Test Nokia Lumia 720 Smartphone
Momentan bringt der finnische Hersteller am laufenden Band neue Smartphones auf den Markt. Seit Anfang März dieses Jahres ist das Lumia 720 in Deutschland erhältlich. Schaut man sich im Vergleich mit anderen Lumia Geräten das Datenblatt unseres Testgeräts an, bemerkt man, dass sich die Modelle nur geringfügig unterscheiden. Bereits bei dem kürzlich getesteten Lumia 520 war eine starke Ähnlichkeit zum Lumia 620 zu erkennen – und so auch beim Lumia 720. Hauptunterscheidungsmerkmal ist die Displaygröße, denn mit 4,3 Zoll ist es größer als die zuvor genannten Versionen. Mit 379 Euro ist der UVP deutlich höher, und aufgrund einiger zusätzlicher Features spricht das Smartphone das Mittelklasse-Segment an.
Wie bei den zuvor getesteten Modellen (Lumia 520 und 620) ist die Verarbeitungsqualität durchweg gut. Konnte man bei dem preiswerten Einsteigermodell noch das Backcover vollständig austauschen, muss man beim Lumia 720 darauf verzichten. Dementsprechend gibt es auch keine Möglichkeit, den Akku wechseln. Die matte Rückseite ist wenig anfällig gegen Fingerabdrücke und ist zudem sehr druckstabil. Aufgrund des 4,3-Zoll-Displays übersteigen die Dimensionen die der beiden Lumia Derivate. Mit 127,9 x 67,5 x 9 mm ist das Testgerät geringfügig breiter, dafür jedoch dünner.
Positiv erscheint uns der Fakt, dass der interne Speicher mittels MicroSD-Karte erweitert werden kann. Der Einschub dafür befindet sich an der Seite, da das Backcover nicht wechselbar ist. Die weitere Anordnung der Softkeys und der physikalischen Buttons unterscheidet sich nicht von der des Lumia 520.
Kommunikation & GPS
Ein kleines, aber nicht zu unterschätzendes Upgrade gab es bei dem WLAN-Funkmodul. Dieses verfügt mittlerweile über die Dualband-Technologie und kann somit im 2,4-GHz- und 5-GHz-Frequenzbereich senden und empfangen. Zudem sind ein NFC-Modul (Near Field Communication) und Bluetooth in der Version 3.0 an Bord. Genau wie beim UMTS-Modul konnten bei den anderen Funkeinheiten keine Fehler oder unerwartete Verbindungsabbrüche festgestellt werden.
Der eingebaute A-GPS-Empfänger funktioniert bereits innerhalb geschlossener Räume mit einer zufriedenstellenden Genauigkeit. Zusammen mit „HERE Maps“ oder „HERE Drive“ von Nokia liefert das Modul ein gutes Ergebnis ab.
Software
Nokia hat sich mittlerweile voll und ganz dem Betriebssystem von Windows verschrieben und nahezu lieblos das Betriebssystem eins zu eins von anderen Geräten auf das Lumia 720 übertragen. Anpassungen gibt es keine, daher fällt dieser Abschnitt mager aus.
Kameras & Multimedia
Bei diesem Modell der Mittelklasse verbaut Nokia zwei Kameramodule. Die Hauptkamera auf der Rückseite verfügt über eine maximale Auflösung von 6,7 MP. Das Objektiv wurde von Carl Zeiss beigesteuert und verfügt über eine Blende von f/1.9, bei einer Festbrennweite von 26 mm. Makroaufnahmen können ab einer Entfernung von 10 cm aufgenommen werden, und der eingebaute LED-Blitz hat eine Reichweite von 1 m. Der Sensor oberhalb des Touchscreens muss mit 1,2 Megapixeln zurechtkommen (Blende: f/2.4).
Um die Qualität der Kameras beurteilen zu können, haben wir zunächst Bilder innerhalb geschlossener Räume geschossen. Damit überprüfen wir das Verhalten der Kamera bei suboptimalen Lichtverhältnissen. Bei dem Bild der Hauptkamera erkennen wir im oberen Viertel beginnendes Bildrauschen und eine zu geringe Beleuchtung. Da stößt auch der eingebaute LED-Blitz an seine Leistungsgrenzen. Von dem 6,7-MP-Sensor haben wir jedoch eine etwas höhere Detailgenauigkeit erwartet. Das Ergebnis der Frontkamera ist ähnlich dunkel und selbstverständlich noch unschärfer, bedingt durch die geringere Auflösung. Im Außenbereich (bewölkter Himmel) ist das Ergebnis deutlich schärfer, allerdings wirken die Farben etwas blass und das „Weiß“ der Hauswand wird rötlich dargestellt. Die Frontkamera weist eine ähnliche Blässe auf und kämpft zusätzlich mit einer unscharfen Motivdarstellung.
