Samsung Galaxy S20: Dramatische Nachteile der Euro-Exynos-Version im Vergleich mit der US-Snapdragon-Variante
Man fühlt sich leicht veräppelt als Europäer, wenn man ein wenig nach den Erfahrungen erster Galaxy S20-Nutzer in den USA im Vergleich mit denen in Europa googelt. Ein paar Tage nach der Verfügbarkeit der neuen Samsung-Flaggschiffe ist klar: Auch in diesem Jahr speist uns Samsung mit einem dem Qualcomm-Chipsatz unterlegenen SoC ab, was am Papier zwar schon seit Monaten bekannt ist, sich nun aber auch durch die ersten Testergebnisse bestätigt.
Wir haben unsere Exynos-Versionen von Galaxy S20, Galaxy S20+ und Galaxy S20 Ultra bereits im Testlabor, die Veröffentlichung unserer eigenen Tests steht also unmittelbar bevor, aber schauen wir uns mal an, was andere Tester bereits im direkten Vergleich mit den Snapdragon 865-Varianten herausgefunden haben, die in diesem Jahr nicht nur in den USA sondern auch in Südkorea verkauft werden - in der eigenen Heimat war der Exynos 990 also erstmals nicht mehr gut genug, in Europa dagegen schon.
Kurz zu den Unterschieden zwischen Exynos 990 und Snapdragon 865 selbst. Abgesehen vom effizienteren 7 nm EUV-Herstellungsverfahren bei TSMC, schlägt der Qualcomm-SoC den Samsung-Kollegen auch durch die moderneren, auf Cortex-A77 basierenden Kryo585-Cores während Samsung noch beim Vorgänger Cortex-A76 bleibt, in Kombination mit zwei Mongoose M5-Kernen. Auch beim ISP (Image Signal Processor) gibt es Unterschiede im Detail, was etwa die unten angesprochenen Qualitätsunterschiede bei den Kameras erklären könnte, letztlich ist auch die GPU eine ganz andere: Samsung setzt auf eine Mali-G77 MP11, Qualcomm auf eine Adreno 650.
Dramatische Unterschiede bei Performance, Akkulaufzeit und sogar Kamera-Qualität
Das Video vom Youtuber MrWhostheboss oben fasst bereits ganz gut zusammen, was viele andere Tester unabhängig voneinander kritisieren: Das Galaxy S20 in den USA, hier in der Ultra-Variante, ist ein gänzlich anderes Produkt als das Galaxy S20 in Europa, kostet aber annähernd gleich viel oder sogar je nach Land mehr. Hier in Kürze die von Arun Maini ermittelten Unterschiede, praktisch alle zugunsten der Snapdragon 865-Version:
- AnTuTu-Benchmark beim ersten Durchlauf 10 Prozent schneller als auf der Exynos-Version.
- Nach mehreren Durchläufen throttelt die Exynos-Variante stärker, der Performance-Unterschied wächst auf 20 Prozent.
- Die Temperatur des Snapdragon 865 steigt nach vier Durchläufen auf 39 Grad Celsius, die des Exynos 990 auf 66 Grad Celsius.
- Langanhaltendes Gaming (etwa 1 Stunde oder mehr) verursacht am europäischen Galaxy S20 Ultra Framedrops auf etwa 15 fps, US-Version blieb konstant bei 60 fps.
- Die Kamera-App bleibt der Snapdragon-Variante flüssiger bedienbar als bei der Exynos-Version.
- Fotos sehen auf der Snapdragon-Version des Galaxy S20 schärfer aus, insbesondere wenn man croppt, was auf Unterschiede bei den Bildprozessoren oder den eingesetzten Algorithmen deutet.
- Durchschnittlich 2 Stunden mehr Screen-On-Time auf der Snapdragon 865-Version, verglichen mit dem Exynos 990-Version (bei 1080p Auflösung mt 60 Hz)
Das klingt alles nicht sonderlich erfreulich, wird allerdings größtenteils durch andere Tester bestätigt. Ganz krass präsentiert sich die Situation insbesondere für Gamer, wie das folgende Video demonstriert, das ein Exynos 990-Galaxy S20+ in PUBG und NBA gegen ein Galaxy S10+ (!) mit Snapdragon 855 aus dem Vorjahr antreten lässt. Selbst in diesem absolut unfairen Vergleich, kann das Galaxy S20 nicht reüssieren und muss sich dem Vorjahres-Flaggschiff aus den USA geschlagen geben.
