Pico 4 Ultra ausprobiert: MR-Brille ist eine günstigere Alternative zur Vision Pro - mit Einschränkungen
Pico bietet seit kurzem mit der Pico 4 Ultra eine neue MR-Brille an. Diese lässt sich auf mehrere Arten und Weisen nutzen und unterstützt auch Pass-Through mit ordentlicher Qualität. Im Hands-On wusste das Modell durchaus zu überzeugen, allerdings gibt es noch so einige Einschränkungen. Wir haben zum Test die Pico 4 Ultra mit zwei Controllern erhalten, dazu noch die Motion-Tracker, welche Bewegungen der Beine erfassen können.
Die Hardware selbst gibt nur wenig Anlass zur Kritik. So lässt sich das Headset nicht nur mit einem einzelnen Drehrad justieren, stattdessen gibt es noch ein mit einem Klettverschluss einstellbares Halteband, welches eine ordentliche Justierung erlaubt. Die genaue Justierung ist bei einem VR-Headset besonders wichtig, da nur so eine scharfe Darstellung möglich ist. Das rund 580 Gramm schwere Headset ließ sich zumindest bis zu zwei Stunden lang problemlos und durchaus komfortabel tragen. Fremdlicht wurde im Allgemeinen gut abgeschirmt, nur im Bereich der Nase kam es einen kleineren, in der Praxis nicht störende Einfall von Umgebungslicht. Die Interpupillardistanz muss manuell eingestellt werden, was schnell von der Hand geht. Die Blickrichtung der Augen lässt sich nicht tracken.
Moderne Technik und hohe Auflösung
Die Auflösung der beiden Bildschirm gibt Pico mit 2.160 x 2.160 Pixeln an, gerendert wird jeweils mit 1.920 x 1.920 Pixeln. Die Bildwiederholfrequenz wird auf 90 Hz beziffert, das Pancake-Objektiv verspricht einen Blickwinkel von 105°. Die Pico 4 Ultra bietet so in der Praxis eine hohe Schärfe ohne den von älteren VR-Headsets bekannten Fliegengitter-Effekt - also kleine, dann doch wahrnehmbare Lücken zwischen einzelnen Pixeln. Subjektiv gesprochen bietet die Pico 4 Ultra eine zumindest für uns scharfe Darstellung. Auch Texte lassen sich problemlos ablesen, was für MR-Anwendungen wichtig ist - doch dazu später mehr.
Es sind Lautsprecher verbaut, welche eine grundsätzlich akzeptable Soundqualität mitbringen, aber keine angemessene Beschallung für Spiele oder Videos leisten können. Headsets können nur über Bluetooth und nicht einen klassischen Klinkenstecker angebunden werden, was eine gewisse, aber in der Praxis doch verschmerzbare Einschränkung darstellt. Vier Mikrofone sind vorhanden, wodurch die Bedienung auch mit Sprachkommandos möglich wird - diese Möglichkeit funktioniert zuverlässig.
Als VR-Headset gibt es wenig zu bemängeln
Die Pico 4 Ultra kann als eher klassisches VR-Headset eingesetzt werden. Die Anbindung an einen PC ist sowohl kabelgebunden über USB Typ C als auch drahtlos möglich. Die Anbindung per Kabel ist völlig unkompliziert, installiert werden muss wie bei der kabellosen Anbindung auch Pico Connect. Steam VR wird unterstützt, damit können Nutzer tausende VR-Titel erleben.
Die Steuerung ist problemlos möglich, die Controller liegen gut in der Hand, bringen jeweils zwei Trigger, Joysticks und Aktionstasten mit. Damit entspricht das System den Konventionen aktueller VR-Eingabegeräte, dementsprechend ergeben sich keine Probleme bei der Steuerung. Bei der Nutzung als VR-Headset gibt es dann doch eine signifikante Einschränkung: Die Kompatibilität beispielsweise zum Microsoft Flight Simulator ist mit Bordmitteln nicht gegeben, so wird eine kostenfreie Software benötigt. Das mag sich wie ein kleines Problem anhören und ist es für viele Nutzer wahrscheinlich auch - allerdings ist der Flight Simulator in VR doch eine eindrückliche Erfahrung, welche im Auslieferungszustand auf der Pico 4 Ultra nicht zu erleben ist.
