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Drucksensitive, digitale Eingabestifte im Experten-Test

Ausgezeichnet aufgezeichnet?!

Wie gut eigenen sich die aktuellen drucksensitiven Stifte von Apple, Wacom und Microsoft, um einen Illustrator von Tusche und Papier wegzubekommen? Thomas Gasperlmair testet für uns, wie und ob die moderne Technik in seinen Workflow passt und ob eventuell sogar billige China-Angebote eine Alternative darstellen können.

Als Mitglied der kreativen Zunft sieht sich Thomas Gasperlmair die aktuellen Angebote von Apple, Microsoft, Wacom, Eve und Topjoy (China) in Hinblick auf das digitale Zeichnen näher an. Getestet wurden folgende Tablets:  

  • Apple iPad Pro 12.7 2017
  • Apple iPad Pro 11 2018
  • Wacom MobileStudio Pro 13 Stiftcomputer 
  • Wacom Intuos Pro Stifttable  
  • Microsoft Surface Pro 6 i5-8250U 12.3" Surface Pen V4
  • Eve V Tablet 
  • Topjoy Falcon Convertible (Vorserie) 

Von hier an übergeben wir ihm selbst das Wort ...

Über den Autor: Thomas Gasperlmair - Grafiker und Illustrator

Der Stift dient in meinem Leben als Schlüssel, der viele Türen geöffnet hat und heute für mich mehr denn je eine große Rolle spielt. War er zu Beginn das Werkzeug zum Kanalisieren meiner Jugendängste, Frustration und Rebellion auf Papier, Schulbüchern und Hauswänden, ist er heute ein Türöffner in meinen Verstand und hat einen wesentlichen Teil meiner beruflichen Laufbahn vorgezeichnet und geprägt. Von der ersten Saloonrauferei auf Papier mit 6 Jahren, zum Grafikstudium mit Anfang 20, zur Selbstständigkeit als Illustrator mit Ende 20, zu Kunden wie Jägermeister, internationalen Rockbands oder dem Weltschiverband (FIS), zur Publikation in internationalen Werbemagazinen, zum Expertentest bei Notebookcheck mit Anfang 30: Danke Stift, ohne dich würden wohl Sie, lieber Leser, nie von mir gelesen haben.

Der Stift hat für mich Bedeutung, er ist das Werkzeug meiner Wahl. Tusche trifft Papier, ich drifte ab, einmal Beamen vom Hier und Jetzt in die Welt der Idee: Ein Trip an einen Ort, an dem ich mich wohlfühle, der mich in die Mitte rückt und verrückterweise auch noch mein Leben finanziert. Der Stift ist für mich unersetzbar.

In diesem Test trifft der Kreativ-Nerd und Technik-Noob auf den Technik-Nerd und Kreativ-Noob, eine Synergie, die ich sehr genossen habe. Dieser Text soll ein subjektiver Überblick für Menschen sein, die Freude am Malen haben und wie ich bisher keinen Umstieg von analogen Zeichenmedien auf digitale Zeichenoberflächen vollzogen haben, aber interessiert daran sind, was denn Tablets uns Kreativen bieten können. Mein Hauptaugenmerk am Ausprobieren der verschiedenen Tablets lag vor allem am Workflow auf den einzelnen Geräten.

Hier einige meiner Arbeiten ...

Apple iPad Pro 2017 & 2018

iPad Pro 11 - sehr gute Genauigkeit und Reaktionszeiten, glattes Glas und IOS als Nachteile
iPad Pro 11 - sehr gute Genauigkeit und Reaktionszeiten, glattes Glas und IOS als Nachteile

Als langjähriger Mac-Nutzer ging gewohnheitsbedingt mein erster Griff zu den beiden iPads. Optisch im typischen Mac-Aluminiumgehäuse mit schwarz eingerahmtem Bildschirm gehalten machen die beiden Tablets schon mal optisch einiges her und sind im Vergleich zu den anderen getesteten Tablets sicherlich die beiden Hingucker unseres Tablet-Tests. Für Ästhetiker und Poser im Kaffeehaus oder bei Kundenterminen sicher ein zusätzliches Argument zur Nutzung, ist doch der hippe Apple-Fetisch im Kauf inkludiert.    

