir können aktuell beispielsweise nicht die Displays der ARM-Laptops kalibrieren, da die Software nicht kompatibel ist. Große Einschränkungen gibt es zudem bei Spielen, die teilweise überhaupt nicht starten bzw. bei höheren Details abstürzen. Diese Situation dürfte sich mit zukünftigen Treiber-Updates zwar verbessern, doch man muss sich im Klaren sein, dass es hier immer Nachteile gegenüber AMD/Intel-Modellen geben wird, da die Snapdragon-Laptops auch nicht primär für Gamer ausgelegt sind.
Wir sehen hier vor allem die Hersteller und Microsoft in der Pflicht, die Kunden umfassend aufzuklären und ganz klar deutlich zu machen, was nicht funktioniert. Das aktuelle Marketing suggeriert vollwertige bzw. sogar überlegene Windows-Laptops, doch das ist nicht der Fall und vermutlich wird es nicht wenige Kunden geben, die sich nicht so umfassend mit den technischen Details beschäftigen und dann enttäuscht sind, wenn gewisse Apps, externe Geräte oder Spiele einfach nicht mehr auf den neuen Laptops laufen. Das könnte also schnell zu einer großen Welle von Retouren führen.
Qualcomm selbst gibt sich derzeit am meisten Mühe und auf der eigenen Homepage steht eine Übersicht mit nativen ARM-Anwendungen zur Verfügung. Hier kann man sich als Interessent einen Überblick verschaffen und die Auswahl ist für den Einstand auch keinesfalls schlecht. Viele Casual-Nutzer oder Home-Office-User ohne spezielle Software-Ansprüche werden sicherlich fündig werden und können wohl auch ohne Einschränkungen arbeiten. Man muss sich aber einfach im Klaren darüber sein, dass es ungewohnte Einschränkungen geben kann.
Eine Revolution bei Leistung und Effizienz?
Qualcomm hat seine eigenen Snapdragon-ARM-Prozessoren vor der Einführung sehr oft mit dem Apple M3-SoC verglichen, der beispielsweise im aktuellen MacBook Air zum Einsatz kommt. Das Problem hierbei ist allerdings, dass der M3 in fast allen Geräten passiv gekühlt wird (die Ausnahme ist das MacBook Pro 14) und im TDP-Bereich zwischen 5 bis maximal 20 Watt arbeitet. Das weckt natürlich Erwartungen bei den Nutzern und erzeugt auch den Eindruck, dass passiv gekühlte Snapdragon-Laptops bzw. Convertibles auf den Markt kommen werden.
Das ist aber nicht der Fall, denn die Snapdragon-Chips benötigen mehr Strom und die bisherigen Testgeräte liegen im Bereich von 20-40 Watt, es handelt sich also eher um Konkurrenten für Apples-M3-Pro-Chips bzw. die aktuellen Intel-Meteor-Lake-Mobilprozessoren (wie den Core Ultra 7 155H) sowie AMDs Zen4-Chips (z. B. Ryzen 7 7840U). Dementsprechend verwenden auch alle bisherigen Snapdragon-Laptops eine ganz gewöhnlich Kühlung mit Lüftern.
Die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der neuen Snapdragon-X-Prozessoren ist dabei durchaus beachtlich und sowohl AMD als auch Intel können derzeit bei der Leistung in nativen Tests als auch der Effizienz leicht überholt werden. Apples passiv gekühlter M3-Chip ist in den Multi-Core-Tests wenig überraschend ebenfalls langsamer, hat aber Vorteile bei der Single-Core-Leistung und vor allem der Effizienz. Für weitere Details zu diesem Thema empfehlen wir unseren Analyseartikel.
Doch was bedeutet das nun für den tatsächlichen Betrieb? Zunächst einmal merkt man sofort, dass Windows auf den neuen ARM-Prozessoren sehr gut läuft. Es ist kein Vergleich mehr mit der stockenden Performance von bisherigen ARM-Geräten und gerade bei nativen Apps kommt man in den Genuss von schnellen Programmstarts und einer insgesamt sehr flüssigen Bedienung. Einen wirklichen Leistungsunterschied zu modernen Laptops mit AMD- oder Intel-CPUs bemerkt man aber nicht. Bei komplexeren Anwendungen kann es aber auch mit nativen Anwendungen noch Probleme geben. In DaVinci-Resolve war es dem neuen Snapdragon X Elite nicht möglich, eines unserer YouTube-Review-Videos flüssig wiederzugeben, was mit dem MacBook Air und dem Apple M3 beispielsweise problemlos möglich ist.
