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Hintergrund | Ausweispflicht: Prepaid-SIMs, "massenhafter Missbrauch" und die eSIM nach sieben Jahren

Das eSIM-Logo.  (Bildquelle: GSMA)
Das eSIM-Logo. (Bildquelle: GSMA)
Vor gut sieben Jahren wurde in Deutschland die Ausweispflicht für Prepaid-SIM-Karten eingeführt. Damit sollte der "massenhafte Missbrauch" durch Straftäter verhindert werden. Doch seither hat sich die Technik weiterentwickelt. Gibt es dank der eSIM wieder mehr Missbrauch? Das deutsche Bundesinnenministerium kann keine genaue Antwort liefern.

Die eSIM hat vieles vereinfacht. Mit ein paar Klicks lässt sich aus dem Internet eine virtuelle SIM-Karte als eSIM-Profil herunterladen und in zahlreichen modernen Smartphones installieren. eSIM-Profile sind so eine komfortable Alternative zu Prepaid-SIM-Karten geworden. Insbesondere da sie aus Sicherheitsgründen in Deutschland nur nach einer Ausweisung ausgehändigt werden dürfen. Egal ob für Kinder, Touristen oder Oma und Opa, eine physische SIM-Karte ist mit Aufwand verbunden. Die Regelung sollte den Missbrauch von Prepaid-Karten unterbinden.

Hintergrund war in Deutschland ein Antiterror-Paket. Die Bundesregierung war sich sicher, dass mit der Registrierungspflicht für SIM-Karten als Teil eines Anti-Terror-Pakets, erfolgreich Straftaten verhindert werden sollten. Wirksam wurde die Regelung im Juli 2017.  Die Bundesregierung versprach seinerzeit: Alle Personen kommen so ohne Probleme an eine SIM-Karte (Informationen zur Prepaid-Regelung, PDF).

Wer allerdings etwa im Rahmen einer Katastrophe seine Papiere verloren hat oder einen abgelaufenen Ausweis hat, der sich in Deutschland mangels Terminknappheit nicht immer schnell ersetzen lässt, der hatte Pech gehabt. Dann ist die Bevölkerung darauf angewiesen entweder auf einen spontanen Termin beim Bürgeramt zu hoffen oder das etwa im Rahmen der Katastrophenhilfe Prepaid-Karten ausgegeben werden, wie dies 2021 nach der Hochwasserkatastrophe gehandhabt wurde.

Terroristen, Ziel der Gesetzgebung, passten sich hingegen noch vor dem Inkrafttreten an. Stolze 200.000 Prepaid-SIM-Karten der Terrororganisation IS wurden laut einem Wirtschaftswoche-Bericht vom Januar 2017 in Ungarn entdeckt. Diese wurden dem Bericht nach legal auf einen zwischenzeitlich verstorbenen Obdachlosen registriert.

Noch heute, im Jahr 2024, spricht das Bundesministerium des Innern und für Heimat in einer FAQ zur Registrierungspflicht (PDF) von "massenhaftem Missbrauch" der zuvor stattfand und verteidigt den Aufwand: "Die Belastung für Unternehmen und Kunden hält sich vor dem Hintergrund des bisherigen massenhaften Missbrauchs und in Anbetracht daraus resultierender Gefährdungen in Grenzen". 

Das ist Teil einer Antwort auf die Frage: "Es handelt es sich um eine nationale Insellösung; Straftäter könnten doch auch ausländische SIM-Karten nutzen?" Diese Frage wird insbesondere im Bezug auf die Beschaffung von SIM-Karten im Ausland nicht so recht beantwortet. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass andere Länder entsprechende Regelungen vorbereiten.

Seither hat sich im Mobilfunk jedoch viel geändert. Die ersten eSIM-tauglichen Geräte kamen bei Apple etwa mit dem iPhone Xr und Xs auf den Markt – Anno 2018. Kenner der Branche wussten von der eSIM-Technik auch bekannt als eUICC, schon sehr viel länger.

Seither hat sich das Angebot so weit vergrößert, dass schon günstige Smartphones eSIM-fähig sind. In der Android-Welt gibt es eSIM-fähige Smartphones schon für teils deutlich unter 200 Euro. Die eSIM-Technik ist also im Massenmarkt angekommen. Selbiges gilt für die Beschaffung der eSIM-Profile, die mittlerweile auch technisch nicht versierten oft gelingt.

Wir kaufen ein eSIM-Profil ohne Ausweis

eSIM-Profile sind damit eine einfach nutzbare Konkurrenz zur Prepaid-Karte geworden. Internationale Anbieter kämpfen auch um den Markt in Deutschland oder Österreich, um ihre Tarife anzubieten. Von Datenpaketen, über Flatrates bis hin zu Telefonie-Lösungen gibt es eine große Auswahl, um die klassische SIM-Karte lokaler und regionale Anbieter zu vermeiden.

