Test Nokia Booklet 3G Netbook
Vor dem Erscheinen der ersten Tablets zuzeiten der ersten Generation des Apple iPad, waren Netbooks das Mittel der Wahl, wenn es um lange Akkulaufzeiten, ein geringes Gewicht und einen günstigen Einstiegspreis ging. Im Jahr 2009 wollte auch Nokia mit dem Booklet 3G ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Ein Gehäuse aus Flugzeugaluminium und ein integriertes 3G-UMTS-Modul sollten Käufer anlocken, denn der Einstiegspreis von rund 699 Euro (UVP) war doch überaus hoch angesetzt.
Heute, über zwei Jahre später, ghört das Paket bestehend aus einem Intel Atom Z530 mit integriertem GMA 500 Grafikchip, 1 GByte DDR2-Speicher und nur 120 GByte Festplattenspeicher schon zum alten Eisen. Trotz dieser Tatsache wird das Booklet noch angeboten und kostet aktuell immer noch rund 300 Euro, was hinsichtlich günstigerer und moderner Alternativen doch schon sehr gewagt ist.
Was bekommt man für den stolzen Preis geboten und wo liegen die Stärken und Schwächen dieser Konfiguration? Stellt das ehemalige Edel-Netbook heute noch eine ernstzunehmende Konkurrenz für aktuelle Netbooks dar?
Nokia setzt auf ein sehr schlichtes Design in Silber und Schwarz. Den größten Teil davon bilden Parts aus Flugzeug-Aluminium, was eine hochwertige Materialanmutung und Haptik erzeugt, aber insgesamt keinen nennenswerten Gewichtsvorteil mit sich bringt (1.23 Kilogramm). Zudem entsprechen die Abmessungen dem üblichen Standard. Die Verarbeitung ist nicht überzeugend und entspricht nicht dem Premiumanspruch, der über den Kostenpunkt suggeriert wird. Bei unserem Sample löste sich beispielsweise der Glasvorsatz des Bildschirms im Bereich der Webcam, da dieser anscheinend nur mit Kleber fixiert ist. Auch die fehlende Gehäusestabilität, die Möglichkeit den Bildschirmrahmen und das Gehäuse zu fixieren sowie ein hörbares Knarzen beim Hantieren mit dem Booklet, sind Kritikpunkte.
Ein weiterer Minuspunkt ist der billig wirkende Displaydeckel mit hochglänzender Kunststoffauflage. Diese Auflage ist sehr anfällig für Kratzer und damit nicht widerstandsfähig. Nur der 6-Zellen-Akku lässt sich herausnehmen und austauschen. Positiv: Dieser sitzt fest in Position. Der Zugriff auf die Komponenten im Inneren des Systems ist nicht möglich, man muss mit dem gebotenen Paket vorlieb nehmen.
Die Anschlussausstattung verteilt sich über die rechte und linke Geräteseite und fällt Netbook-typisch aus. Neben drei USB-2.0-Ports wird mit einem HDMI-Ausgang und einem SD-Kartenleser der Klassen-Standard aufgefahren, der zum ursprünglichen Erscheinungszeitpunkt üblich war. Man muss fairer Weise allerdings dazu sagen, dass der HDMI-Anschluss vor rund zwei bis drei Jahren noch eine Rarität im Segment der Netbooks war. Kritik an der Positionierung und an den Platzverhältnissen gibt es nicht.
Kommunikation
Bis auf zwei kleine Mankos überzeugen die gebotenen Kommunikationsmöglichkeiten des Booklets. Neben modernem WLAN nach 802.11b/g/n und einem integrierten 3G-UMTS-Modul fehlt eine RJ-45-Netzwerkbuchse für die kabelgebundene Übertragung, außerdem ist die Bluetooth Revision 2.1 +EDR nicht mehr ganz auf Höhe der Zeit.
Im puncto Lieferumfang wird ein leicht gehobener Standard geboten. Neben den üblichen Accessoires (Gerät, Akku, Netzteil mit Netzkabel und Dokumentationen) legt Nokia ein kleines Reinigungstuch, ein In-Ear Headset sowie ein USB-Lade- und Datenkabel bei. Für ein perfektes Bild fehlt uns noch eine kleine Transporttasche, beziehungsweise ein Sleeve aus Neopren, bevorzugt im abgestimmten Design.