Zubehör & Garantie
Aufzuzählen gibt es leider nicht viel, denn die kleine Verpackung birgt auch wenig Spielraum für atemberaubende Beigaben. Neben dem modularen Netzteil und einem On-Ear-Headset finden wir nur noch eine Kurzanleitung in Papierform.
Wie bei anderen Nokia Geräten verfügt das Lumia 720 über eine 24-monatige Garantie auf das Hauptgerät. Die Garantiefrist für den Akku endet nach zwölf Monaten und die des Ladegeräts erlischt nach sechs Monaten.
Eingabegeräte & Bedienung
Wie könnte es anders sein – bei diesem Modell verhält sich die Haptik und Geschwindigkeit des Touchscreens ebenso gut wie bei den anderen Derivaten. Die Eingaben werden präzise und schnell umgesetzt und das Bedienkonzept ist gleichermaßen intuitiv.
Im Hochkantmodus nimmt die virtuelle QWERTZ-Tastatur 50 % des Displays ein. Dreht man das Gerät um 90 Grad, belegt das Keyboard nochmals mehr Platz auf dem Bildschirm. Das Layout der Tastatur ist zwar treffsicher, dummerweise kann man dann auf dem Screen kaum etwas erkennen.
Eines der Hauptunterscheidungsmerkmale ist das Display. Dieses misst 4,3 Zoll und löst mit 800 x 480 Pixel (WVGA) auf. Bei der Auflösung wäre ein Sprung in Richtung „HD“ angebracht gewesen, denn selbst das sehr preiswerte Lumia 520 arbeitet mit der gleichen Anzahl an Pixeln. Farblich stellt das kapazitive IPS-Panel 16,7 Millionen Farben dar (24 bit) und ist von Corning Gorilla Glass 2 geschützt. Mit 217 dpi kann das Lumia 720 nicht überzeugen, denn, wie bereits geschildert, ist die Auflösung für die Displaygröße und den Kaufpreis ein wenig zu gering (HTC One: 468 dpi).
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Ausleuchtung: 91 %
Helligkeit Akku: 579 cd/m²
Kontrast: 900:1 (Schwarzwert: 0.643 cd/m²)
ΔE Color 5.89 | 0.5-29.43 Ø4.91
ΔE Greyscale 5.25 | 0.5-98 Ø5.2
Gamma: 2.22
Auf einem extrem hohen Niveau hingegen ist die durchschnittliche Display-Helligkeit. Mit gemessenen 579,7 cd/m² ist der Screen mehr als doppelt so hell wie der des Lumia 520. Da kann selbst das Display des HTC One (488,9 cd/m²) nicht mithalten. Die Helligkeitsverteilung erfolgt mit einer Ausleuchtung von 91 %. Die firmeninterne Konkurrenz ist dabei marginal besser (Lumia 520: 92 %, Lumia 620: 94 %).
Wäre der Schwarzwert auf einem ähnlich hohen Level, wäre der Kontrast problemlos im 4-stelligen Bereich. So muss sich das Display mit einem Kontrast von immerhin 900:1 begnügen, welcher dann leicht geringer ist als der des Lumia 620 (936:1).
Die RGB-Balance der Farbsättigung zeigt einen deutlichen Blaustich des Displays. Der „DeltaE 2000“-Grenzwert von „10“ wird hierbei um fast 100 % überschritten. Dies äußert sich vor allem in der Darstellung bei violetten Farbtönen. Weiterhin ist die Farbdarstellung von „Magenta“ und „Grün“ etwas zu blass. Bei der Beobachtung des Graustufenverlaufs fällt auf, dass ab ca. 25 % der Helligkeit die Graudarstellung ebenfalls zu blass wird.
Aufgrund der extremen Helligkeit hat das Lumia 720 wenige Probleme unter freiem Himmel, die Display-Inhalte gut lesbar darzustellen. In Kombination mit dem Kontrast können wir dem Testgerät eine bestechende Outdoor-Tauglichkeit bestätigen – ganz im Gegenteil zum Lumia 520.
Das Bild zur Blickwinkelstabilität spricht Bände. Das IPS-Panel besitzt auch bei geringen Betrachtungswinkeln eine hohe Farbtreue.