Doch kommt man ohne Ausweis auf einem neuen Gerät einfach an ein eSIM-Profil? Die Antwort lautet Ja. Es reicht eine Kreditkarte und eine E-Mail-Adresse. Zwar ist unsere Kreditkarte nicht anonym, bei einem kleinen Betrag gibt es aber nicht einmal eine Verifizierung seitens der Bank.

Wir haben daher beim eSIM-Profil-Anbieter eSIM Go über die Schweizer Fluggesellschaft Swiss für rund 4 Euro die Berechtigung erhalten im deutschen Netz der Telefónica und der Vodafone für eine Woche zu surfen – allerdings ohne Telefoniefunktion. Das Angebot richtet sich eigentlich an Fluggäste der Swiss, ist aber regulär über das Internet erreichbar – obwohl auch für die Eidgenossen eine Ausweispflicht für SIM-Karten besteht. Etwas umständlich: Wir mussten den APN manuell setzen, da dieser falsch übernommen wurde. Abseits dessen funktionierte das eSIM-Profil aber anstandslos. Für Straftäter dürfte das kaum eine Hürde sein.

Kaum Antworten des BMI

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob mit dem Aufkommen der eSIM im Massenmarkt auch der "massenhafte Missbrauch" zurückgekehrt ist und das Bundesinnenministerium (BMI) hier Zahlen nennen kann sowie mögliche Handlungen. Notebookcheck.com hat beim Bundesinnenministerium unter anderem nach einer Ausweispflicht für eSIM-Profile gefragt und ob Konsequenzen für die Beschaffung von eSIM-Profilen im Ausland zu befürchten sind.

Desweiteren interessierten uns Statistiken, insbesondere zu dem Rückgang der Missbräuche oder einem eventuellen Anstieg durch die besonders einfache Beschaffung von eSIM-Profilen. Doch solche Zahlen gibt es offenbar nicht. 

Die Antwort auf unsere Fragen fiel daher sehr knapp aus: "Grundsätzlich sind für die Verfolgung von Straftaten, die unter Verwendung mobiler Endgeräte begangen werden, aussagekräftige Daten zur Identifizierung der Täter erforderlich. Die Beschaffung von eSIM-Profilen im Ausland stellt gegenüber herkömmlichen SIM-Karten lediglich einen technischen Unterschied dar.", so die Pressestelle des BMI. 

Für das BMI gibt es also offenbar keinen großen Unterschied. Dieser ist nur technischer Natur. 

Wir haben ferner gefragt, ob es Möglichkeiten gibt ausländische eSIM-Profile zu blockieren. Dazu hieß es: "Technische Möglichkeiten, um Roaming in deutschen Netzen zu verhindern, liegen im Bundeskriminalamt nicht vor.". Selbst wenn Deutschland die Nutzung von eSIM-Profilen unterbinden wollen würde, würde das nicht gelingen.

Eine Antwort auf Statistiken zum Missbrauch gab es nicht. Es ist also unklar, ob der "massenhafte" nicht näher bezifferte Missbrauch zurückgegangen ist. Zudem ist der Begriff "massenhaft" auch sehr dehnbar.

Auch in Österreich besteht Ausweispflicht

Seit dem 1. Jänner 2019 hat übrigens auch Österreich nachgezogen. In der Alpenrepublik gilt ebenfalls die Ausweispflicht für SIM-Karten. Vorname, Nachname, akademischer Grad und Geburtsdatum müssen dafür erfasst werden, sonst gibt es keine SIM-Karte.

Aber auch in Österreich lassen sich eSIM-Profile nutzen, ohne dass diese Hürde genommen werden muss. Damit ist die Regelung vor allem für Menschen problematisch, die sich mit Technik nicht sonderlich gut auskennen. Ob in dieser Zielgruppe sich besonders viele Straftäter befinden, sei dahingestellt.

Natürlich gab es an der Regelung  in Österreich massive Kritik. Epicenter.works schrieb 2018 etwa: "Damit werden 4,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer unter Generalverdacht gestellt. Der äußerst zweifelhafte Nutzen für die Bekämpfung von Kriminalität, steht einem Eingriff in das Recht unzähliger Menschen, frei und unbeobachtet zu kommunizieren gegenüber. Das lässt diese Maßnahme nicht verhältnismäßig erscheinen."

Weiter hieß es: "Kriminelle können diese Maßnahme leicht mit ausländischen SIM-Karten oder gratis verfügbaren, anonymen Messaging-Diensten umgehen."

Das ist mit der massiven Verbreitung von eSIM- und bald auch iSIM-Profilen noch einfacher geworden. Zumal 2019 mit der Einführung der Ausweispflicht in Österreich das Thema eSIM auch nicht mehr als neu eingestuft werden konnte, wie das Ende 2018 erschienene eSIM-Whitepaper der GSMA (PDF) belegt.

eSIM-Bereitstellung. (Bildquelle: GSMA)
eSIM-Bereitstellung. (Bildquelle: GSMA)

Quelle(n)

BMI / Eigene Recherchen

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Autor: Andreas Sebayang, 15.08.2024 (Update: 15.08.2024)