Test Moto 360 Gen 3: Tolle Uhr mit bekanntem Manko
Motorola ist ein Urgestein im Mobilfunk und hat die technologische Entwicklung in den Anfängen maßgeblich vorangebracht. Die erste Moto 360 entstand, nachdem sich Google die Mobilfunksparte einverleibt hatte, die seitdem unter dem Namen Motorola Mobility firmiert. Bis zum Markstart im zweiten Halbjahr 2014 hatte Google die Marke zwar schon wieder an Lenovo weiterverkauft; dennoch genoss die Moto 360, unter Google als erste Smartwatch mit der eigenen Software entwickelt (die damals noch Android Wear hieß), als Google-Original besondere Aufmerksamkeit.
Nach einem Hardware-Update 2015, bei dem Motorola unter anderem den Prozessor von Texas Instruments (Tyo TI Omap 3630, 512 MB RAM) durch einen Snapdragon 400 von Qualcomm ersetzte, wurde es still. Die vorliegende Gen3, im Oktober 2019 vorgestellt und im darauffolgenden Mai geliefert, wird in Lizenz durch den Elektronikkonzern eBuyNow hergestellt und vertrieben.
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Details
Ausstattung - Auch unter eBuyNow ohne LTE
2015 konnte man das Gehäuse in zwei Größen noch frei mit einem passenden Band kombinieren. Davon ist der neue Hersteller abgekommen und liefert die Uhr dafür mit zwei Bändern aus, einem Lederband und einem Sportband aus Silikon. Das Gehäuse hat jetzt einheitlich eine Größe von 42,8 mm Durchmesser.
Optisch ist das hochwertige Gehäuse aus gebürstetem Edelstahl nahezu gleich geblieben: Der leicht gewölbte Rand wirkt für die Dicke von immer noch 11,68 mm (im Bereich des optischen Pulsmessers sogar 13,28 mm) gefällig, kann das Volumen aber nicht kaschieren. Technisch sind alle neuen Modelle gleich, insbesondere gibt es keine Mobilfunkvariante.
Zum Laden der Moto360 liegt eine magnetische Ladeschale bei. Das Wearable hat ein Mikrofon, aber immer noch keinen Lautsprecher. Dafür sitzen jetzt auf der rechten Seite zwei Tasten statt einer wie zuvor. Die untere kann man später individuell zuweisen. Die obere ist als Krone auch drehbar und erleichtert das Blättern durch lange Listen.
Das vollflächige Touch-Display wechselt im Standby in einen reduzierten Ambient-Modus. Sowohl das Always-On-Display als auch das versehentliche Aktivieren des Displays durch unbeabsichtigte Berührungen kann man deaktivieren.
Der so genannte „Plattfuß“, ein auffälliger Rand unter dem Display, ist verschwunden. Er war dem Sensor für die automatische Helligkeitsregulierung geschuldet und ist bei der Moto 360 der zweiten Generation rechts im Bild zu sehen. Der Sensor fordert aber auch bei der neuen Uhr seinen Tribut: Das Display wird nun insgesamt von einem 3 mm breiten Rand gesäumt.
Unter der Haube gibt es durchaus großzügige Verbesserungen: Den Medienspeicher hat Motorola von 4 auf 8 GB verdoppelt sowie NFC und GPS ergänzt. Damit kann man mit der Moto 360 jetzt auch bargeldlos bezahlen sowie Outdoor-Aktivitäten ohne Smartphone tracken. Seine Leistung zieht das 2020er Modell aus einem Snapdragon Wear 3100, der mit 1 GB RAM gegenüber früher auch doppelt so viel Arbeitsspeicher hat.
Einrichtung und Bedienung - Mit Google's WearOS
Für die Einrichtung muss man zunächst die App Wear OS by Google auf sein Smartphone laden. Die gibt es auch in Apples App Store, und übrigens auch Google Fit für die Analyse der Fitness. Unser Test erfolgte mit einem Google Pixel 3XL. Dort war Wear OS bereits installiert und mit einer Moto 360 der zweiten Generation verbunden. Die App erkannte die neue Uhr von sich aus und verband sie problemlos als weiteres Gerät.
Wer mehr als ein Google-Konto mit seinem Smartphone verknüpft, kann auch mehrere mit der Uhr verbinden und erhält dann beispielsweise Erinnerungen zu den Terminen aller gewählter Konten. Wenn man die Uhr mit dem WLAN verbindet, erhält sie Benachrichtigungen auch dann, wenn das Smartphone gerade nicht in der Nähe liegt.