Auf den ersten Blick typisch souverän und praktisch, bei erster Benutzung kommt dann schnell das erste Manko ans Tageslicht: kein nutzbarer USB-Eingang. Als nicht gerade versierter Techniknutzer speichere ich seit eh und je meine Daten extern auf einer Festplatte, die Cloud ist wie für viele andere ein Fremdwort. Schon vor dem ersten Malen auf dem Gerät ein Hindernis: Will ich auf einem Gerät arbeiten, von dem ich mir meine gespeicherten Daten selbst per E-Mail senden muss, um sie dann über einen anderen Computer auf einen externen Datenträger zu sichern? Unnötiger Aufwand vorprogrammiert, den ich bis dato nicht von einem Apple Produkt kenne und mich etwas kritischer an die ganze Sache rangehen lässt. Jetzt schalte ich das Gerät ein.    

Hochgefahren ist das iPad in Sekundenschnelle und bedient sich wie ein iPhone, endlich wieder im sicheren Hafen, ein bisschen Gewohnheitstier bin ich bei technischen Geräten ja doch. Erstmal zu Beginn die Einstellungen des Geräts checken oder gleich den Apple Pencil aktivieren und drauflos sketchen? Mein Urinstinkt gewinnt Überhand, ich tapse mit dem Finger auf den Bildschirm und öffne die Notizen: Mein Fingerabdruck auf der Glasoberfläche, der erste von vielen. Sind meine Erwartungen an Apple zu hoch? An die ältere Version des iPad Pro 12.9 (2017) sicherlich, fällt doch gleich der leichte Versatz der Strichführung mit dem Apple Pencil auf, der jedoch beim neuen iPad wegfällt. Ein Manko, an das man sich zwar relativ schnell gewohnt hat, aber doch den nächsten, leicht bitteren Beigeschmack hinterlässt. Die Druckempfindlichkeit des Stiftes ist toll und intuitiv, belaste ich den Stift stärker beim Malen, wird wie bei einem realen Zeichenwerkzeug der Strich dicker, belaste ich ihn weniger, ziehe ich feinere Linien und bringe sogar beim ersten Versuch ein halbwegs annehmbares Dotwork zustande. Hat sich der Pen vom vielen Malen nach einer gefühlten Ewigkeit entladen, steckt man ihn einfach am Ladeport des Geräts an und kann nach wenigen Minuten wieder mit voll geladenem Stift weiter ans Werk gehen. Etwas ungewohnt für mich bleibt auch die Oberfläche des iPads nach mehrmaligen Versuchen: Malen wie auf Glas ist eben vom Feeling her eine Sache für sich.     

Apple ist mit der neuen Version des iPads (Pro 11 2018) bemüht, Fehler der älteren Variante wieder gutzumachen und schafft es meiner Meinung nach, speziell im Verhalten des Apple Pencils, das neue Produkt zu verbessern. Nichtsdestotrotz werde ich wohl kaum auf dem iPad professionelle Projekte umsetzen, gibt es doch abschließend noch einen bisher nicht angesprochenen Punkt, für den Apple nichts kann, aber wesentlich für jeden Kreativen ist: Es gibt noch immer keine akkurate Version von Photoshop oder Illustrator für dieses Endgerät. Zumindest Photoshop soll aber im Laufe des Jahres erscheinen.

Es bleibt noch die Frage nach der Größe, hier ist größer eindeutig besser. Das 11-Zoll-Modell schränkt mich doch deutlich ein.

Wacom MobileStudio Pro 13 und Intuos Pro

Wacom MobileStudio, hervorragender Stift, etwas veraltete Tablet-Technik
Wacom MobileStudio, hervorragender Stift, etwas veraltete Tablet-Technik

Spricht man vom digitalen Malen fällt meist zuallererst der Name Wacom. Mir wurde dieses Gerät schon in meiner Studienzeit empfohlen und jetzt, 10 Jahre später, sitze ich mit der Standard- und Luxusvariante an diesem Bericht. Kurz zum Unterschied beider Geräte: Das Wacom MobileStudio ist ein Windows-Tablet und Zeichentablet mit eigenem Bildschirm, das Intuos Pro ist eine reine Zeichenfläche, die über einen Stand-PC oder iMac benutzt wird.    