Garantie
Nokia gewährt ab Werk eine Garantielaufzeit von 24 Monaten auf das Booklet 3G, die damit im guten Durchschnitt für ein Consumer-Gerät liegt.
Tastatur
Als Haupteingabegerät nutzt Nokia ein Chiclet-Style Keyboard mit vergleichsweise kleinen Tasten. Die meisten Tasten messen dabei nur 12 x 12 Millimeter, wodurch die gebotene Ergonomie nicht ideal ist. Insgesamt wirkt das Layout sehr gedrängt, andere Hersteller lösen das Design dieser wichtigen Komponente besser. Durch den undeutlichen Druckpunkt und einen relativ langen Hubweg der Tasten bleibt auch das subjektive Tippgefühl auf der Strecke, wenn auch der feste Untergrund der Tastatureinheit ein Pluspunkt ist.
Touchpad
Weitere Abstriche gibt es im Bereich des Touchpads. Mit Abmessungen von 72 x 40 Millimetern beziehungsweise einer Diagonale von 7,9 Zentimetern fällt es arg klein aus und indiziert damit indirekt, dass man eine externe Maus nutzen soll. Die leicht angeraute Oberfläche sowie Multi-Touch-Gesten überzeugen aber im alltäglichen Betrieb. Unter dem Zeigegerät befinden sich zwei große Mausersatztasten, die mit einem minimalen Hub und einer lauten Geräuschkulisse beim Klicken nicht über das durchschnittlich bis schlechte Bild hinwegtäuschen können.
Im Bereich des Bildschirms bietet Nokia eine 10,1-Zoll-Anzeige, die mit nativen 1280 x 720 Pixeln im 16:10 Format auflöst. Auch wenn es an entsprechender Leistung fehlt, ist diese erhöhte Auflösung im Betrieb nützlich, da zum Beispiel der horizontale Scrollbalken auf Internetseiten meist entfällt. Die bei Netbooks immer noch häufig anzutreffende Auflösung von 1024x600 Pixel schränkt diesbezüglich doch deutlich ein. Weitere Auflösungsstufen lassen sich über eine externe Anzeige mit dem integrierten HDMI-Anschluss problemlos darstellen.
Zuerst prüfen wir die LED-Beleuchtung des AUO-Panels (Typ: B101EW01 V1), sowie die Leistung der Dioden. Mit maximal 164 cd/m² und einem Durchschnittswert von 153,8 cd/m² bewegt sich der Bildschirm nur im Durchschnitt und ist auch subjektiv als nicht sehr hell zu beschreiben. Die Ausleuchtung ist mit glatten 90 Prozent als gut zu bezeichnen.
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Ausleuchtung: 90 %
Helligkeit Akku: 164 cd/m²
Kontrast: 153:1 (Schwarzwert: 1.07 cd/m²)41.68% AdobeRGB 1998 (Argyll 2.2.0 3D)
59.2% sRGB (Argyll 2.2.0 3D)
40.25% Display P3 (Argyll 2.2.0 3D)
Die weiteren Messwerte bestätigen die Verwendung eines günstigen TN-Panels. Der Schwarzwert ist erhöht (1.07 cd/m²), wodurch Schwarz leicht gräulich wirkt, der Kontrast ist in Folge zu schwach (153:1) und die Blickwinkelstabilität ist ebenso nicht überzeugend. Schon bei einer geringen Abweichung lässt die Helligkeit nach und ein Aufblenden, beziehungsweise Invertieren unseres Referenzbildes lässt sich nicht vermeiden.
Auch der Außengebrauch ist nur eingeschränkt möglich. Im Schatten sind deutliche Spiegelungen vorhanden, die zum Teil noch aufgefangen werden können. Mit einer direkten Lichtquelle im Rücken blendet der Bildschirm auf und der Inhalt verschwindet komplett. Last but not least: Für die professionelle Bildbearbeitung taugt das Display ebenfalls nicht, da der sRGB-Farbraum nicht annähernd bedient werden kann. Die ist im Netbook-bereich allerdings üblich und stellt keinen wirklichen Nachteil dar.
