Praxiserfahrungen mit dem Lenovo Yoga Book 9i: Software-Probleme vermiesen den Alltag mit dem Dual-Display-Laptop
Wer daheim ein Multi-Monitor-Setup schätzen gelernt hat, wird verstehen, warum ich so gespannt auf das Yoga Book 9i war, das Lenovo bereits im Zuge der CES im Januar 2023 angekündigt hatte. Zwei Monitore nebeneinander sind unterwegs auf Reisen bereits ein Luxus aber übereinander gestapelt ermöglicht das Yoga Book 9i zusätzlich ein deutlich ergonomischeres Multitasking ohne Nackenprobleme nach längeren Arbeitsstunden im Hotelzimmer. Dazu kommt der im Gegensatz zu größeren 16 oder 17 Zoll Laptops flexiblere Einsatz als kompaktes 13 Zoll Notebook im Flugzeug, notfalls auch nur mit virtueller Tastatur. Persönlich am Wenigsten reizen mich Tent-Mode und der Einsatz als Tablet oder Book aber auch das ist mit dem Yoga Book 9i natürlich kein Problem.
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Details
Tolle aber sehr schwere Hardware
Dies ist kein vollständiger Testbericht des Yoga Book 9i, mein Kollege Allen hat ihn bereits vor einigen Wochen mit einem US-Modell (in leicht veränderter Konfiguration) absolviert. Er ist hier in Deutsch oder Englisch nachzulesen, visuelle Naturen gönnen sich auch das flotte Youtube-Video vom dritten Alex bei Notebookcheck. Im Folgenden will ich eher aus dem Nähkästchen plaudern und ein paar Details zum Yoga Book im Alltag ergänzen, insbesondere in punkto Software. Beginnen wir aber mal mit einer Klarstellung zur Gewichtsklasse: Lenovo vermarktet das Yoga Book 9i als 1,3 Kilogramm Laptop, doch das ist nur die halbe Miete.
Wer das Yoga Book 9i um immerhin aktuell 2.500 Euro kauft, wird nicht nur den Tablet- oder Bookmodus nutzen wollen, sondern wohl vor allem auch den Dual-Display-Modus mit Bluetooth-Tastatur und schickem Origami-Ständer. Zu den knapp 242 Gramm, die das Keyboard wiegt gesellen sich also auch noch die 198 Gramm für das Keyboard-Cover, das sich ja genialerweise zu einem magnetischen Standbein falten lässt. Diese drei Teile des Pakets gehören also streng genommen zusammen und bringen insgesamt 1.787 Gramm auf die Waage. Will man auch den Stift nutzen, überschreitet man die 1,8 Kilogramm, womit das Yoga Book 9i sehr weit von den 1,3 kg entfernt ist, die gemeinhin so publiziert werden.
Bluetooth-Tastatur mit Smartphone koppeln
Ein kurzes Update auch noch zu unserem Testbericht, in dem der Autor schreibt, dass sich die Tastatur nicht mit Smartphones koppeln lässt. Mit einem Samsung Galaxy S23 Ultra gelang mir das durchaus, wenn man den Schiebeschalter an der rechten Seite der Tastatur ganz nach rechts schiebt, was den Koppelungsmodus aktiviert. Allerdings bietet die Lenovo-Tastatur keinen zweiten Speicherplatz an, um bequem zwischen mehreren Bluetooth-Partnern zu wechseln, man muss das Keyboard anschließend also wieder manuell mit dem Yoga Book 9i koppeln und verliert dadurch die Bindung mit dem Smartphone, im Alltag also keine sehr praktikable Angelegenheit.
Software: Die Achillesferse des Yoga Book 9i
Kommen wir nun aber zum eigentlichen Grund für meine Kritik: Der Lenovo-Software. Im Gegensatz zu einem regulären Clamshell-Notebook ist diese von elementarer Bedeutung, da Lenovo hier viel von dem nachliefern muss, was Windows 11 von sich aus nicht kann. So bietet Windows 11 etwa nur sehr rudimentäre Möglichkeiten an, Fenster von einem Display auf das andere zu verschieben, eine sehr praktische etwa ist die Tastenkombination Shift-Windows-Taste in Kombination mit den Rechts-Links-Cursor-Tasten, die das aktivierte Fenster auf das jeweils nächste/vorige Display verschieben.
Fenster-Management im Lenovo User Center
Lenovo bietet mit dem beim Yoga Book exklusiven User Center deutlich mehr als das. So kann man Fenster etwa durch Drag and Drop oder erweiterte Snap-Layouts schnell und bequem auf dem jeweils anderen Display anordnen. Die Screenshots unten zeigen alle zusätzlichen Möglichkeiten an, die Lenovo zur Fenstersteuerung bietet, zusätzlich gibt es auch die Cross-Screen-Browsing-Geste, um beide Displays schnell in ein durchgängiges zu verwandeln.