Bei beiden Geräte fallen mir zuerst die Maloberflächen auf, fühlen sie sich doch im Vergleich zu den anderen getesteten Geräten am ehesten nach einer Papieroberfläche an. Am besten vergleicht es sich denke ich mit dem Malen auf ungestrichenem und gestrichenem Papier - und da ist Wacom definitiv holzfrei gebleicht :-). Eine sehr angenehme Oberfläche trifft auf einen wunderbar ausbalancierten Stift und eine lupenreine Übertragung meiner Strichführung auf das Tablet. So macht Malen auch am Screen Spaß! Erste Sketches im Adobe Illustrator ausgeführt, später noch Photoshop gestartet und weitergemalt - 100% Freude beim Arbeiten ohne Beeinträchtigung meines Workflows. Hier gibt es nicht auszusetzen, außer dass es meiner Meinung nach nicht für das Malen unterwegs geeignet ist, da es doch im Vergleich zu den anderen Tablets größer, dicker und schwerer ist. Ein Umstand, der jedoch nicht stört, ist, dass es doch etwas stabiler am Tisch als die anderen Tablets liegt und für das Skizzieren auf den Weg zur Arbeit gibts' ja immerhin noch das altbewährte Skizzenbuch. Etwas negativ fällt der dauernd laufende Lüfter auf. Auch die Bildqualität des Bildschirms kann nicht mit den iPads mithalten.

Beim Wacom Intuos Pro ist die Übertragung vom Zeichenbrett auf den Standrechner nicht zu spüren - jetzt muss nur noch das ungewohnte Handling geübt werden! Am besten vom Pen-Mode auf den Mouse-Mode des Gerätes gewechselt, da fällt schon mal die Bedienung leichter. Jetzt nur noch trainieren, trainieren, trainieren, bis ich checke, wie man malt, ohne seine Hand beim Ausführen der Bewegungen zu sehen. Aber das wird schon ;-). Wie man aber schon merkt, ist eine deutliche Umstellungsphase einzuplanen.

Microsoft Surface Pro 6

Surface Pro 6 gefällt gut und kann mit vollem Windows überzeugen
Surface Pro 6 gefällt gut und kann mit vollem Windows überzeugen

Das Microsoft Surface besticht durch seine angenehme Größe und cleanere Optik und ist mir, vor allem durch den mitgelieferten Stift, der vom Gewicht und Form an einen Tuschestift erinnert, von Beginn an sympathisch. Auch auf diesem Gerät lassen sich Adobe Programme nutzen und lädt vor allem Windows-Benutzer ein, sich kreativ zu verwirklichen. Auf der verspiegelten Oberfläche lässt sich gut malen und man kommt schnell ohne große Komplikationen zu Ergebnissen. Ein gutes Produkt, dessen Stift um Nuancen nicht an die Feinfühligkeit des Wacom Stiftes rankommt, trotzdem lässig zu benutzen ist. Auch die Glasoberfläche ist gefühlt besser zu bezeichnen als andere wie die des iPads, dies kann aber auch an der abgerundeten Spitze des Stiftes liegen.   

Eve V

Eve V mit N-Trig Stift, weniger gut geeignet zum Zeichnen
Eve V mit N-Trig Stift, weniger gut geeignet zum Zeichnen

Das Eve Tech Eve V (hier im Test) ist eine durch Crowdsourcing entstandene Kopie der Surface Geräte und nutzt ebenfalls einen Stift mit N-Trig-Technologie. Die Umsetzung ist im Detail jedoch etwas schwächer. Die Übertragung des Stiftes lässt speziell bei schnell gemalten Strichen oder beim Schraffieren zu wünschen übrig und auch beim Versuch, eines annehmbaren Dotworks bin ich gescheitert - gefühlt jeder 3. Punkt wurde nicht übertragen. Hier sehen wir als Einsatzbereich eher Photoretuschen und Notizen.