Im Gegensatz zur Vorgängergeneration unterstützt die Pico 4 Ultra das drahtlose Streaming über WiFi 7. Wir haben im Test sowohl eine Fritz!Box 7530 NU mit WiFi 6 als auch einen leihweise von TP-Link zur Verfügung gestellten und von uns auch schon getesteten BE19000-Router (beziehungsweise BE800) mit WiFi 7 genutzt. Die drahtlose Verbindung ist über Pico Connect ebenfalls einfach herstellbar. Tatsächlich haben wir im Praxistest mit WiFi 6 und WiFi 7 zufriedenstellende Resultate erzielen können, über WiFi 7 ergab sich eine größere, mögliche Distanz zwischen Beamer und Headset. Das drahtlose Streaming stellt einen doch erheblichem Komfortgewinn dar, so ist die Bewegung problemlos möglich.
Standalone-Headset mit starkem SoC
Die Pico 4 Ultra ist mit einem Snapdragon XR2 Gen 2 ausgestattet, der auf einen 12 Gigabyte großem Arbeitsspeicher zugreifen kann. Auf dem 256 Gigabyte großen Speicher ist ein eigenes Betriebssystem installiert. Dieses funktioniert grundsätzlich gut und performant und erlaubt nach der Aktivierung der Entwickleroptionen sogar die Installation eigener Apps. Im Test konnten wir so WhatsApp und Spotify problemlos nachladen, allerdings muss der WhatsApp-QR-Code dann durch eine der Linsen fotografiert werden - was überraschenderweise auf Anhieb klappte, allerdings Kunden so nicht zugemutet werden sollte.
Insgesamt ist die Performance ordentlich, so lässt sich etwa Arizona Sunshine 2 problemlos und flüssig wiedergeben. Als eher problematisch haben wir die Software-Unterstützung erlebt: Durchaus populäre Titel wie beispielsweise Beat Saber sind im Pico-Store nicht vorhanden, die Auswahl an Spieletiteln ist allerdings recht groß und auch Software von Drittanbietern steht bereit. Wir empfehlen vor einem eventuellen Kauf ganz dringend, einen Blick in den Pico-Store zu werfen. Unterstützt werden auch MR-Titel.
Nutzung als Vision Pro-Alternative - die Software ist noch nicht optimal
Nutzbar ist die Pico 4 Ultra im Prinzip auch als Alternative zur Apple Vision Pro und damit für produktive Zwecke. Im mehr oder weniger direkten Vergleich zur Apple Vision Pro gibt es gute und schlechte Nachrichten. So erscheint uns die Darstellung von Programmen und auch Medieninhalten als grundsätzlich vergleichbar. Die Pico 4 Ultra bietet eine taugliche MR-Darstellung und nutzt dafür zwei 32-Megapixel-Kameras. Das Pass-Through erlaubt die problemlose Orientierung.
Die Apple Vision Pro bietet unseren Erfahrungen nach aber eine bessere Qualität beim Pass-Through, wobei die Bildqualität bei der Pico 4 Ultra diesbezüglich stark von der Beleuchtung abhängig ist. Bei einer dunklen Umgebung ergibt sich eine deutlich verringerte Auflösung. Die Latenz bei der Pass-Through-Anzeige ist gering, wurde von uns im Test aber nicht genau quantifiziert. Zur Einordnung: Es war im Test problemlos möglich, Hogwarts Legacy durch die Brille hindurch auf einem Fernseher zu betrachten und auch zu spielen, ohne, dass sich eine große und die Spielerfahrung tatsächlich einschränkende Latenz ergab.
Die Voraussetzungen zur Nutzung in produktiven Kontexten der Pico 4 Ultra sind mit einer hohen Auflösung, einer ordentlichen MR-Funktionalität und der drahtlosen Anbindung gut, allerdings vergibt Pico hier mit der Software viel Potenzial. Das größte Problem: Aktuell kann nur ein einzelner Desktop übertragen werden. Das mag sich wie eine annehmbare Einschränkung anhören, allerdings ist gerade die Aussicht, mit mehreren, frei beweglichen Fenstern in einer virtuellen Umgebung zu arbeiten, so interessant. Zwar lässt sich zwischen den mehreren mit einem PC verbundenen Bildschirmen wechseln, die Anordnung etwa eines Bildschirmes für Chat-Programme und die Musikwiedergabe ist so nicht möglich. Hier bietet die Apple Vision Pro durch die nahtlose Integration einen großen Vorteil.
