Test Garmin Fenix 6X Pro Solar Smartwatch – Sportcomputer und Offline-Navi in einem
Eine Garmin-Uhr ist keine gewöhnliche Smartwatch. Mehr ein Trainingscomputer, der vor allem von Sportlern überaus geschätzt wird.
Die Trainingsaufzeichnung und -analyse ergänzt der in der Schweiz ansässige Spezialist für GPS-Empfänger bei einigen seiner Uhren um Navigationsfunktionen und Offline-Karten.
Das umfangreiche Kartenmaterial auf Basis von OpenStreetmap bleibt bei der Fenix 6 allerdings den Pro-Modellen vorbehalten. Neben zwei Ausstattungsvarianten unterscheidet die Modellfamilie drei Größen, S (42mm), normal (47mm) und X (51mm). Unser Testgerät ist das derzeitige Topmodell, die Fenix 6X Pro Solar. Solar bedeutet, dass die Uhr dank einer transparenten Solarladelinse beim Tragen geladen, und die Laufzeit des Akkus verlängert werden kann.
Gehäuse und Ausstattung – 32 GB Speicher für Musik und Offline-Karten
Das Kunststoffgehäuse wird auf der Rückseite durch eine Metallplatte abgedeckt, das Uhrglas von einer DLC-beschichteten Titan-Lünette (DLC = Diamond-Like Carbon) umrandet. Die Lünette ist unbeweglich und für die Bedienung ohne Funktion. Die Power-Glass-Solar-Ladelinse ist zwischen dem Display und einem DX-behandelten Corning Gorilla Glas verklebt.
Die Fenix 6X Pro Solar besitzt 32 GB für zusätzliche Apps und Widgets aus Garmins connect IQ-Store, Karten und Musik. Für deren Wiedergabe muss ein Bluetooth-Headset oder -Lautsprecher verbunden werden, denn der Systemlautsprecher im Gehäuse gibt nur Signaltöne aus. Wecker und Metronom nutzen ihn beispielsweise, zusätzlich oder anstelle von Vibration. Bei einigen Fenix-Modellen ist der Speicher nur 64 MB groß. Sie können ebenfalls Apps und Karten und auch Golfplätze herunterladen, eines der besonderen Features bei Garmin, aber keine Musik.
Telefonate kann man mit einer Nachricht abweisen oder auch annehmen, muss dann aber zum Smartphone greifen.
Das Herz der Fenix 6X Pro sind ihre Sensoren, darunter auch ein Pulsoximeter für die Bestimmung der Blutsauerstoffsättigung. Darüberhinaus kommuniziert sie mit drei Navigationssatelliten-Systemen: GPS, GLONASS und GALILEO.
Zum Lieferumfang gehört neben der technischen Dokumentation ein 50 cm kurzes Lade- und Datenkabel.
Display und Helligkeit
Die Fenix-Modellreihe hat kein Touch-Display. Zum Einsatz kommt ein transflektives (halbdurchlässiges) MIP-Display (Memory-in-Pixel), dessen Brillanz deutlich geringer ist als bei einer Smartwatch mit OLED. Vorteile sind die sehr geringe Leistungsaufnahme und dass es sowohl in direktem Sonnenlicht lesbar ist als auch bei wenig Licht zusammen mit einer Hintergrundbeleuchtung.
Die Fenix hat keinen Umgebungslichtsensor. Man vermisst ihn aber auch nicht: Während TFT- oder OLED-Screens beim Wechsel zwischen draußen und drinnen mitunter große Umgebungslichtschwankungen ausgleichen müssen, braucht das MIP-Display nur bei wenig Licht überhaupt eine Beleuchtung und kommt in der Regel mit einer festen Helligkeitsstufe aus.
Einrichtung und Bedienung – Ohne Touchscreen mühselig
Nach dem Laden über die Steckverbindung auf der Rückseite kann man die Uhr auch ohne Smartphone in Betrieb nehmen. Hierbei werden nur wenige persönliche Angaben abgefragt, die aber ohnehin nicht übertragen werden können, weil ohne Smartphone oder Computer auch kein WLAN eingerichtet werden kann. Die Kopplung mit dem Smartphone ist außerdem sehr empfehlenswert. In der Garmin Connect-App, die dann allerdings auch ein Benutzerkonto benötigt, können viele Funktionen der Uhr komfortabel konfiguriert werden, und die Auswertungen werden durch die App hervorragend visualisiert.