Viele essentielle Dual-Screen-Einstellungen
Zusätzlich zum Window-Management bietet das User Center auch viele Einstellungen an, die auf einem Dual-Display-Setup essentiell sind, allen voran, die Einstellung der Displayhelligkeit auf beiden Displays individuell oder gemeinsam, die Konfiguration des virtuellen Touchpads und der virtuellen Tastatur sowie - weniger wichtig - der Widget-Leiste, die erscheint, wenn die physische Tastatur an der Unterseite des unteren Displays magnetisch angedockt wird.
Keine Flexibilität bei Skalierung oder zusätzlichen Monitoren
All diese Lenovo-Add-ons sind am Yoga Book 9i also wichtig, wenn man den Laptop im Alltag zur Steigerung der Produktivität nutzen will - ansonsten kann man ja auch gleich zu einem regulären Laptop für deutlich weniger Geld greifen. Leider ist diese Software derzeit allerdings an sehr enge Regeln gebunden, die Lenovo auch mit aller Härte durchsetzt. Wer etwa in den Windows Displayeinstellungen etwas ändert - etwa die Skalierung, wird die Warnmeldung unten sehen, die sich nicht dauerhaft deaktivieren lässt sondern maximal bis zum nächsten Neustart unterdrückt wird.
Skalierung wird auf 200 Prozent zurückgesetzt
In der Lenovo-Community sorgt vor allem das permanente Zurücksetzen der Skalierung auf den Default-Wert von 200 Prozent für starke Kritik unter den frühen Käufern des Yoga Book 9i. Wer etwa 175 oder 150 Prozent einstellt, um mehr Pixelfläche zu nutzen, wird nicht nur durch die Warnmeldung genervt, unabhängig davon wird sie spätestens nach dem Reboot unbarmherzig wieder auf 200 Prozent gesetzt. 200 Prozent sind zwar mit Sicherheit ein guter Default-Wert mit vergleichsweise großen Schriftgrößen, führt allerdings dazu, dass pro Display nur noch 1440 x 900 Pixel nutzbar sind - wer 2.500 Euro für ein Dual-Display-Setup ausgibt, will vielleicht mehr davon haben, was Lenovo derzeit aber strikt unterbindet - obwohl die Lenovo-Software meiner Erfahrung nach sehr gut auch mit 175 Prozent Skalierung funktioniert. Zumindest sind mir damit keine groben Probleme aufgefallen.
Reset auch bei angeschlossenen Monitoren
Der Autor dieser Zeilen ist in dem Zusammenhang auch noch auf ein weiteres Problem des Yoga Book 9i mit einem externen Monitor gestoßen, pikanterweise ein ThinkVision P32U 4K-Monitor von Lenovo mit Thunderbolt-Anschluss. Den wollte ich natürlich mit einbinden, was mir mit oder ohne Thunderbolt 3 Dock via Thunderbolt-Kabel auch gut gelang. Aber auch bei dieser Veränderung des Default-Zustands währte das Glück nur bis zum Neustart, anschließend musste ich die Display-Konfiguration komplett neu anordnen (siehe Bilder unten), da sie völlig durcheinander kam. Der hier zu sehende vierte Monitor stammt übrigens von einem deaktivierten Projektor, das Problem tritt aber auch nur mit drittem Monitor auf und ist bei jedem Neustart reproduzierbar.
Der Schuldige identifiziert: Ein Lenovo-Service
Im Lenovo-Forum wurde bereits vor knapp einem Monat - solange gibt es das Yoga Book 9i schon in einigen Ländern - ein Quick-Fix für diese Reset-Probleme gefunden. Der Schuldige nennt sich YB9 und ist ein Lenovo Windows-Service, das sich stoppen und auf manuellen Start setzen lässt. Damit verschwinden beide genannten Reset-Probleme, was eigentlich Beweis genug sein müsste, dass die Software vom Hersteller dringend ein Update braucht.
Das Stoppen dieses Services ist leider keine Lösung, denn ohne funktionieren nicht nur alle oben erwähnten Gesten und Steuerungsmöglichkeiten nicht mehr, auch das virtuelle Keyboard oder das virtuelle Touchpad sind weg. Nicht mal die Helligkeit des zweiten Displays lässt sich ohne diese Software steuern, man muss aktuell also abwägen, ob man diese Funktionen benötigt oder doch lieber eine andere Skalierung oder einen dritten Monitor. In dem Zusammenhang möchte ich auch noch ein weiteres Problem ansprechen, das im Bild unten verdeutlicht wird.
