Snapdragon X Elite und Plus: Was Qualcomm zur Apple M3 Alternative verschweigt und Benchmark-Betrugsvorwürfe
Im Sommer soll sie beginnen, die schöne neue Windows-on-ARM-Welt. Dank der 2021 von Nuvia übernommenen und in den letzten Jahren in Snapdragon X Elite und Snapdragon X Plus erstmals integrierten Oryon-Cores soll Windows-Laptop-Usern bald ein vergleichbares Performance-Effizienz-Verhältnis wie aktuellen Apple M3 MacBook-Fans offen stehen, starke Konkurrenz also für die klassische x86-Fraktion Intel und AMD, die mit ihren aktuellen Meteor Lake und Zen 4 Architekturen drohen, ins Abseits gestellt zu werden - falls die Nachfolger Lunar Lake und Strix Point aka Zen 5 nicht bald aufholen - insbesondere auch beim Thema AI-Performance.
Dieses Bild zeichnet zumindest Qualcomm selbst - was die ersten Laptops mit Snapdragon X Elite und Snapdragon X Plus tatsächlich zu leisten imstande sind, wenn sie in den nächsten Monaten von Asus, Microsoft, Lenovo und Co. auf den Markt kommen, bleibt abzuwarten, zumal die meisten Daten, die Qualcomm bisher mit uns geteilt hat aus den eigenen Testgeräten stammen und potentiell nicht alle Szenarien umfassen. Ein paar Details blieb uns Qualcomm zudem schuldig, etwa zum Stromverbrauch der insgesamt vier offiziell angekündigten Snapdragon X SKUs.
Weitere Snapdragon X Elite und Snapdragon X Plus Details geleakt
Alle Antworten haben auch wir noch nicht für euch, zumal hierfür eigene Tests mit finalen Laptops von den OEM-Herstellern nötig sein werden, doch dank der im Android-Bereich sehr geschätzten Entwicklerin und Leakerin Kamila Wojciechowska (via Android Authority) sind zumindest weitere neue Details zu Qualcomms kommenden Superchips bekannt geworden, für die wir allerdings naturgemäß keine Garantie übernehmen können. Eine Quelle, die laut Kamila mit der Sache vertraut ist, hat so etwa verraten, dass alle bisher offiziell angekündigten Snapdragon X Elite und Plus SKUs Varianten ein und desselben Chip sind, dass allerdings noch eine bisher nicht offiziell vorgestellte zweite Snapdragon X Plus Version existiert, dessen Hardware sich substantiell in der Architektur von den bisherigen unterscheidet, wie die erweiterte Tabelle unten zeigen soll.
Bezeichnung | Modell | Performance Cores | Effizienz-Cores | Dual Core Boost | Adreno GPU | GPU-Frequenz | Video-Hardware | PCIe Lanes |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Snapdragon X Elite | X1E-84-100 | 8x Oryon 3,8 Ghz | 4x Oryon 3,8 Ghz | 4,2 Ghz | 4,6 TFLOPs | 1,5 Ghz | 4K60 Encode, 4K120 Decode | 8+4 PCIe 4.0 Lanes, 2+2 PCIe 3.0 Lanes |
Snapdragon X Elite | X1E-80-100 | 8x Oryon 3,4 Ghz | 4x Oryon 3,4 Ghz | 4,0 Ghz | 3,8 TFLOPs | 1,25 Ghz | ||
Snapdragon X Elite | X1E-78-100 | 8x Oryon 3,4 Ghz | 4x Oryon 3,4 Ghz | - | 3,8 TFLOPs | 1,25 Ghz | ||
Snapdragon X Plus | X1P-64-100 | 6x Oryon 3,4 Ghz | 4x Oryon 3,4 Ghz | - | 3,8 TFLOPs | 1,25 Ghz | ||
Snapdragon X Plus Inoffiziell | X1P-42-100 | 8x Oryon ? | - | - | ? | ? | 4K30 Encode, 4K60 Decode | 4+4 PCIe 4.0 Lanes, 2+2 PCIe 3.0 Lanes |
Serverchip und geleakte Angaben zum Stromverbrauch
Demnach gibt es bei Qualcomm noch ein Snapdragon X Plus X1P-42-100 Die mit potentiell 8 Oryon-Cores und beschränkter Video-Hardware und PCIe-Anbindung. In jedem Fall sind wir weit von der "Einer für alle" Vision entfernt, die Qualcomm noch im Rahmen des MWC im Februar für uns skizziert hatte. Auch ein Server-Chip mit Oryon-Cores soll demnach in Entwicklung sein. Der aktuell "SD1" benannte und bei TSMC im N5P Prozess geplante Chip soll 80 Oryon-Kerne mit bis zu 3,8 Ghz mit 16 DDR5 Kanälen bis zu 5.600 Mhz und 70 PCIe 5.0 Lanes auf einem 9470-pin LGA-Sockel kombinieren, auch Dual-Socket-Konfgurationen sind möglich.
Für Laptops relevanter ist natürlich der Stromverbrauch und hier sind uns Qualcomm beziehungsweise letztlich die OEM-Partner noch viele Detailinformationen schuldig. Ursprünglich haben die US-Amerikaner TDP-Werte von etwa 20 bis 80 Watt angegeben, welcher SKU nun welches Powerlimit zur Verfügung steht, ist nach wie vor unbekannt. Laut Kamila und der von ihr veröffentlichten Tabelle unten wird es da wohl tatsächlich große Unterschiede zwischen den einzelnen Snapdragon X SKUs geben.