Sobald die Uhr startklar ist, kann man daran gehen, das Zifferblatt zu individualisieren, sowie einige App-Widgets, die man erreicht, wenn man vom Zifferblatt aus nach links streicht:
Die Zahl der Widgets ist auf fünf beschränkt. Man kann sie also gar nicht alle installieren, sondern muss die verbleibenden bei Bedarf über das App-Menü starten. Das öffnet ein Druck auf die Krone. Im Werkszustand beschränkt sich die Auswahl auf kaum mehr als zehn Apps. Zu ihnen gehören der Google Übersetzer und der Play Store, über den man weitere Apps installieren kann. WearOS sieht nicht vor, dass zusätzlich installierte Apps eigene Widgets mitbringen, sie müssen alle jeweils über die App-Übersicht gestartet werden. Ein etwas längerer Druck auf eine App in der Liste platziert sie als Favorit am Anfang der Liste.
Eine Wischgeste von oben nach unten öffnet ein Quick-Access-Panel, über das man unter anderem kurzerhand den Flugmodus, den Stromsparmodus und die Taschenlampe aktivieren kann. Durch Streichen nach rechts oder einen langen Druck auf die Krone aktiviert man den Google Assistant. Die Anweisungen kann man in das integrierte Mikrofon sprechen; einen Weckruf oder abgelaufenen Timer signalisiert die lautsprecherlose Uhr dann per Vibration.
Telefonie
Telefonate werden mangels eigenem Mobilfunkmodul über das Smartphone geführt. Über die Kontakte-App auf der Uhr kann man ausgehende Anrufe initiieren oder eingehende annehmen, muss dann aber zum Handy greifen. Verwendet man stattdessen ein Bluetooth-Headset, muss auch das aktiv mit dem Smartphone verbunden sein und nicht etwa mit der Uhr.
Musik
Um Musik zu hören, kann man ein Headset dagegen auch direkt mit der Uhr verbinden, je nachdem welche App man verwendet. Die Spotify-App beispielsweise steuert lediglich Spotify auf dem Smartphone. Google Play Musik dagegen lädt Musiktitel, Alben und Play-Listen auch auf die Uhr herunter. Play Musik ist nicht ab Werk installiert und muss gegebenenfalls über den Play Store geladen werden. Um Platzmangel muss man sich nicht sorgen: Die aktuelle Moto360 besitzt 8 GB für Medien.
Benachrichtigungen
Die Liste der Benachrichtigungen, die sich durch Wischen von unten öffnet, versammelt alle Nachrichten aus unterschiedlichen Apps in einer gemeinsamen Übersicht. Den Wechsel zwischen Übersicht/Nachrichtenvorschau und Detailansicht vereinfacht WearOS dadurch, dass eine angetippte Nachricht vollständig innerhalb der Liste erscheint und nicht etwa in einer neuen Ansicht. Dadurch entfällt die explizite Rückkehr zur Listenansicht; stattdessen folgt am Ende der eingeblendeten Nachricht einfach die Vorschau der nächsten.
Je nachdem, welchen Messenger man verwendet, kann man auch unkompliziert antworten. WhatsApp beispielsweise blendet direkt unter der Nachricht einige Möglichkeiten für eine schnelle Reaktion ein.
Prinzipiell kann man auch die Nachrichten anderer Messenger beantworten – per Sprachdiktat, virtueller Tastatur oder Emoji. Das wählt man entweder mit Hilfe der Krone aus oder zeichnet es alternativ mit dem Finger auf das Display; WearOS versucht dann, ihn umzusetzen. Alle drei Varianten funktionierten im Test gut.
Insgesamt gefällt uns die Bedienung der Moto 360 gut. Je mehr Apps auf der Uhr landen, umso hilfreicher erweist sich die Krone bei der App-Wahl. Alternativ steuern auch ruckartige Bewegungen mit dem Handgelenk die Listenansicht vorwärts und rückwärts. Schade ist, dass man die Krone nicht auch verwenden kann, um durch die App-Widgets „rechts“ neben dem Zifferblatt zu blättern.
Gesundheit und Fitness - Google fokussiert Kardio-Punkte
Immer mehr Smartwatches besitzen inzwischen einen SpO2-Sensor, der den Blutsauerstoffgehalt misst. Hier hat die Moto 360 eine Lücke, es gibt auch kein Schlaf-Tracking; zumindest nicht seitens Motorola. Ein optischer Pulsmesser ist jedoch vorhanden. Softwareseitig repräsentieren die Apps Google Fit und Fit Training das Herz des Fitness- und Gesundheits-Trackers.
Bevor die Moto 360 Puls und Schritte aufzeichnet, muss man Google Fit erst aktivieren und die nötigen Berechtigungen erteilen. Aus allen Aktivitäten ermittelt Google Fit Kardiopunkte. Das Fit-Widget stellt die gelaufenen Schritte und erzielten Kardiopunkte in Relation zu den persönlichen Zielen dar. Tippt man auf das Widget, erhält man weitere Informationen.
