Twitter nimmt Verweisverbot auf Mastodon, Instagram und Facebook wieder zurück
Update: 19. Dezember 2022, 7:02 Uhr
Twitter hat die Regeln rund um das Verweisverbot kurzerhand kommentarlos von seiner Webseite gelöscht. Auch die Anküdigungstweets des Twittersupports sind gelöscht worden. Ein Snapshot der Regeln findet sich noch auf der Wayback Machine des Internet Archive. Die nachfolgende Meldung dokumentiert nur noch den vergangenen Zustand.
Ursprüngliche Meldung:
Twitter will keine kostenlose Werbung mehr für konkurrierende soziale Medien zulassen, das kündigte der @Twittersupport an. Betroffen sind unter anderem Mastodon, Facebook und Instagram. Übersichtsseiten wie solche von Linktree und Co, die zahlreiche Verweise von anderen sozialen Medien bündeln, sind ebenfalls nicht zugelassen. Eine Ausnahme gibt es, wenn Twitter-Nutzer solche Informationen im Rahmen von bezahlter Werbung posten.
Der genaue Wortlaut der Regeln befindet sich auf einer separaten Webseite und hat es in sich, denn auch Verklausulierungen sind demnach nicht mehr erlaubt. Schon ein "Folge mir auf Beispiel PUNKT de" kann zu einem Twitter-Bann führen. Crossposting, etwa von anderen Plattformen zu Twitter, lässt Twitter aber weiterhin zu.
Wer gegen die Regeln verstößt, der muss damit rechnen, dass Twitter zur Löschung von Tweets auffordert oder das Konto gar temporär sperrt. Ob damit auch vergangene Postings über Mastodon und andere Netzwerke betroffen sind, lassen die Regeln offen. Die meisten dürften von der Regeländerung nichts mitbekommen haben, da diese etwa nicht per E-Mail verteilt wurden.
Das ist insbesondere deswegen pikant, da die neuen Regeln bereits gelten. Angekündigt wurden sie am Sonntagabend mitteleuropäischer Zeit. Die Webseite mit den Regeln ist auf den Dezember 2022 datiert ohne exakte Angabe.
Wer regelkonform agieren möchte, der müsste sein Profil gegen eventuelle Regelverstöße durchsuchen und vergangene Äußerungen etwa zu Mastodon genau prüfen, ob sie noch zulässig sind. Unklar ist, wie Twitter reagieren wird, wenn Links auf andere Plattformen eine Quelle darstellen. Dem Wortlaut zufolge würde dies ebenfalls als kostenlose und damit unzulässige Werbung eingestuft werden. Äußerungen eines Politikers oder Ankündigungen von Unternehmen wären damit auf Twitter unzulässig, sofern diese in einem anderen Netzwerk gefallen sind und das Posting einen Quelllink enthält.
Ob die Regeln rechtlich bestand haben, müssen Gerichte klären. Doch das kann viel Zeit kosten. Der Anwalt Chan-jo Jun postete dazu eine kurze rechtliche Einschätzung auf Mastodon. Demnach würde "Die entspreche Regelung [zur Sperrung, amn. d. Redaktion] wegen der starken Auswirkung auf die Meinungsfreiheit vor Gericht nicht standhalten". Chan-jo Jun hatte erst kürzlich vor einem deutschen Gericht gegen Twitter gewonnen. Demnach muss Twitter wahrheitswidrige und ehrverletzende Tweets löschen.
Neue Regeln gelten bereits
Die Änderungen sind offenbar bereits umgesetzt worden. Eine Vorwarnzeit, wie sie normalerweise bei derartig einschneidenen Regeln zum guten Umgangston gehören, gab es nicht. Twitter deklariert Links, etwa auf Mastodon, als Schadsoftware, wie Cornelius Römer herausgefunden hat, der seine Beschreibung nicht mehr ändern kann, ohne den Twitter-Regeln zu entsprechen. Eine weitere Suche innerhalb von Twitter bestätigt dies. Einen Verstoß gegen Plattformregeln pauschal als Schadsoftware einzustufen ist ein ungewöhnlicher Vorgang und zeigt mit welcher Eile das Dev-Team von Twitter vorgegangen sein muss.
Als direkte Folge hat sich die Anzahl der Neuanmeldungen bei Mastodon binnen weniger Stunden deutlich erhöht und erreichte kurz nach Mitternacht wieder die Marke von 5.000 Neulingen pro Stunde. Es ist davon auszugehen, dass zum Morgen mitteleuropäischer Zeit die Anzahl der Anmeldungen nochmals steigen wird. Alte Rekorde liegen bei etwa 13.000 Neuanmeldungen pro Stunde.
Im Vergleich zu Twitter sind das weiter sehr geringe Zahlen. Mastodon hat etwa 8,6 Millionen Nutzer. Twitter hingegen bewegt sich im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Der ebenfalls betroffene Konkurrent Facebook liegt bei einer Internetbevölkerung von rund drei Milliarden und dürfte von der kostenlosen Werbung durch Twitter aufgrund einer gewissen Sättigung ohnehin kaum noch profitieren.
Weitere Hinweise zu Mastodon und dem Vorgang zu Twitter-Backups hat Notebookcheck.com bereits Mitte November in einem ausführlichen Artikel veröffentlicht.