Kauft kein Exynos-Galaxy S20 fürs Gaming!
Schon zu Beginn zeigen sich ein paar Unterschiede, spannend wird es im Video aber ab etwa Minute 4, wo man sehen kann, wie das Galaxy S20+ nach etwa 15 Minuten NBA-Gameplay auf 25 bis 40 fps runterthrottelt, das Galaxy S10+ aber noch bei etwa 50 fps bleibt. Ab Minute 6 ist dann PUBG dran und auch hier wiederholt sich das Disaster, teils sogar noch schlimmer. Das Galaxy S20 wird nicht nur heißer als das Vorjahres-Galaxy sondern throttelt den Exynos 990 massiv, wodurch die Framerate stark einbricht. Die Empfehlung des Gamers: Wenn ihr auf eurem Smartphone spielen wollt, vergesst die Exynos-basierte Galaxy S20-Familie und kauft euch etwas anderes.
Wer noch weitere Beweise für die fast schon miese Performance des Exynos 990 im Vergleich zu Qualcomm braucht, kann auch die Twitter-Seite von Liu Chong besuchen, die sich zum Thema Effizienz ein paar Gedanken gemacht hat. Auf Basis von Vergleichen der eigenen Specint-Scores eines Exynos-Galaxy S20 mit den von Anandtech ermittelten Werten einer Qualcomm-Variante kommt sie auf eine Performance/Power-Ratio von 13 beim Exynos 990 gegenüber 19,6 beim Snapdragon 865. Abgesehen von den erwähnten Real-World-Gaming-Erfahrungen dürfte den meisten Nutzern beim Thema Performance wahrscheinlich keine gröberen Probleme im Alltag auffallen, sehr wohl merkbar scheint allerdings der Unterschiede beim Thema Akkulaufzeit, wenn man sich diesen Thread auf Reddit ansieht.
Dramatische Unterschiede bei der Akkulaufzeit
Dass der 120 Hz-Modus einige Stunden Laufzeit kostet ist auf beiden Galaxy S20-Varianten gleich und bereits aus ersten Tests bekannt, dramatisch ist allerdings der Unterschied wenn man die Erfahrungen zwischen Exynos- und Snapdragon-Nutzern untersucht - auch wenn diese natürlich nicht unter den gleichen Bedingungen stattgefunden haben. Die meisten Snapdragon-User berichten allerdings von durchschnittlich etwa 6 bis 8 Stunden Screen-On-Time, die wenigen Berichte von Exynos-Testern scheinen dagegen eher im Bereich unter 4 Stunden zu liegen, teils mit QHD+-Auflösung, teils im 120 Hz-Modus. Auch wenn direkt vergleichbare Situationen hier fehlen - die Anekdoten scheinen die von Arun im Video oben ermittelten Unterschiede auf jeden Fall zu bekräftigen.
Dennoch alles Gut im Alltag?
Zur Ehrenrettung Samsungs abschließend noch die Erfahrungen von Android Central, die ebenfalls eine US-Version des Galaxy S20 gegen eine Euro-Variante antreten ließen, hier auf Basis des PCMark-Tests, der eher die Real-World-Performance auslotet. Kurz zusammengefasst kann sich das in Europa verkaufte Samsung-Flaggschiff hier bewähren und teilweise sogar vor der Qualcomm-Version ins Ziel einlaufen, was einmal mehr zeigt, dass die erwähnten Unterschiede im Alltag wohl weniger dramatische Auswirkungen haben als in den synthetischeren Tests - zumindest solange man sein Smartphone nicht wie manche Gamer an die Grenzen treibt. Letztlich bleibt allerdings der Wermutstropfen, dass Samsung abgesehen von den fehlenden mmWave-5G-Antennen und den hohen Preisen in Europa minderwertige Hardware ausliefert, die für die Heimat Südkorea nicht mehr gut genug ist.
Update 21.03.2020
Es gibt nun eine Petition, die Samsung dazu auffordert, keine minderwertigeren Exynos-Varianten mehr zu verkaufen, mehr dazu hier.