Nokia glaubt fest an die Performance des Qualcomm Snapdragon S4 MSM8227 und hat diesen SoC offensichtlich in extrem großen Mengen eingekauft, denn er kommt auch im Lumia 520 und Lumia 620 zum Einsatz. Das Konkurrenzmodell von HTC (8S) ist zudem auch mit diesem SoC bestückt.
Wie ebenso bei den anderen Modellen ist der Prozessor auf 1 GHz getaktet, verfügt über 512 MB Arbeitsspeicher und wird von der GPU Adreno 305 unterstützt.
Diese identische Hardwarekonfiguration ermöglicht eine gute Vergleichbarkeit der verschiedenen Geräte. Leider sind derzeit bei Windows Phone 8 synthetische Benchmarks rar gesät, daher beziehen wir uns hauptsächlich auf die objektiven Performance-Tests im Browser-Segment. Je nach Test schlägt sich das Lumia 720 einmal vor die Kontrahenten aus dem Windows Lager, zieht aber indes auch gelegentlich den Kürzeren. Den High-End-Modellen von Apple und HTC hat das Lumia 720 nichts entgegenzusetzen – trotzdem ist die Performance des Testgeräts vollkommen ausreichend für alltäglich Aufgaben.
Google V8 Ver. 7 - Google V8 Ver. 7 Score (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 620 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
Browsermark - --- (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 620 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
Octane V1 - Total Score (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
Mozilla Kraken 1.0 - Total (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
Peacekeeper - --- (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 620 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
Sunspider - 0.9.1 Total Score (nach Ergebnis sortieren) | |
Nokia Lumia 720 | |
Nokia Lumia 620 | |
Nokia Lumia 520 | |
HTC Windows Phone 8S | |
HTC One | |
Apple iPhone 5 |
* ... kleinere Werte sind besser
Videos & Spiele
Aufgrund der sehr ähnlichen Hardware wird das Ergebnis der Multimedia-Performance bereits vorweg genommen: Videos und aktuelle 3D-Spiele laufen gleichermaßen anstandslos wie es bei dem Lumia 520 der Fall ist. Unsere getesteten Trailer konnten keinen Performance-Einbruch erzeugen, und auch bei den Spielen aus dem Windows Store gab es kein überraschendes Ergebnis.
Man glaubt es kaum, aber aktuelle Smartphones sind nach wie vor in der Lage zu telefonieren – und dieser Funktion geht das Lumia 720 mit Leidenschaft nach. Die Gesprächspartner werden klar und deutlich verstanden, und umgekehrt wird uns das auch bescheinigt. Geringe Abstriche muss man bei der Verwendung des mitgelieferten Headsets machen, denn der Partner klagt oftmals über eine zu leise Stimme.
Temperatur
In diesem Abschnitt betrachten wir zum einen die Erwärmung unter Last und zum anderen das Temperaturprofil im Idle-Zustand. Im direkten Vergleich zu den beiden kleineren Lumia Modellen hat der Hersteller die Wärmeentwicklung unter Last besser im Griff. Auf der Vorderseite messen wir im Durchschnitt 33,9 °C und auf der Rückseite gerade einmal 31,3 °C. Die Messung des Lumia 520 ergab durchschnittliche Spitzenwerte von 35 °C auf der Rückseite und ähnlich hohe Werte beim Lumia 620. Von dieser Verbesserung ist leider nichts im Idle-Szenario zu erkennen. Im Durchschnitt messen wir an der Gerätefront 31 °C – absolut im Rahmen und unbedenklich warm. Das modulare Netzteil erwärmt sich auf maximal 41,6 °C. Ein größeres Gehäuse fördert in der Regel immer die Abfuhr der Wärme und verhindert einen Temperaturstau - so auch beim Lumia 720, vor allem unter Last.
(+) Die maximale Temperatur auf der Oberseite ist 35.6 °C. Im Vergleich liegt der Klassendurchschnitt bei 35.1 °C (von 21.9 bis 63.7 °C für die Klasse Smartphone).
(+) Auf der Unterseite messen wir eine maximalen Wert von 32.9 °C (im Vergleich zum Durchschnitt von 33.9 °C).
(+) Ohne Last messen wir eine durchschnittliche Temperatur von 31 °C auf der Oberseite. Der Klassendurchschnitt erreicht 32.8 °C.
