Meinung: Facebook geht in die Offensive und das ist gut so
Facebook: Einst war der Konzern der König von Social Media, ein Gigant der nur noch zu wachsen schien und bei den Leuten beliebt war, wie noch kein Konzern zuvor. Allerdings hat das Unternehmen sein gutes Image in letzter Zeit an vielen Fronten verloren. Zuallererst fällt da einem natürlich der Cambridge Analytica-Skandal ein, bei welchem Millionen Nutzerdaten veruntreut und für Wahlkämpfe genutzt wurden. In der Folge musste Mark Zuckerberg selbst sowohl durch den amerikanischen Kongress, als auch durch das europäische Parlament ziehen und öffentlich Buße tun. Dann kamen noch eine ganze Reihe anderer Peinlichkeiten dazu, die dem Ansehen nicht gerade weitergeholfen haben. Da gehört die Speicherung von einer halben Milliarde Passwörter zu den schon gewohnten Ausrutschern des Konzerns, so tief ist das Ansehen mittlerweile gesunken.
Allerdings ist das Ansehen bei weitem nicht das einzige Problem unter dem Facebook leidet. Dem Social Media-Giganten lastet auch an, dass er sein Design gefühlt noch seltener ändert als Microsoft das von Windows. Mittlerweile wirkt die Facebook-Homepage nach aktuellen Design-Standards einfach nicht mehr modern. Ein überfrachtetes Layout und ein vollkommen unbeherrschbarer Feed sind die typischen Erfahrungen, auf die man sich einstellen muss, wenn man die Facebook-Homepage besucht. Allerdings hat sich hier in den letzten Jahren auch kaum was getan. Hier haben sie beispielsweise zwei Screenshots von Facebook von 2014 und 2019. Da wurden lediglich die Formen der Buttons ein wenig überarbeitet. Dies schlägt sich natürlich auch auf das Nutzerwachstum der Plattform nieder, das zuletzt merklich abgeflacht ist.
Innovation? Die kauft man einfach ein
Und so wurden in den letzten Jahren alternative Social-Media-Plattformen, wie Whatsapp, Instagram und Snapchat immer beliebter. Effektiv bieten diese zwar das gleiche wie Facebook, nur aufgeräumter, klar separiert und in einem modernen Layout. Und was macht Facebook? Richtig: Es nutzt seine großen finanziellen Ressourcen und kauft sich diese Unternehmen einfach, nur um sie dann ebenfalls schleifen zu lassen und kaum weiterzuentwickeln. Da war es noch das höchste der Gefühle, wenn sich der Milliarden-Konzern mal dazu herabgelassen hat, Features von der Konkurrenz (Snapchat) zu übernehmen und ganz dreist eins zu eins in seine gekauften Dienste Instagram und Whatsapp einzubinden.
Auch auf dem Hardware-Markt tut sich bei Facebook kaum was, obwohl hier immer mehr rentable Marktlücken entstehen, in welche die Konkurrenz von Facebook vorstößt. Man denkt an Dinge wie IoT, Smart Home, digitale Assistenten usw. Nirgendwo hat Facebook wirklich einen Fuß in der Tür. Natürlich gibt es mit VR und dem Tochterunternehmen Oculus eine Nische, in der auch Facebook aktiv ist. Aber wo kommt Oculus eigentlich ursprünglich her? Auch das wurde 2014 für 2,3 Milliarden US-Dollar dazugekauft und hat in letzter Zeit immer mehr Probleme, sich wirklich von der Konkurrenz abzuheben bzw. mitzuhalten. Während hier andere Hersteller beispielsweise schon längst auf interne Sensoren setzen, um die Umgebung zu tracken und die Bewegungen zu übernehmen, hat es Oculus erst letzte Woche geschafft, eine Brille mit vergleichbarer Technik auf den Markt zu bringen.