Die Fenix arbeitet mit Apps, Widgets und einem Steuerungsmenü, das vergleichbar ist mit einem Quick-Panel bei Smartphones. Viele Widgets sind bereits installiert, darunter Gesundheitsstatistiken, Trainingsübersichten und Benachrichtigungen, weitere können aus Garmins connect IQ-Store ergänzt werden.
Bedient wird die Fenix 6 über 5 stabile Tasten. Das hat beim Sport Vorteile: Start, Stop, ein langer Druck auf die Taste für den Musik-Player, ein weiterer, um das aktuelle Lied zu skippen, wenn die Headset-Steuerung unter der Mütze sitzt, – das alles ist ohne Blick auf die Uhr machbar, unter Umständen sogar mit langem Ärmel oder Handschuhen.
Aber nur die wenigsten Funktionen sind mit 2 oder 3 Klicks erreichbar. Um beispielsweise dann doch mal die Helligkeit zu justieren, sind sage und schreibe 31 Klicks nötig, zuzüglich derer für die Anpassung der Helligkeit selbst und des langen Drucks auf die Zurücktaste. Kennt man das Menü gut genug, um hier und da rückwärts zu manövrieren, sind es immer noch mindestens 14, und 3 verschiedene Tasten.
Erleichterung schaffen Hotkeys, die durch anhaltendes Drücken auf eine Taste oder Tastenkombination bis zu 7 Funktionen schneller erschließen. Darunter auch die Beleuchtung, die im Steuerungsmenü übrigens zumindest im Testzeitraum nicht auftauchte. So umfangreich die Möglichkeiten der Fenix 6 sind, so umständlich sind sie in vielen Fällen zu erreichen. Es lohnt sich daher unbedingt, auch die 27 Klicks bis zur Einrichtung der Hotkeys einmalig auf sich zu nehmen.
Software – Erweiterbar dank eigenem App-Store
Die Smartphone-App Garmin Connect passt ihr Funktionsmenü an die erkannte Smartwatch an. Bei der Fenix 6X Pro Solar erscheinen beispielsweise die Menüpunkte Golfspielen, Pulsoximeter und Leistungsbezogene anaerobe Schwelle, die bei vielen anderen Garmin-Wearables nicht vorhanden sind.
Über die optionale App Garmin Connect IQ bekommt man weitere Zifferblätter, Apps und Widgets. Garmin war der erste Hersteller, der neben Deezer und Spotify auch Amazon-Musik anbietet. Alle drei setzen einen entsprechenden Account voraus und sind dann auch offline nutzbar. Der Musik-Download erfolgt übrigens direkt über WLAN.
Eigene Musik kann mit Hilfe der Anwendung Garmin Express vom Windows- oder Apple-PC auf die Fenix 6 Pro übertragen werden.
Training – Garmin auf vielen Gebieten spitze
Fallschirmspringen und Golf sind Sportarten, die gängige Wearables eher selten anbieten, bei Garmin aber auf dem Programm stehen. Das Kartenmaterial zu über 41.000 Golfplätzen rund um den Globus ist auf der Fenix 6 Pro bereits vorinstalliert. Zusätzlich gibt es Karten auf Basis von OpenStreetmap, in denen auch sogenannte POIs (Point of Interest) verzeichnet sind.
Ein starkes Feature ist das Roundtrip-Routing. Nach Vorgabe eines Startpunktes, im einfachsten Fall der aktuelle Standort, einer Richtung und einer Distanz berechnet die Uhr selbständig mögliche Routen und zeigt während der Aktivität Navigationshinweise an. Eine tolle Funktion, die im Test allerdings mindestens 3, eher 7 Minuten und gefühlt ewig gedauert hat. Drückt man versehentlich einmal zu viel die Zurücktaste, bevor die Route gespeichert ist, steht man wieder am Anfang. Alternativ kann man die Strecke auch manuell planen; aber auch das ist mit den Knöpfen alles andere als komfortabel.
Trotzdem sorgte die Funktion im Test für Begeisterung, denn man kann auch mit der App arbeiten. Zwar musste auch hier die Planung gelegentlich verworfen werden, weil etwa die Korrektur eines Wegpunktes nicht funktionierte und das Schneiden eines bereits markierten Wegpunktes die unerwünschte Veränderung der Route zur Folge hatte.
Steht dann aber die Strecke, kann man eine Pace-Strategie entwickeln (PacePro-Strategie), die auch das Höhenprofil berücksichtigt. Nutzt man hierfür ebenfalls die App, können Strecke und PacePro-Strategie auf die Fenix 6 Pro übertragen, und die PacePro-Felder in das hochgradig individualisierbare Trainings-Display eingebaut werden. Sie zeigen dann die aktuelle neben der empfohlenen Abschnitts-Pace an und den Rückstand oder Vorsprung für die Gesamtstrecke.
