Warum sabotiert Lenovo seine teure ThinkPad-X1-Serie?
Wer in der Vergangenheit ein ThinkPad von Lenovo (oder früher IBM) gekauft hat, konnte sich ziemlich sicher sein, eine der besten Tastaturen auf dem Markt zu bekommen. Natürlich gab es auch hier über die Jahre Veränderungen, zum Beispiel den Wechsel von 7 Tastaturreihen auf 6, oder aber den Wechsel auf die Chiclet-Tastaturen. Im Konkurrenzvergleich gab es aber immer noch Vorteile, und vor allem die teuren X1-Flagship-Modelle hatten die besten Eingabegeräte. Das scheint nun aber endgültig der Vergangenheit anzugehören...
Werfen wir einen Blick auf das ThinkPad X1 Carbon (14 Zoll), welches seit Jahren mit seinem stabilen und leichten Gehäuse sowie den zahlreichen Anschlüssen überzeugen kann. Bei jedem Modellwechsel bekommt man aber den Eindruck, dass nicht weiterentwickelt wird, sondern Kompromisse eingegangen werden. Beim Wechsel auf die siebte Generation gab es beispielsweise endlich mal gute Lautsprecher und neue Low-Power-Displays, dafür wurde aber die Tastatur verschlechtert, denn der Tastenhub wurde von 1,8 auf 1,5 mm reduziert, was man auch deutlich merkt. Beim neuen X1 Carbon G9 kam dann der Wechsel auf 16:10-Displays und der Tastenhub blieb auch bei 1,5 mm, allerdings wurde die Tastenhöhe selbst reduziert und einige Tasten sind schmaler, was man ebenfalls sofort merkt. Doch warum hat Lenovo das gemacht? Genau wissen wir es nicht, möglicherweise wurde der Platz benötigt, um den größeren Akku und die neue Kühlung zu verbauen, ohne das Gehäuse dicker zu machen. Möglicherweise wollte man auch einfach den Unterschied zum neuen X1 Nano und dem X1 Titanium Yoga verringern, da diese nämlich nur noch 1,35 mm Tastenhub bieten.
Lenovo selbst spricht bei den Tastaturen nach wie vor von "bewährter ThinkPad-Qualität" und ja, es sind keinesfalls schlechte Tastaturen. Aus eigener Erfahrung können wir auch sagen, dass man sich relativ schnell an die neuen Tastaturen gewöhnt. Zudem kommt es natürlich auch darauf an, von welchem Gerät man kommt. Wenn man vorher ein günstiges Consumer-Notebook verwendet hat, wird man sich höchstwahrscheinlich über die Tastatur eines ThinkPad X1 Nano freuen. Wir bei Notebookcheck testen aber jede Menge Geräte, und wenn man die Tastaturen dann mit anderen aktuellen ThinkPad-Baureihen vergleicht, ist der Unterschied enorm und man fragt sich, warum ein günstigeres ThinkPad (beispielsweise der T- oder der L-Serie) die deutlich bessere Tastatur bietet? Das ThinkPad X1 Extreme Gen3 ist derzeit noch die letzte Ausnahme im X1-Lineup, denn hier kommt noch eine hochwertige Eingabe mit 1,8 mm Hub zum Einsatz. Unseren Informationen zufolge wird die 4. Generation des X1 Extreme aber ebenfalls nur noch mit 1,5 mm Tastenhub ausgestattet sein.
Natürlich darf man nicht naiv sein; der Trend geht nun mal zu immer dünneren Geräten und eine IBM-Tastatur von früher wird es in einem modernen Laptop vermutlich auch nie wieder geben. Die Einschränkungen beim X1 Carbon und dann bald vermutlich auch dem X1 Extreme sind unserer Meinung nach aber vollkommen unnötig, denn für diese extremen Fälle (besonders leicht und/oder besonders dünn) hat Lenovo ja mittlerweile das X1 Nano und das X1 Titanium Yoga im Angebot.
Das neue X1 Carbon Gen 9 ist von der Dicke her ungefähr gleichgeblieben, die Tastatur ist aber dennoch schlechter geworden. Da das X1 Carbon noch sehr viele Anschlüsse bietet (was in Zukunft hoffentlich auch noch einige Zeit lang der Fall sein wird) und auch normale ULV-Prozessoren zum Einsatz kommen, schaut man natürlich auf andere Komponenten, um Platz einzusparen. Aber würde es irgendjemanden stören, wenn man das Gehäuse einen halben Millimeter dicker gewesen wäre, wenn man dafür aber wieder eine bessere Tastatur in Verbindung mit den anderen Verbesserungen (größerer Akku, neue Kühlung, 16:10-Displays) bekommt? Wir glauben nicht. Ganz im Gegenteil, die meisten Nutzer (die in der Regel bereits langjährige ThinkPad-Nutzer sind) würden sich vermutlich freuen. Denn neben dem Display sind die Eingabegeräte immer noch die wichtigste Schnittstelle, die man jeden Tag nutzt. Es sind keine Lifestyle-Produkte, sondern Arbeitsgeräte, mit denen man produktiv sein muss.
Was würden wir uns wünschen? Eigentlich ist das ziemlich einfach. Dass es Modelle wie das X1 Nano gibt, bei denen man halt Kompromisse eingehen muss, ist vollkommen verständlich. Schließlich machet es sich im Marketing-Material sehr gut, wenn man z. B. das leichteste ThinkPad anbieten kann. Beim X1 Carbon und dem X1 Extreme sollte Lenovo unserer Meinung nach aber einsehen, dass der derzeitige Weg der falsche ist und mittelfristig vermutlich Kunden vergraulen wird. Wenn die Tastatur nicht mehr besonders gut ist, gibt es definitiv einen Grund weniger, ein teures ThinkPad zu kaufen.
Natürlich könnte man jetzt auch sagen, dass es beispielsweise noch das ThinkPad T14s oder das T14 gibt. Ja, hier sind die Tastaturen auch besser (zumindest aktuell), allerdings bekommt man dann beispielsweise keine 16:10-Bildschirme und auch deutlich schlechtere Lautsprecher.
Dabei wäre es so leicht, ein minimal dickeres X1 Carbon auf den Markt zu bringen, welches wieder die Tastatur vom X1 Carbon G6 mit 1,8 mm Hub und die passenden TrackPoint-Tasten mit dem leichten Buckel bekommt (anstelle der flachen TrackPoint-Tasten). Dann wieder einen SD-Leser verbauen und sicherstellen, dass alle Modelle ab Werk WWAN-ready sind (was ja früher auch der Fall war). Kombiniert mit den neuen 16:10-Displays, der guten Anschlussausstattung, der langen Akkulaufzeit und den guten Lautsprechern hätte man ein deutlich besseres Gesamtpaket, dass sicherlich viele Kunden kaufen würden.
Ob es so kommen wird muss auch als optimistischer Mensch leider bezweifelt werden. Manchmal hat man einfach das Gefühl, es wird am Kunden vorbeientwickelt, wobei dieser Punkt aber natürlich nicht exklusiv für Lenovo gilt. Übrigens: Dieser Artikel wurde von einem langjährigen ThinkPad-Nutzer (T61, X230, T440, X1 Carbon G7) auf der Tastatur des X1 Carbon G7 geschrieben.
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