Im Inneren des finnischen Netbooks arbeitet ein Intel Atom Z530 Single-Core Prozessor mit 2 Threads, 512 KB L2-Cache und einer Taktfrequenz von 1,6 GHz. Zusammen mit der integrierte GMA 500 Grafik war dieses Paket auch im Jahr 2009 eine eher selten genutzte Lösung im Bereich der Netbooks. Die Leistungsfähigkeit dieser Kombination beschränkt sich auf einfache Office-Arbeiten. Für die Wiedergabe von hochauflösendem Videomaterial und die Nutzung von 3D-Spielen ist die gebotene Kombination nicht geeignet.
In CineBench R10 Multi-Thread Rendering (32-Bit) ordnet sich die Silverthorne CPU mit 813 Punkten am Ende unserer Datenbank ein. Auf vergleichbarem Niveau bewegt sich der Intel Atom N270 Prozessor, der die ersten Netbooks angetrieben hat. Ähnlich langsam präsentiert sich die integrierte Intel GMA 500 Grafikeinheit des Booklet 3G. Im etwas älteren 3DMark 05 erzielt die GPU nur 120 Punkte. In der direkten Nachbarschaft finden sich vergleichbare Konfigurationen, wie das MSI Wind U115 oder der Asus Eee PC 1101HA, wobei Geräte mit Intel Atom N270 und dem GMA 950 bereits ein wenig flotter unterwegs sind. Garanten für eine akzeptable 3D- und Videoleistung sind beide Lösungen aber nicht. Summa summarum eine durchwachsene Performance von denen sich der Intel Atom N570 oder AMDs E-350 Fusion APU, eingesetzt in aktuellen Netbooks, deutlich absetzen.
3DMark 2001SE Standard | 985 Punkte | |
3DMark 03 Standard | 355 Punkte | |
3DMark 05 Standard | 120 Punkte | |
Hilfe |
PCMark 05 Standard | 820 Punkte | |
PCMark Vantage Result | 1061 Punkte | |
PCMark 7 Score | 457 Punkte | |
Hilfe |
Als Speichermedium werkelt eine kleine 1,8-Zoll-Festplatte von Toshiba (Typ: MK1235GSL) vor sich hin. Mit der üblichen SATA II Anbindung und nur 4200 Umdrehungen pro Minute bietet sie nicht die schnellsten Voraussetzungen. Im CrystalDiskMark genügt dies nur für schwache 36 MB/s bei einer Lese- und 34 MB/s bei einer Schreiboperation. Auch die Zugriffszeiten (AS SSD) sind nicht berauschend. Zusammen mit der schwachen Hardware ergeben sich im Vergleich zu aktuellen Netbooks längere Ladezeiten und ein träger Fensteraufbau unter Windows 7.
Geräuschemissionen
Da sich im Gerät kein Lüfter befindet, arbeitet es größtenteils völlig lautlos. Lediglich die 1,8-Zoll-Festplatte sprengt das Konzept und fällt durch ein Klacken auf, das maximal 29,4 dB(A) entstehen lässt. Ohne dieses Klacken erzeugt die HDD durchgehend 29 dB(A). Anhänger von besonders leisen Geräten kommen beim Nokia Booklet durchwegs auf ihre Kosten.
Lautstärkediagramm
Idle |
| 27 / 27 / 27 dB(A) |
HDD |
| 29 dB(A) |
Last |
| 27 / 29.4 dB(A) |
| ||
30 dB leise 40 dB(A) deutlich hörbar 50 dB(A) störend |
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min: , med: , max: Voltcraft SL-320 (aus 15 cm gemessen) |
Temperatur
Ohne einen Lüfter agiert das Gehäuse selbst als Kühleinheit für die Komponenten im Inneren. Im Idle-Betrieb halten sich die Oberflächentemperaturen mit maximal 30,1 Grad Celsius im Rahmen und das subjektive Gefühl ist als lauwarm zu bezeichnen. Unter Last steigt die Temperatur an und erreicht Spitzenwerte von bis zu 38,6 Grad Celsius an der Unterseite. In dieser Ecke ist eine deutliche und bereits unangenehme Erwärmung zu spüren.