Fit Training unterscheidet zahlreiche Aktivitäten. Viele von ihnen findet man auf anderen Plattformen sehr selten, darunter Australian Football, Frisbee und Racquetball. Die App Fit Training wie auch das zugehörige Widget listen jeweils die drei zuletzt gewählten Aktivitäten. Wenn man mehr als drei Sportarten betreibt oder auch Gärtnern und den Spaziergang mit dem Kinderwagen aktiv protokollieren will – beides ist im Angebot –, führt das Starten der Aufzeichnung über die lange Aktivitäten-Liste, und das ist umständlich. Abhilfe schaffen Zifferblätter mit mehreren Komplikationen, in die man bis zu sechs Sportarten hineinziehen kann. Das bedeutet, je nach Geschmack, bei der Wahl des Zifferblattes unter Umständen eine Entscheidung zwischen Funktion und Optik.
Die Analysedaten fallen nicht allzu tiefgreifend aus, immerhin gehört ein Pulsdiagramm dazu. Während der Aktivität zeigt die Moto 360 die Daten auch im Standby an.
Auf dem Smartphone finden sich die statistischen Daten in der App Google Fit wieder. Die Trainingsübersicht sammelt nicht nur absolvierte Trainingseinheiten, sondern alle Bewegungen, auch solche, die das Smartphone erfasst, wenn die Moto 360 mal zu Hause bleibt.
Das wirkt sich zwar positiv auf den Aktivitätsindex aus, verwässert aber unter Umständen die gezielte Beobachtung von Trainingserfolgen. Wer regelmäßig Sport treibt und seinen Trainingsfortschritt nachverfolgen möchte, sollte das mit Apps wie Strava oder adidas Running aka Runtastic tun. Die Vielfalt an zusätzlichen Apps ist einer der Vorteile einer Uhr mit WearOS.
Akkulaufzeit - Auch in Gen 3 kaum mehr als einen Tag
Die Laufzeit gehört dagegen definitiv nicht zu den Stärken von WearOS. Motorola spricht von "ganztägiger Laufzeit" – und viel mehr ist es auch nicht. Da fällt dann natürlich auch die GPS-Nutzung stärker ins Gewicht als bei aktuellen Uhren von Huami oder Huawei mit ihren zweiwöchigen Laufzeiten. Im Test wechselte die Moto 360 nach einer vierstündigen Fahrradtour etwa zur Abendbrotzeit beim Stand von 1% in den Stromsparmodus. Mindestens einen weiteren Tag zeigt sie dann noch die Zeit an, auf Knopfdruck und bei ansonsten inaktivem Display.
An mehreren Tagen mit einstündigem Workout, gelegentlicher Nutzung des Google Assistant, ein bis zwei Telefonaten und vielen Benachrichtigungen, von denen nur wenige über die Uhr beantwortet wurden, fiel die Akkukapazität bis zum Abend auf zwischen 5 und 20 % – hier spielt die Häufigkeit der einzelnen Aktionen noch mal eine Rolle.
An einem weiteren Tag haben wir dem Zeitmesser bewusst kaum mehr abverlangt als über die eingegangenen Nachrichten zu informieren. In diesem Szenario kam die Moto 360 locker über den Tag, die Nacht (am Handgelenk) und den darauffolgenden Tag und wechselte erst am Abend des zweiten Tages in den Stromsparmodus.
Am Ende liegt die Laufzeit also je nach Nutzung zwischen einem und maximal zwei Tagen. Der Hauptbelastungsfaktor ist die Aktivitätsaufzeichnung mit GPS.
Fazit
Das Manko der kurzen Laufzeit betrifft generell auch andere Uhren mit Googles WearOS und übrigens auch die Apple Watch. Von Vorteil sind bei beiden Systemen die großen App-Stores im Hintergrund. Viele der Smartphone-Apps gibt es jeweils auch für die Uhren. Das bieten Huawei oder Huami bislang nicht, Garmin und Samsung in abgeschwächtem Umfang. Das hochwertige Material bei der Uhr selbst und den beiden Bändern rechtfertigen einen etwas höheren Preis. Für 299 Euro könnte sie auch schon mobilfunktauglich sein; der Akku würde das allerdings nicht verkraften.
Der Vorteil einer Uhr mit WearOS ist die hohe Erweiterbarkeit; der Nachteil eine kurze Akkulaufzeit.
Optisch fällt der breite Rand um das Display herum zumindest bei Wahl eines hellen Zifferblatts unschön auf. Die erwähnte gute Darstellung und Handhabbarkeit der Benachrichtigungen ist dagegen in der Praxis ein Pfund. Selbst wenn man die Antwortmöglichkeit nicht oder nur sehr selten nutzt – dass es prinzipiell möglich ist und im Bedarfsfall dann eben auch unkompliziert funktioniert, ist kein Alleinstellungsmerkmal, aber ein Pluspunkt.
Bedenkt man schließlich, dass auch die mittlerweile fünf Jahre alte zweite Generation im Testzeitraum auf das aktuelle OS aktualisiert werden konnte, wenngleich die langsamere Hardware nicht mehr gut mithalten kann, sprechen auch langfristige Updates für Motorola respektive WearOS.
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