Opinion | Auch wenn noch ein kleiner Zweifel bleibt - es ist an der Zeit, Xiaomi ernst zu nehmen
Vor einigen Monaten präsentierte Xiaomi sein Mi Mix 2S. Die Vermarktung des Geräts basierte hauptsächlich auf dessen Kameraeigenschaften - und das aus gutem Grund: Im Kameratest von DxOMark erreichte es beeindruckende 97 Punkte.
Wir haben die Evaluierungskriterien von DxOMark sowie die generelle Subjektivität der Website zwar schon öfter kritisiert, wollen aber gern zugeben, dass die Kamera des Mix 2S unglaublich gute Bilder schießt. Damit Sie sich das vorstellen können: Laut DxOMark-Bewertung liegt die Kameraleistung des Mix 2S gleichauf mit der des iPhone X und des Huawei Mate 10 Pro. Das ist schon mal nicht schlecht.
Stellen Sie sich vor, jemand hätte vor ein paar Jahren behauptet, die Kamera eines Xiaomi-Smartphones würde zu einem Konkurrenten des iPhone werden.
Irrsinn! Verräter!
Aber es scheint, als wären wir an diesem Moment angelangt. Das Mix 2S hat vielleicht keine bessere Kamera als das teuerste iPhone, das jemals produziert wurde, aber es kann sich gut behaupten - sehr gut sogar. In den letzten Monaten hat sich die Qualität der Xiaomi-Kameras weiter verbessert. Bei der Hardware hat sich zwar nichts massiv verändert, doch das Unternehmen nimmt sich jetzt verstärkt Zeit, um sich dem weniger greifbaren Aspekt der Bildverarbeitung zu widmen. Es hat sogar eine eigene Kamera-Abteilung gegründet.
Die Ergebnisse waren bis jetzt beeindruckend. Das Mi Note 3 war bereits ein feines Gerät. Es erreichte im DxOMark beeindruckende 90 Punkte und war somit gleichauf mit dem iPhone 7 und dem Pixel der ersten Generation. Das Redmi Note 5 Pro wurde auch für seine ausgezeichnete Leistung im Bereich der Kamera gefeiert. Verkaufsstellen präsentierten es als hervorragendes Gerät und verdoppelten den vom Hersteller empfohlenen Preis.
Von wegen Preis: Xiaomi ist ohne Frage das Unternehmen, das es am besten versteht, Smartphones mit ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis herzustellen. Das beste Beispiel dafür ist, dass das Unternehmen in jeder Kategorie unserer Liste der Smartphones mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis von 2017 mindestens einmal, manchmal sogar mit zwei Geräten, vertreten war.
Das Unternehmen konnte dieses Alleinstellungsmerkmal so gut nutzen, dass es am Ende des ersten Quartals 2018 der viertgrößte Smartphone-Hersteller der Welt war. Es könnte in näherer Zukunft sogar zum Drittgrößten aufsteigen; die neuesten Probleme für Huawei und die Fähigkeit von Xiaomi, ständig neue Geräte auf den Markt zu bringen, scheinen darauf hinzudeuten. Mit der Strategie, Smartphones für den halben Preis seiner Konkurrenten zu verkaufen, hat Xiaomi in Märkten wie Indien, aber auch in Teilen von Westafrika unglaublich viel Erfolg.
Dennoch könnte es noch besser aussehen
Die Kameraleistung ist besser denn je, die Gehäusequalität beeindruckt ebenfalls und seit der Veröffentlichung des Kernel-Quellcodes für verschiedene Geräte hat sich der Community Support auch verbessert. Dennoch sieht nicht alles so rosig aus. Manchmal gibt Xiaomi immer noch den Eindruck, einfach ein zwielichtiger chinesischer OEM zu sein. Zum Beispiel liefert das Unternehmen Geräte mit unterschiedlichen Hardwarekonfigurationen, unterschiedlichen Displaypanels, unterschiedlichen Kamerasensoren, usw. - Dinge, die bei alteingesessenen Platzhirschen einfach nicht passieren würden. Und auch bei der Software - MIUI - scheiden sich die Geister.
Schon das neue Mi 8 ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die größte Herausforderung von Xiaomi: Die Herstellung einer Identität. Das Unternehmen ist dafür bekannt, gute Ware für wenig Geld zu bieten, hat es aber noch nicht geschafft, eine eindeutige Markenidentität aufzubauen. Apple bietet Pseudo-Exklusivität und Privatsphäre; Samsung hat die beste Hardware zu bieten. Vielleicht ist das der Grund, warum das Mi 8 so eine schamlose Kopie des iPhone X war. Das verzeiht man einem Gerät, das zumindest hätte versuchen sollen, ein Gegenangebot aufzustellen, nicht so schnell.
Diese vergebliche Suche nach einer eigenen Identität ist eine der Schwächen, die das Unternehmen überwinden muss, wenn es in die westlichen Märkte vorstoßen möchte. Die USA (der drittgrößte Smartphone-Markt der Welt), zum Beispiel, ist von einem ganz anderen Kaliber als die chinesischen und indischen Märkte, die sich Xiaomi bereits unter den Nagel gerissen hat. Hier ist ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zwar auch interessant, hat aber in diesem Bereich keineswegs höchste Priorität. Xiaomi wird sich noch etwas bemühen müssen, um sein Image des einfachen chinesischen Neulings erfolgreich abzuschütteln.
Der Gipfel ruft
Im Grunde genommen haben jedoch alle OEMs ihre Schwächen - und die von Xiaomi sind kaum die schwerwiegendsten. In Europa nimmt das Unternehmen bereits langsam Einzug und Lei Jun scheint auch die USA im Auge zu haben. Es ist an der Zeit zu akzeptieren, dass die Smartphone-Marke mit dem sonderbaren Namen nicht mehr zu den Außenseitern gehört und bald sogar das Sagen haben könnte.