Die Autorin, die sich im besten Fall als Hobbyläuferin bezeichnen kann, war mit den auf Basis der Höhenunterschiede ermittelten Splits nicht zufrieden, konnte sich aber für das Planungsinstrument an sich und die einfache Übertragung und Anwendung auf der Smartwatch begeistern. Außerdem gibt es Anpassungsmöglichkeiten für die Berechnung, die nicht genutzt wurden.
Die Trainingsstatistiken werden auch auf der Uhr gespeichert. Sie sind bei Garmin-Smartwatches generell umfangreich:
In der App wird die Analyse anschaulich visualisiert. Auch hierzu auszugsweise ein paar Screens:
Sobald genügend Daten vorliegen werden weitere Statistiken bereitgestellt, unter anderem zum Trainingseffekt und zur kardiovaskulären Fitness (VO2max). Die Werte fließen in Trainingspläne für langfristig gesteckte Ziele mit ein. Nach der Übertragung auf die Garmin Fenix 6 Pro rücken sie an den betreffenden Tagen automatisch in den Vordergrund.
Akku und Laufzeit – Bis 3 Wochen im Smartwatch-Modus
Garmin macht keine Angaben zum Akku, nennt aber Laufzeiten für verschiedene Szenarien, darunter die drei folgenden:
- bis 21 Tage im Smartwatch-Modus mit aktiviertem Fitness-Tracker und Herzfrequenzmessung
- bis 60 Stunden wenn GPS aktiv ist
- bis 15 Stunden wenn GPS und Musik-Streaming aktiv sind
Die Auswahl verdeutlicht den starken Einfluss von GPS und Musik-Streaming auf die Laufzeit, wodurch eine allgemeingültige Angabe für eine gemischte Nutzung kaum möglich ist. Uns interessierte in den Tests der Samsung Galaxy Watch Active2 und der Apple Watch Series 5 die Akkubelastung durch ein einstündiges Outdoor-Training mit Musik. Das war mit der Fenix 6 Pro auch beim Stand von 16 % noch problemlos möglich: Danach stand der Akku immer noch bei 10 %.
Unter der Voraussetzung, dass die Uhr am Tag mindestens 3 Stunden einer Lichtintensität von etwa 50.000 Lux ausgesetzt ist (zum Vergleich: Ein wolkenfreier Sommertag kann bis zu 100.000 Lux erreichen), kann die Solarlinse der Fenix 6 Pro Solar im Smartwatch-Modus pro Woche 24 zusätzliche Stunden bringen. Im GPS-Modus weitere 6 und bei GPS und Musik noch 1 zusätzliche Stunde. Ein Widget informiert über die Solarintensität der vergangenen Tage, sie wird auch in einem der Zifferblätter grafisch dargestellt. Für den beabsichtigten Praxistest in den Bergen kam das Testgerät leider zu spät, obendrein fiel der Test dann in den sonnenarmen Herbst.
Pro
Contra
Fazit
Als Sportuhr ist die Fenix 6X Pro derzeit kaum zu schlagen. Ihre Überlegenheit ergibt sich aus der Kombination von Technologie und Software. Dass die weitreichenden Funktionen allesamt direkt am Handgelenk zur Verfügung stehen, ist faszinierend; komfortabler handhabbar sind sie aber über die App.
Das Spektrum der Fenix 6X Pro ist enorm. Schade nur, dass die Erschließung der Funktionen auf der Uhr so mühsam ist.
Im Alltag überzeugt die Fenix 6 weniger als beim Sport. Der Funktionsumfang erschwert bei der täglichen Nutzung auch das Auffinden einfacher Funktionen. Auch ohne Touchscreen würde beispielsweise eine funktionale drehbare Lünette die Bedienung erleichtern, wie es Samsung bei der Galaxy Watch vorgemacht hat. Die Darstellung und Handhabung gängiger Smartwatch-Elemente wie die Anzeige und Beantwortung von Nachrichten gefallen auf der Fenix 6 einfach weniger als bei anderen Wearables. Auch wenn bei Garmin die sportliche Leistung im Vordergrund steht: Wer für die Fenix 6X Pro um 750 Euro bezahlt oder 950 für Fenix 6X Pro Solar, sollte auch bei den alltäglichen Funktionen gut unterstützt werden und kann in dieser Preisregion auch einen Lautsprecher für die Abwicklung von Telefongesprächen erwarten.
Preisvergleich
Übrige Bilder im Test: Inge Schwabe