Apple iPhone 12: Internationale Kunden werden geschröpft, ganz anders als beim Google Pixel 5
Was ist denn das da an der Seite, wird so mancher Apple-Fan fragen, wenn er mal die Gelegenheit erhält, ein US-Amerikanisches iPhone 12, egal ob iPhone 12 und iPhone 12 mini oder iPhone 12 Pro oder iPhone 12 Pro Max in die Hände zu bekommen. Tatsächlich findet sich ein deutlich sichtbarer Unterschied zwischen den iPhones aus den USA und denen im Rest der Welt, wie das Bild oben zeigt, in dem wir stellvertretend für die ganze Serie zwei Renderbildern eines iPhone 12 von den Webseiten von Apple Deutschland und Apple USA einander gegenübergestellt haben.
Dieses Fenster an der Seite ist, wie Nilay Patel von TheVerge mittlerweile bestätigen konnte, ein Ausschnitt für die mmWave 5G-Antennen, die den internationalen iPhones ja fehlen - nichts Neues, auch Samsung und Google verbauen die laut IHS Markit in der Produktion zumindest 2019 etwa 40 US-Dollar teureren mmWave-Antennen nur in den USA, was zum ersten Mal beim Samsung Galaxy S20 Ultra im Teardown aufgefallen ist, bei der iPhone 12-Serie aber auch äußerlich sehr gut erkennbar ist.
Vergleicht man die Specs von iPhone 12 in Deutschland mit denen in den USA (siehe unten), zeigen sich auch ganz deutlich Unterschiede bei Gewicht (2 Gramm) und den unterstützten 5G-Bändern. Die beiden mmWave-Bänder n260 und n261 sind nur in den USA abgedeckt, was niemanden verwundern sollte - Hersteller argumentieren durch die Bank damit, dass Netze außerhalb der USA, etwa in Europa, noch kein mmWave bieten und mmWave-Antennen demnach nicht gebraucht werden.
Google geht beim Pixel 5 den ehrlicheren Weg
Dieses Argument ist nachvollziehbar, wenngleich nicht die ganze Wahrheit, denn in Europa und Asien sind durchaus mmWave-Netze geplant, die dann mit den aktuellen 5G-Smartphones eben nicht genutzt werden können. Wer mehr als 1.000 Euro für ein aktuelles iPhone 12 Pro ausgibt und plant, es mehrere Jahre hindurch zu nutzen, bei iPhones nicht unüblich, wird diesen Nachteil dann wohl bereits spüren. Wie bei Samsung und Google bekommen US-Amerikaner also mehr Features in Sachen 5G, doch die drei Hersteller gehen unterschiedlich transparent mit der sich daraus ergebenden Preisersparnis in der Produktion um. Besonders auffällig ist der Vergleich mit Googles kürzlich gelaunchtem Pixel 5.
Auch hier bietet nur das US-Modell mmWave 5G, allerdings gibt Google das in der Produktion billigere internationale Modell auch deutlich günstiger an seine Kunden ab. Während US-Amerikaner in den USA ohne Steuern 699 US-Dollar zahlen, kostet das Pixel 5 in Deutschland bekanntlich nur 613 Euro - inklusive Steuern, was steuerbereinigt (528 Euro) eine Ersparnis von etwa 70 Euro ausmacht. Wie sieht die Situation bei Apple aus? Apple-typisch sind die Europa-Preise wie im Vorjahr prinzipiell deutlich höher als der US-Dollar-Preis, obwohl der Dollar mittlerweile etwas abgewertet hat:
Preise Basismodell | USA | Deutschland |
---|---|---|
iPhone 12 mini | 699 US-Dollar | 779 Euro |
iPhone 12 | 799 US-Dollar | 876 Euro |
iPhone 12 Pro | 999 US-Dollar | 1120 Euro |
iPhone 12 Pro Max | 1099 US-Dollar | 1217 Euro |
Apple verlangt für das billigere iPhone 12 in Europa deutlich mehr
Vergleicht man nun allerdings die umgerechneten US-Preise mit den steuerbereinigten, die Apple in Deutschland verlangt, zeigt sich leider ein ganz anderes Bild als bei Google. Beispiel iPhone 12 mini: Kostet in den USA umgerechnet wie das Pixel 5 593 Euro, was inklusive 16 Prozent Steuer theoretisch 687 Euro wären also 100 Euro weniger als Apple in Deutschland tatsächlich verlangt. Dieser Unterschied ist nichts Neues, doch heuer sind die iPhones in den USA und in Europa eben nicht gleich, hierzulande fehlt mmWave, sprich Apple verdient bei jedem europäischen iPhone 12 mini nicht nur etwa 100 Euro zusätzlich (zur Berechnung siehe auch unten das Update) sondern spart sich auch noch die Kosten für die mmWave-Antennen. Und das mal ganz abgesehen davon, dass in diesem Jahr auch Netzteil und Ohrhörer fehlen und die kleinere Verpackung letztlich auch weniger Transportkosten bedeutet.
Sicher - internationale Preise so direkt zu vergleichen ist immer etwas schwierig, da wir nicht wissen, was Apple sonst noch für Kosten in Europa zu tragen hat, die bei Google möglicherweise wegfallen (Google verkauft seine Pixel-Phones etwa nur in wenigen Ländern). Dennoch muss man angesichts dieser dramatischen Unterschiede zwischen US-Preis und Euro-Preis und angesichts der fehlenden mmWave-Antennen doch von einer Schröpfung internationaler Apple-Freunde sprechen. Dem Verkaufsvolumen der iPhones wird das wohl auch 2020 nicht schaden. Übrigens schafft es Apple doch bei einem Produkt, in etwa Gleichstand zwischen US-Dollar-Preis und Europreis zu bieten und zwar beim HomePod mini. Wieso geht es da plötzlich?
Update 15.10. 16:00
Quelle für mmWave-Kosten 2019 (IHS Markit via Venturebeat) als Link hinterlegt
Update 16.10. 08:00
Zu den zwei geäußerten Kritikpunkten in den Kommentaren: Ja, die ursprünglich genannten etwa 100 Euro Preisunterschied sind ein "Idealfall", weil in den USA tatsächlich 30 US-Dollar Aufpreis anfallen, wenn man das iPhone 12 mini auf Apple.com ohne SIM-Karte eines Providers kauft, was allerdings, erfahrungsgemäß, die wenigsten US-Amerikaner tun, die zudem oft Trade-In-Abomodelle bei ihren Providern nutzen. So ganz vergleichbar ist die Situation also schon prinzipiell nicht. Weiters ist es tatsächlich nicht ganz fair, den US-Nettopreis mit europäischen Bruttopreisen zu vergleichen, wenngleich auch hier angemerkt werden muss: Fünf US-Staaten haben keine Sales-Tax, sprich es gibt durchaus einige Orte in den USA wo das iPhone 12 mini tatsächlich, bei einem Provider, nur 699 US-Dollar kostet und damit umgerechnet 593 Euro.
Ob nun allerdings 100 Euro oder 50 Euro Aufpreis im Vergleich zu den USA ändert nichts an der Grundaussage dieser Kritik: Apple verkauft die iPhones traditionell in Europa und vielen anderen Teilen der Welt teurer als in den USA und in diesem Jahr kommt auch noch der Unterschied bei der Ausstattung dazu, den Apple nicht - wie etwa Google - in Form von günstigeren Preisen an seine Kunden weitergibt. Insofern ist die Kritik wohl weiterhin gerechtfertigt, auch wenn die ursprüngliche Rechnung je nach Situation unterschiedlich hohe Differenzbeträge ergibt.