Lautsprecher
Mit dem guten Ergebnis des Lumia 520 gehen wir mit einer gewissen Erwartungshaltung in dieses Testsegment. Leider wird ziemlich zeitig klar, dass entweder unsere Erwartungen zu hoch gesteckt waren oder der Mono-Lautsprecher keine befriedigende Performance abrufen kann. Bereits ab der Hälfte des Maximalpegels übersteuert und verzerrt der Klang und liefert ein unsauberes Ergebnis ab. Dementsprechend unangenehm wird die Wiedergabe bei zunehmendem Pegel. Zusätzlich negativ wirkt sich die Klangverfälschung bei aufliegendem Smartphone aus. Das Geräte-Design verdeckt nämlich den Lautsprecher, sofern man das Lumia 720 auf einen ebenen Untergrund legt.
Energieaufnahme
Erwartungsgemäß dürfte aufgrund der gleichen Hardware und des ähnlich hellen Displays die Leistungsaufnahme zwischen unserem Testgerät und dem Lumia 620 ziemlich gleich sein. Umso erfreulicher ist es, dass der 4,3-Zöller im Idle-Zustand noch sparsamer arbeitet und mit Werten zwischen 0,3 und 1,9 Watt auskommt. Hierbei werden bei dem um 0,5 Zoll kleineren Derivat 1,2 bis 2,2 Watt notwendig. Gleiches stellen wir auch bei den höheren Leistungsaufnahmen des Lumia (0,8 bis 2,2 Watt) fest. Selbst bei maximaler Display-Helligkeit und voller SoC-Auslastung gibt sich unser aktuelles Testgerät mit weniger Strom zufrieden. Bei dem Lumia 620 werden 2,8 bis 4,4 Watt verbraucht, wobei sich die 720er-Variante mit 3,1 bis 3,3 begnügt – und das bei größerem Display und höherer Helligkeit.
Aus / Standby | 0 / 0.1 Watt |
Idle | 0.3 / 1.5 / 1.9 Watt |
Last |
3.1 / 3.3 Watt |
Legende:
min: ,
med: ,
max: Voltcraft VC 940 |
Akkulaufzeit
Im Vergleich von Lumia 620 zu 520 hat Nokia einen um 130 mAh größeren Akku eingebaut. Der Sprung zum Lumia 720 ist indes enorm: 2.000 mAh (7,4 Wh) kann der Akku speichern und garantiert eine sehr gute Akkulaufzeit. Gehen wir von der geringen Energieaufnahme aus, sollte sich die Laufzeit deutlich von den kleineren Modellen abheben. Um diese Spekulationen zu untermauen, haben wir drei Belastungstests simuliert. Unter voller Auslastung des SoC hält der Akku 3 Stunden und 33 Minuten. Dabei war das Display auf der höchsten Helligkeitsstufe und alle Funkmodule waren aktiviert. Das genaue Gegenteil dieses Tests bilden wir bei geringster Display-Helligkeit und ausgeschalteten Funkmodulen ab. Dabei lässt uns der Akku erst nach 21 Stunden und 40 Minuten im Stich. Der Durchschnitt dieser beiden Extrema stellt der WLAN-Surftest dar: Das Display ist auf „mittel“ eingestellt, was 226 cd/m² entspricht, und dabei werden kontinuierlich Internetseiten aufgerufen. Das Display erlischt erst nach 15 Stunden und 51 Minuten und der Akku ist nach 3 Stunden und 20 Minuten wieder vollkommen aufgeladen.
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Lumia Geräte nur durch ihre Displaygröße. Denn als SoC kommt im Einsteiger- und Mittelklassesegment oftmals der Qualcomm Snapdragon S4 MSM8227 mit einer Taktfrequenz von 1 GHz zum Einsatz. Schaut man genauer unter die Haube des Lumia 720, bemerkt man weitere Unterschiede: Das IPS-Display ist konkurrenzlos hell und liefert eine hohe Blickwinkelstabilität. Dem Akku hat der finnische Hersteller ein Upgrade verpasst, denn mit 2.000 mAh ist er deutlich leistungsfähiger als der der kleineren Modelle. Zudem sind ein NFC- und ein Dualband-WLAN-Modul an Bord.
Das Gesamtkonzept des Lumia 720 ist stimmig und kann uns überzeugen, denn auch der SoC erfüllt seine Aufgaben zufriedenstellend. Anlass zur Kritik liefert dennoch der hohe UVP von 379 Euro. In den bekannten Online-Versandhäusern muss man derzeit ca. 330 Euro einkalkulieren – jedoch kann man für diesen Preis auch leistungsfähigere Geräte, wie beispielsweise das Google Nexus 4, bekommen.