Das größere Problem ist in unseren Augen aber die nächste Generation der Mobilprozessoren von AMD und Intel. In wenigen Wochen werden die neuen Zen5-CPUs von AMD erscheinen, die einen deutlichen Leistungsanstieg sowohl beim Prozessor als auch der integrierten Grafikkarte versprechen. In wenigen Monaten erwarten wir zudem die neuen Lunar-Lake-Chips von Intel, die ebenfalls eine deutlich bessere Effizienz bieten sollen. Schon in kurzer Zeit können die Qualcomm-Chips also auf den letzten Platz zurückfallen, wenn es um die Leistung und Effizienz geht.
Warum sollte man einen Windows-Laptop mit Snapdragon-Prozessor kaufen?
Kommen wir nun zu der großen Frage, warum man einen Laptop mit den neuen Snapdragon-ARM-Prozessoren kaufen sollte. Ein wirklich gutes Argument gibt es unserer Meinung nach nicht, denn die hoch beworbenen Copilot+-Features sind nur zeitlich exklusiv und aufgrund der Einschränkungen bei der Software-Kompatibilität richten sich die Geräte ganz klar an Casual-Nutzer. Nach den Tests der ersten Snapdragon-Laptops können wir sagen, dass die Lüfter im Alltag und bei nativen Apps oftmals etwas leiser bleiben als bei vergleichbaren Rechnern mit AMD- und vor allem Intel-Prozessoren, doch bei höherer Belastung verschwindet auch dieser Vorteil. Die Akkulaufzeiten sind grundsätzlich in Ordnung, aber auch nicht revolutionär.
Das Problem ist in unseren Augen auch der hohe Preis. Wenn ein Hersteller ein neues Produkt auf dem Markt etablieren möchte, muss es entweder besser oder günstiger sein als vorhandene Geräte. Beides trifft aber nicht wirklich zu. Das Asus VivoBook S 15 ist mit dem Snapdragon beispielsweise genauso teuer wie die Intel-Version und sogar teurer als das AMD-Modell. Bei Microsoft selbst setzt man mit dem Surface Pro und dem Surface Laptop alternativlos auf die neuen Snapdragon-X-Chips, hier zeigt sich aber auch schon, dass die günstigeren Varianten mit dem Snapdragon X Plus wohl am sinnvollsten sind. Ein weiterer Vorteil hätte das 5G-Modem sein können, doch hiervor schrecken die meisten Hersteller zurück und lediglich beim neuen Surface Pro sollen entsprechende Modelle im Laufe des Jahres auf den Markt kommen. Viele Kunden wünschen sich sicherlich auch ein passiv gekühltes Gerät, beispielsweise mit dem Snapdragon X Plus.
Die neuen Snapdragon-Geräte sind keinesfalls schlechte Produkte und die Unterstützung der Industrie ist aktuell sehr hoch, da praktisch jeder große Hersteller mindestens einen Snapdragon-Laptop auf den Markt bringt. Hier müssen die nächsten Monate aber zeigen, wie viele Leute die neuen Snapdragon-Laptops wirklich kaufen (und auch behalten). Angesichts der bevorstehenden Updates bei den Mobilprozessoren von AMD und Intel und der Einschränkungen kann man die neuen Snapdragon-Rechner aktuell aber nur mit Einschränkungen empfehlen. Auch Microsofts kommende Produktstrategie wird sicherlich interessant, denn ein Surface Laptop Studio mit Snapdragon-Chips wird es kaum geben, da man einfach nicht an die Leistung von dedizierten Grafikkarten herankommt und damit kein entsprechendes Multimedia-Produkt anbieten kann.
Apple hat Qualcomm mit den neuen M4-Chips im iPad Pro ebenfalls schon ein wenig den Wind aus den Segeln genommen, denn hier konnte die Leistung noch einmal deutlich gegenüber der M3-Generation gesteigert werden. Damit zeigt man auch ganz klar, wo die Reise mit den kommenden MacBooks hingeht (wir erwarten die ersten Geräte mit M4 Pro/M4 Max im Herbst). Der Launch der neuen M4-Chips kurz vor dem offiziellen Markstart der Snapdragon-X-Prozessoren war sicherlich auch kein Zufall.
Im Idealfall können die Snapdragon-Laptops die bestehende Modellpalette der Windows Laptops langfristig ergänzen und sicherlich wird auch die Softwarekompatibilität zukünftig noch verbessert werden, weshalb man als Casual-User vermutlich keine Probleme haben wird. Es kann aber auch sein, dass der zweifellos ambitionierte Versuch, ARM-Geräte mit Windows zu etablieren, abermals scheitern wird, da die Konkurrenzprodukte überlegen sein werden und es dort auch keine Einschränkungen gibt, wenn es um das Thema Software und Zubehör geht.