Die Welt dreht sich weiter
Und an dieser Stelle muss mal betont werden: Die Konkurrenz schläft nicht. Zwar gibt es noch keine einheitliche Social Media Plattform, die Facebook in Sachen Nutzerzahlen ansatzweise das Wasser reichen kann, allerdings greifen sowohl andere Tech-Giganten als auch Start-ups in letzter Zeit die Tochterunternehmen und die dortigen Nischen von Facebook immer weiter an. So wird die fehlende Weiterentwicklung von Whatsapp und das schwindende Image von Facebook seinen Anteil dazu beigetragen haben, dass der Messaging-Service Telegram mittlerweile deutlich über 200 Millionen Nutzer hat und gerade in Europa immer populärer wird. Und auch im Business-Segment hat Facebook jeden Trend verschlafen und mit Whatsapp Business erst kürzlich eine Version seinen Messaging-Services für Unternehmen veröffentlicht. Da war selbst Microsoft mit seinem Messenger Kaizala früher fertig, der auch noch mit einem deutlich moderneren Aufbau und Funktionen überzeugt als Whatsapp. Gerade die Einbindung in das Ökosystem von Microsoft könnte mittelfristig dazu führen, dass Microsoft hier Whatsapp Business gefährlich werden könnte.
Facebook entwickelt sich endlich weiter
Doch ist jetzt wirklich alles verloren für Facebook? Nein auf keinen Fall. Das hat sich auf der F8 2019, der eigenen Developer Conference, gezeigt. Hierbei haben die Manager und Entwickler des Anbieters eine ganze Reihe neuer Ankündigungen gemacht: Der Facebook Messenger verbraucht künftig wesentlich weniger Speicherplatz und bietet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, während auch die Vereinheitlichung der Anruf und Messengerfunktionen von Instagram, Whatsapp und Facebook Messenger durchaus angenehm sind, so dass man künftig z.B. mit Whatsapp auch mit Instagram-Nutzern schreiben kann. Ebenso ist die Messenger-Desktop-App eine sinnvolle Erweiterung, auch wenn der eigene Service Whatsapp und die Konkurrenz schon längst ähnliche Funktionen bieten. Auch die Implementierung einer Bezahlfunktion in Whatsapp Business ist eine interessante Weiterentwicklung. Diese wird aktuell in Indien ausgetestet.
Zusätzlich hat sich Facebook endlich dazu entschieden, sein Design in den verschiedenen Apps und im Browser in den nächsten Monaten zu erneuern. Bei dem neuen Design und Layout erkennt man zwar noch klar, dass es sich um Facebook handelt, allerdings wirkt es im Vergleich deutlich „cleaner“ als die aktuelle Version.
Viele dürften mittlerweile auch von der neuen Dating-Funktion „Secret Crush“ gehört haben, mit der sich Facebook als eine Art Tinder versucht. Warum auch nicht? Das Feature ist spielerisch und lädt ein ausprobiert zu werden (nur für Singles versteht sich).
Dass Facebook künftig dem Schutz der Privatsphäre eine deutlich höhere Priorität einräumen möchte, dürfte potentiellen Nutzern dieser Funktion auch zusagen. Dieser Schritt ist allerdings auch dringend nötig, was auch durch die absolute Stille gezeigt wurde, mit der die Zuschauer Mark Zuckerberg begegneten, als dieser versuchte mit einem selbstkritischen Scherz über das Thema die Stimmung zu lockern.
Braucht man denn diese ganzen Neuheiten?
Aber sind alle diese Updates und neue Funktionen wirklich sinnvoll und was wird aus dem Versprechen nach mehr Schutz der Privatsphäre? Das bleibt abzuwarten. Trotzdem kann man sich bei einem einig sein: Es ist gut, dass sich Facebook bewegt und versucht innovativ zu sein.
Ja, vielleicht wird der neue Alexa-Lautsprecher made by Facebook mit dem Namen „Portal“ floppen und vielleicht wird die neue AR-Plattform, die der Konzern für Windows und Mac auf den Markt bringt, am Ende wieder in einer Schublade verschwinden. Allerdings kann man davon ausgehen, dass nicht alles schief gehen wird und dass das Unternehmen in einigen Bereichen wieder zum technologischen Marktführer oder zumindest zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz wird. Und wenn es mehr Konkurrenz gibt, profitiert am Ende meistens der Kunde. In diesem Sinne hoffe ich, dass die Zeit der Datenleaks, Wahlskandale und des alten Designs vorbei sind und es in Zukunft wieder ein paar spannende Produkte aus dem Hause Facebook gibt, an denen wir alle unseren Spaß haben werden. Denn was haben wir denn davon, wenn mit Facebook einer der großen Tech-Konzerne langsam zu Grunde geht?