Snapdragon X Elite X1E84100 | Snapdragon X Elite X1E80100 | Snapdragon X Plus X1P64100 | |
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Total Package Power (95% aller Chips) | 98,50 Watt | 52,92 Watt | 42,52 Watt |
Total Package Power (50% aller Chips) | 82,33 Watt | 43,40 Watt | 35,01 Watt |
Top-Modell des Snapdragon X Elite bereits "übertaktet"?
Wie effizient ein Snapdragon X Elite Laptop nun tatsächlich sein wird, kann man aus diesen Angaben, die explizit bei reiner CPU-Belastung für eine bestimmte Menge an Chips eines Typs gelten sollen, nur bedingt ablesen. Wenn man davon ausgeht, dass die qualitativ besseren Teile als höherwertige SKUs auf den Markt kommen werden, wirkt das Topmodell X1E-84-100 mit seinem um 400 Mhz höheren CPU-Takt als der X1E-80-100 bereits als deutlich übertaktet, es verbraucht um etwa 85 Prozent mehr Strom als die mittlere Snapdragon X Elite SKU, wobei der Snapdragon X Plus X1P-64-100 im Vergleich mit dem X1E-80-100 nur um 23 Prozent sparsamer mit Strom umgeht.
Zum Vergleich liefert Kamila auch pauschal Werte der Konkurrenz. So verbraucht der in einem vergleichbaren 4nm-Prozess bei TSMC hergestellte Apple M2 Pro bei reiner CPU-Last etwa 55 Watt, der modernere 3nm-Chip Apple M3 Pro etwa 42 Watt. Intels Core Ultra 7 155H liegt dagegen bei etwa 80 Watt. Aus diesen pauschalen Angaben kann man also schon mal ablesen, dass es für Anwender, die einen möglichst effizienten Laptop suchen, wohl nicht erstrebenswert sein wird, einen mit mit dem Snapdragon X Elite X1E-84-100 zu nehmen, der zudem wohl besonders teuer sein wird. Letztlich müssen wir natürlich warten, was die Notebook-Hersteller aus Qualcomms ARM-Angebot machen werden.
Benchmark-Betrugsvorwürfe und Qualcomms Statement hierzu
Ein unschönes Thema wollen wir abschließend ebenfalls noch aufgreifen. Die für ihre provokanten Berichte bekannte Webseite SemiAccurate hat vergangene Woche schwere Betrugsvorwürfe gegen Qualcomm erhoben. Konkret soll der Chip-Hersteller auf Basis von Angaben zweier nicht namentlich genannter OEMs und einer Quelle bei Qualcomm selbst falsche Angaben bei den im Rahmen des Snapdragon Summit 2023 veröffentlichten Benchmarks gemacht haben, die nicht reproduzierbar gewesen seien. Die zitierten OEMs sollen mit den ersten Chips von Qualcomm stattdessen deutlich schlechtere Ergebnisse erzielt haben, die das Benchmarkziel teils nicht mal zur Hälfte erreicht hätten, selbst Wochen später und mit besserer Kühlung.
Ein weiterer Kritikpunkt von SemiAccurate sind die seitens Qualcomm damals bis zum finalen Launch versprochenen tiefen Einblicke in die technischen Details der neuen Chip-Architektur sowie die unabhängigen Benchmarks von Testsystemen, die bis dato nur begrenzt möglich waren. Auch wir konnten im Rahmen der bisherigen Hands-On-Tests zwar eigene Benchmarks durchführen, allerdings nur auf bereits fix und fertig vorinstallierten und konfigurierten Qualcomm-Laptops. Gegenüber Tom's Hardware hat sich Qualcomm zumindest in Bezug auf die Benchmark-Betrugsvorwürfen geäußert. In dem Statement heißt es kurz und knapp, Qualcomm stehe hinter den gemachten Performance-Angaben:
We stand behind our performance claims and are excited for consumers to get their hands on Snapdragon X Elite and X Plus devices soon.
Bis wir selbst Zugriff auf Snapdragon X Elite und Snapdragon X Plus Laptops in unserem Testlabor haben, wollen wir uns zu diesen Vorwürfen nicht äußern. Tatsächlich fehlen uns seitens Qualcomm insbesondere konkrete Angaben zum Performance/Effizienz-Verhältnis der einzelnen Snapdragon X SKUs, vermutlich kommt es hier aber auch stark auf die jeweiligen Bedingungen an, die OEM-Hersteller mit ihren Kühlsystemen schaffen. Wie der aktuelle Leak vermuten lässt, wird es wohl auch beim Snapdragon X Elite starke Unterschiede in der Effizienz der neuen ARM-Notebooks geben, unter welchen Bedingungen die teils hohen Benchmark-Ergebnisse also konkret erreichbar sind, bleibt weiterhin spannend. Ein weiteres Puzzleteil ist übrigens auch die im Rahmen der Build 2024 von Microsoft erwarteten Angaben zum verbesserten ARM-Emulator in der nächsten Windows 11 Version.
Quelle(n)
Android Authority, Semiaccurate, Tom's Hardware
Bilder: Alex Wätzel, Notebookcheck