Virtuelle Tastatur nur mit US-QWERTY-Tastaturlayout
Auch dieses Problem ist im Lenovo-Forum omnipräsent. Derzeit unterstützt das virtuelle Keyboard nur die Anzeige eines QWERTY-Tastaturlayouts, auch wenn die physische Tastatur im Paket des 2.500 Euro Notebooks den Landessprachen entsprechend angepasst ausgeliefert wird. Ist in Windows QWERTZ eingestellt, gibt Lenovo natürlich auch die Umlaute aus, wenn man auf die entsprechenden, virtuellen Tasten drückt, es ist aber zumindest ein unschöner optischer Fehler, der trotz vermeintlichem Fix mit dem jüngsten Firmware-Update nicht bei allen Nutzern behoben wurde.
Update 17.07.2023 15:15 Dieser Tipp hilft
Um das virtuelle Keyboard mit QWERTZ-Layout zu sehen, muss man zwingend sowohl die Systemsprache auf Deutsch stellen als auch die Region auf Deutschland. Österreich als Region funktioniert aktuell nicht, was erklärt, warum diesen Bug nicht alle User aus Deutschland haben. Setzt man die Systemsprache allerdings auf Englisch (wie ich das gerne habe) oder die Region auf Österreich oder beides, kann man am virtuellen Keyboard aktuell kein QWERTZ-Layout darstellen.
Lenovo-Support ohne Lösung für die Probleme
Meine Erfahrung mit dem Lenovo-Support - sowohl im Community-Forum als auch beim deutschen Premium-Support (der übrigens beim Kauf dieses Notebooks dabei ist) - waren in Sachen Yoga Book 9i eher durchwachsen. Man bekommt zwar recht schnell eine Reaktion, doch die liefert nicht immer konkrete Hilfe. Im Community-Forum wird man eher vertröstet beziehungsweise im Fall meines Multi-Monitor-Problems mit Kompatibilitätslisten verärgert (denen zufolge das Yoga Book 9i aktuell mit keinem Thunderbolt Dock erfolgreich getestet wurde).
Der erwähnte deutsche Support konnte mir nicht mal bestätigen, dass an Lösungen für die genannten Probleme gearbeitet wird, was natürlich auch bedeutet, dass dieser vergleichsweise teure Laptop derzeit kaum empfehlenswert ist, wenn man mit den Default-Einstellungen und Setups nicht auskommt. Dass Lenovo sein mittlerweile vor mehr als einem halben Jahr angekündigtes Produkt mit einer derart unflexiblen - und darf ich sagen, unfertigen - Software ausliefert, ohne sich zumindest zur raschen Lösung derartiger User-Probleme zu bekennen, ist aus meiner Sicht kein gutes Omen für dieses First-Generation-Produkt.
Wer derzeit dennoch Interesse am Yoga Book 9i hat, empfehle ich ein Studieren der in der Lenovo-Community beschriebenen Probleme. Davon gibt noch einige weitere, etwa auch die Tatsache, dass manche Windows-Anwendungen unterhalb der virtuellen oder physischen Tastatur starten, wenn sie zuletzt am zweiten Display genutzt wurden. Ein hartnäckiger Fall ist etwa der Passwortmanager Keypass. Wie immer gilt: Ein Produkt sollte man nur dann kaufen oder behalten, wenn es in der aktuellen Konfiguration das bietet, was man braucht. Ein blindes Vertrauen auf Abhilfe durch künftige Software-Updates ist gemeinhin keine gute Strategie.
Update 2 vom 21.07.2023 13:00 Fix erst für Dezember in Aussicht
In der Lenovo Community hat sich der Hersteller jetzt doch zu einer Fehlerbehebung für zwei der akuten Software-Probleme geäußert, hier in Bezug auf das Multi-Monitor-Problem und hier die Skalierung betreffend. Möglicherweise werden auch andere aktuelle Probleme mit diesem Bug-Fix behoben. So positiv eine offizielle Bestätigung der Probleme und das Bekenntnis zur Fehlerbehebung auch ist, der sehr späte Release-Termin Anfang Dezember 2023 sorgt in der Community verständlicherweise für weiteren Unmut.
From follow-up we had from the Dev team, they were able to investigate on the report and is polishing up the fix for those reported issues. They are working towards the solution which may be expected start of December.
Weiteres Problem auch im Book-Modus entdeckt
Unterdes scheint auch der Book-Modus, bei dem der Dual-Display-Laptop hochkant genutzt wird, nicht problemlos zu funktionieren. Wie hier ausführlich dargelegt wird, funktioniert der nur, wenn das Yoga Book 9i hochkant am Tisch aufgestellt wird, manchmal auch flach am Tisch liegend aber nicht wenn der Laptop beim Lesen im Schoß liegt (siehe auch Bilder von Darkriderdesign unten). Problematisch an der Situation ist vor allem auch, dass die Installation der Lenovo-Software die manuelle Rotationssperre in Windows außer Kraft setzt, auch eine manuelle Einstellung der Displayausrichtung wird damit unmöglich gemacht. Ob auch hierfür ein Fix im Dezember kommt, ist noch nicht bestätigt.
Quelle(n)
Eigene