Textile Solarzellen: Fraunhofer zaubert Strom aus Stoff
Der Bereich Smart Clothing mit "intelligenter Kleidung" fristet derzeit im großen Themenblock der Wearables noch ein relatives Nischendasein. Schon 2016 berichteten wir, dass smarte Kleidung künftig nicht mehr nur bei Fitness und Sport neue Anwendungsmöglichkeiten auftun wird, sondern beispielsweise auch Künstler und Modedesigner für Art und Fashion inspirieren wird.
Einige vielversprechende Projekte und praktische Umsetzungen wie die smarte Jacke "Commuter Trucker Jacket" von Levi's auf Basis von Googles Jacquard gab es abseits von Smart Cloth als vernetzte Fitnesskleidung bereits. Auch jetzt noch exotisch anmutende Kreationen wie die Handtaschen mit Display von Louis Vuitton und Royole lassen erahnen wohin die Reise bei den Textilien mit "magischen Zauberkräften" geht.
Wie wäre es zum Beispiel mit Strom, der direkt aus dem Stoff kommt und das Smartphone, die Watch oder sogar den LKW mit Energie versorgt? Klingt nach Zauberei? Ist es auch ein wenig, aber hauptsächlich natürlich intensive und leidenschaftliche Forschungsarbeit. Die leisten die ForscherInnen vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS und verblüffen uns mit textilen Solarzellen, die konventionelle Solarmodule sinnvoll ergänzen können.
Möglich machen das textile, biegsame Solarzellen. Wie Dr. Lars Rebenklau, Gruppenleiter für Systemintegration und AVT am Fraunhofer IKTS erläutert, können die Experten über verschiedene Beschichtungsverfahren die Solarzellen direkt auf technischen Textilien herstellen. Die ForscherInnen verwenden kein Glas oder Silizium wie bei herkömmlichen Solarmodulen, sondern Textilien als Substrat. Da die Textilien während der Beschichtung Temperaturen von etwa 200 Grad Celsius überstehen und auch andere Anforderungen wie Brandschutz-Vorschriften und große Stabilität erfüllen müssen, hat sich das IKTS und die beteiligten Partner daher für ein Glasfasergewebe entschieden, das all diese Anforderungen erfüllt.
Eine Herausforderung stellt beispielsweise das Aufbringen der verschiedenen Schichten einer Solarzelle auf das Gewebe dar: das sind die Grundelektrode, die photovoltaisch wirksame Schicht und die Deckelektrode. Verglichen mit diesen nur 1 bis 10 Mikrometer dünnen Schichten gleicht die Oberfläche eines Textils einem riesigen Gebirge, so die Forscher. Der Trick: Zuerst kommt eine "Einebnungsschicht" auf das Textil, um die "Berge und Täler" auszugleichen.
Dazu nutzen die Fraunhofer-Spezialisten den Transferdruck als Standardverfahren der Textilbranche, das beispielsweise auch zum Gummieren verwendet wird. Auch alle weiteren Produktionsprozesse haben die Forschenden von Anfang an so gestaltet, dass sie sich problemlos in die Fertigungslinien der Textilindustrien einfügen lassen: Die Anbringung der Elektroden aus elektrisch leitfähigem Polymer wird wie die photovoltaisch wirksame Schicht über das gängige Rolle-zu-Rolle-Verfahren aufgebracht. Um die Solarzelle möglichst robust werden zu lassen, laminieren die Forscherinnen und Forscher zusätzlich eine Schutzschicht auf.
Das IKTS rechnet damit, dass marktreife Solartextilien in etwa fünf Jahren zur Verfügung stehen werden. Den ersten Prototyp hat das Forscherteam bereits hergestellt. Die Effizienz liegt derzeit bei 0,1 bis 0,3 Prozent. Das IKTS arbeitet nun daran, die Effizienz auf über 5 Prozent zu steigern. Ab diesem Wert rechnet sich die textile Solarzelle. Zwar erreichen Siliziumzellen mit 10 bis 20 Prozent deutlich höhere Effizienzwerte. Allerdings soll die neuartige Solarzelle ja nicht mit den herkömmlichen konkurrieren, sondern diese sinnvoll ergänzen.