Topjoy Falcon Convertible

Topjoy Falcon - günstiges China Tablet mit Stift, der jedoch nicht überzeugt (jedoch Vorserie)
Topjoy Falcon - günstiges China Tablet mit Stift, der jedoch nicht überzeugt (jedoch Vorserie)

Abschließend noch ganz kurz zum kleinen Topjoy Falcon Convertible (siehe unseren Test): Malfläche A6, eingebaute, nach hinten klappbare Tastatur, drucksensitiver Stift zum Billigpreis aus China. Kann das was? Schnelle Antwort: Nein. Einerseits eignet sich eine so kleine Oberfläche zur Erstellung halbwegs hochwertiger Illustrationen kaum, ebenso überträgt der mitgelieferte Stift einzelne Striche mangelhaft und die Genaugikeit und Responsität lässt zu wünschen übrig. Hier sind handschriftliche Notizen die einzige Anwendung für den Stift.

Thomas Gasperlmair

100 000 Dots, 10 000 Stiche, verschiedene Styles - Artworks von Tom aka aplacefortom. In seinen Arbeiten vermengt der Oberösterreicher Comic, Dotwork und Sketching zu handgemalten Posterartworks (Sieb- & Risoprints) für Konzerte internationaler Acts wie RUSSIAN CIRCLES (us), CHELSEA WOLFE (us), YOB (us), ROSETTA (us), MELT BANANA (jp) und JEX THOTH (us), ebenso malt er in Zusammenarbeit mit Bands Schallplatten- und CD-Artworks. Außerhalb der Musikbranche arbeitet Tom u.a. an Projekten für JÄGERMEISTER Österreich sowie für die FIS - Fédération Internationale de Ski (Weltskiverband). Für die diesjährige SLOPESTYLE SNOWBOARD WM 2019 am Kreischberg in Murau ist er in Zusammenarbeit mit der FIS und RED BULL für das Key Visual der Weltmeisterschaft verantwortlich. Eine kleine Übersicht zu Toms Arbeiten gibt es auf seiner Website oder im kultigen Werbefachmagazin LUERZERS' ARCHIVE "200 best illustrators worldwide", in dessen illustren Kreis er zum zweiten Mal in Folge aufgenommen wurde.

Fazit

Zusammenfassend kann man klar sagen, dass sich der Branchenprimus Wacom in unserem Praxistest durchsetzen kann. Beim Zeichengefühl geht derzeit nichts über die Wacom Stifte in Verbindung mit den Oberflächen. An erster Stelle positioniert sich dadurch das Wacom MobileStudio Pro 13, da hier Stift und die matte Oberfläche zu dem besten Schreibgefühl führen. Die etwas höhere Latenz ist in der Praxis für uns nicht störend, aber doch merkbar. Die Hardware des Windows-Tablets könnte jedoch eine Überarbeitung vertragen. Das Display ist nicht sonderlich hell und kann auch bei der Farbwiedergabe nicht mit Apple mithalten und der dauernd laufende Lüfter kann in sehr leisen Umgebungen etwas nerven.

Beim Zeichengefühl geht derzeit nichts über die Wacom Stifte in Verbindung mit den Oberflächen. 

An zweiter Stelle sehen wir das Surface Pro 6. Dieses kann mit dem kleineren Stift überzeugen, die glatte Bildschirm-Oberfläche bietet jedoch kein haptisches Feedback beim Zeichnen. Das Surface Pro 6 selbst gefällt als Windows-Tablet (siehe unseren Test).

Überraschend war der deutliche Unterschied zwischen den 2017er iPad Pro Modellen und den 2018er Modellen mit neuem Apple Pencil. Wo man bei dem 2017er noch eine deutliche Latenz spürt, deklassiert das aktuelle Modell selbst Wacom deutlich. Glasoberfläche und Haptik des Stifts positionieren das iPad 11 jedoch hinter dem Surface Pro. Außerdem schränkt das mobile Betriebssystem IOS beim Arbeiten deutlich ein (kein vollwertiges Dateisystem, noch keine vollwertigen Desktop-Apps von Adobe).

Hinter den Apple Modellen sind für uns die traditionellen Wacom Zeichentablets ohne Bildschirm einzureihen. Genauigkeit und Haptik sind zwar hervorragend, jedoch will der Disconnect zwischen Stift und Darstellung geübt werden. 

Das günstiger Eve V zeigte im Test trotz gleicher Stift-Hardware eine deutlich schwächere Performance. Komplett unbrauchbar war das Vorseriengerät des Topjoy Falcon. Das reine Anbieten eines drucksensitiven Stifts reicht hier nicht aus.

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Autor: Sebastian Jentsch,  4.03.2019 (Update: 15.08.2024)