(+) Die maximale Temperatur auf der Oberseite ist 38.2 °C. Im Vergleich liegt der Klassendurchschnitt bei 33.1 °C (von 21.6 bis 53.2 °C für die Klasse Netbook).
(+) Auf der Unterseite messen wir eine maximalen Wert von 38.6 °C (im Vergleich zum Durchschnitt von 36.6 °C).
(+) Ohne Last messen wir eine durchschnittliche Temperatur von 27.3 °C auf der Oberseite. Der Klassendurchschnitt erreicht 29.8 °C.
(+) Die Handballen und der Touchpad-Bereich sind mit gemessenen 30.7 °C kühler als die typische Hauttemperatur und fühlen sich dadurch kühl an.
(±) Die durchschnittliche Handballen-Temperatur anderer getesteter Geräte war 29.3 °C (-1.4 °C).
Lautsprecher
Für die Audioausgabe hat Nokia jeweils einen Stereo-Lautsprecher an der rechten und linken Gehäuseseite untergebracht. Das Klangbild ist aufgrund fehlender Tiefen und Bässe nur als durchschnittlich zu bezeichnen. Allerdings ermöglicht das Nokia Booklet auch eine gute externe Lösung, die im Test über die Stereo-Klinke oder den HDMI-Ausgang angesteuert wurde.
Mit einem Stromverbrauch von maximal 10,5 Watt unter Last bewegen sich die Komponenten samt der Intel Atom Z530 auf einem guten Niveau für diese Geräteklasse. Der Unterschied zu neueren Prozessoren fällt trotzdem nur gering aus, da der technische Fortschritt mehr Leistung mit weniger Verbrauch mit sich gebracht hat.
Aus / Standby | 0.1 / 0.4 Watt |
Idle | 5.2 / 7.3 / 7.5 Watt |
Last |
8.8 / 10.5 Watt |
Legende:
min: ,
med: ,
max: Voltcraft VC-940 |
Für gute Akkulaufzeiten legt Nokia einen 6-Zellen-Akku mit 57 Wattstunden bei. Zusammen mit den geringen Verbrauchswerten ergibt sich eine überzeugende Laufzeitenspanne von 329 Minuten (Classic Test) bis hin zu 789 Minuten im Battery Eater Reader’s Test, der das Lesen eines Textdokumentes bei minimaler Bildschirmhelligkeit und deaktiviertem WLAN simuliert.
Selbst im praxisnahen WLAN-Betrieb waren fast 10 Stunden möglich. Ein Wert, der auch im Vergleich mit aktuellen Netbooks überzeugen kann.
Das Nokia Booklet 3G hat den Testparcours hinter sich gebracht und unser Gesamtfazit ist durchwachsen. Das Gehäuse aus Aluminium überzeugt auf den ersten Blick, zeigt dann aber deutliche Schwächen. Auch die fehlende Möglichkeit Hardware zu tauschen bzw. upzugraden, die winzigen Eingabegeräte und der Bildschirm sind wenig überzeugend.
Im Vergleich dazu ist die Liste der positiven Aspekte deutlich kürzer und umfasst das 3G-UMTS-Modul, der etwas erweiterte Lieferumfang, die niedrigen Geräuschemissionen und die Laufzeiten sowie Stromverbrauch.
Inwiefern das ehemalige Premium-Paket im aktuellen Umfeld noch interessant ist, ist insgesamt fraglich, zumal für ein zwei Jahre altes Gerät mit offenbar veralteter Hardware immer noch über 300 Euro verlangt werden (Früher: 699 Euro!). Erst ein weiterer Preisrutsch könnte unserer Meinung nach das Booklet noch mit der notwendigen Attraktivität versehen um auch heute noch im Vergleich bestehen zu können.