Es ist einfach möglich, sowohl einen gestreamten Desktop als auch auf der Pico 4 Ultra selbst lauffähige Programme zusammen zu nutzen. So lässt sich beispielsweise mit einem Browser arbeiten, Spotify und WhatsApp lassen sich so um einen Desktop herum anordnen. Hier schlägt allerdings die fehlende, nahtlose Integration voll durch: So müsste dann für die Steuerung der Wiedergabe von Spotify ebenso wie für das Tippen von Nachrichten ein Controller in die Hand genommen werden. Alternativ gäbe es noch die Möglichkeit zur Bedienung mittels Hand-Tracking. Dieses Tracking hat sich im Test nicht als sehr zuverlässig erwiesen und reicht eher aus, um die Medienwiedergabe zu starten. Längere Texte möchte man damit nicht eingeben.
Es gibt Software von Drittanbieter, welche die Nutzung mit mehreren Desktops unterstützten. Immerhin: Der Hersteller hat ein Software-Update angekündigt, welches dann bis zu drei Bildschirme unterstützen soll. In der Praxis war der Einsatz als produktiv nutzbares System dann doch gut möglich, so lassen sich Texte leicht bearbeiten, wenn die an dem PC verfügbare Maus und Tastatur genutzt werden. Wir konnten eine Akkulaufzeit von rund zwei bis drei Stunden erzielen. Die Akkulaufzeit kann mit einer entsprechenden Powerbank dann einfach verlängert werden, allerdings können wir uns kaum vorstellen, dass die Pico 4 Ultra - dem durchaus hohem Tragekomfort zu Trotz - den ganzen Tag über sinnvoll zu tragen ist.
Die Motion-Tracker sind genau - und witzig
Mit dem Testmuster wurden uns auch die Motion-Tracker von Pico zur Verfügung gestellt. Diese werden über dem Sprunggelenk an die Füße befestigt. Damit soll sich der ganze Körper tracken lassen - und dies ist tatsächlich möglich. So lässt sich nicht nur die Höhe der Füße, sondern auch eine Drehung in der Hüfte erfassen. Sinn macht dieses System insbesondere bei Spielen mit Betonung auf körperlicher Aktivität.
Pro
Contra
Fazit: Vielseitig, mit guter Auflösung - und Potenzial
Die Pico 4 Ultra ist ein vielseitig einsetzbares MR-Headset. Das drahtlose Streaming von Videospielen ist mit hohem Komfort und praxistauglicher Latenz und Qualität möglich. Auch die Nutzung als AR-Headset gefällt durchaus, allerdings verschenkt Pico diesbezüglich viel Potenzial mit der nicht komplett ausgereiften Software.
Der Preis von 599 Euro ist für ein MR-Headset im Allgemeinen akzeptabel, allerdings gibt es mit der Meta Quest 3 eine durchaus starke Konkurrenz im gleichen Preisbereich. Diese wiederum bietet dann zusätzlich noch einen - auch mit Exklusivtiteln - besser gefüllten Store. Wir würden vor dem Kauf dringend zu einer Prüfung der Titel im App-Store raten. Letztlich könnte auch der Tragekomfort von der eigenen Kopfform abhängig sein, weshalb potenzielle Käufer das Modell eher vor dem Kauf testen sollten.
Preis und Verfügbarkeit
Die Pico 4 Ultra ist bereits erhältlich. Bei Amazon wird für die Brille ein Preis von 599 Euro aufgerufen, im Paket sind die Motion-Tracker bereits enthalten. Die Auslieferung soll am 20. September beginnen.
Transparenz
Die Auswahl der zu testenden Geräte erfolgt innerhalb der Redaktion. Das vorliegende Testmuster wurde dem Autor vom Hersteller unentgeltlich zu Testzwecken überlassen. Eine Einflussnahme auf den Testbericht gab es nicht, der Hersteller erhielt keine Version des Reviews vor der Veröffentlichung. Es bestand keine Verpflichtung zur Publikation. Unsere Reviews erfolgen stets ohne Gegenleistung oder Kompensationen. Als eigenständiges, unabhängiges Unternehmen unterliegt Notebookcheck keiner Diktion von Herstellern, Shops und Verlagen.
So testet Notebookcheck
Pro Jahr werden von Notebookcheck hunderte Laptops und Smartphones unabhängig in von uns standardisierten technischen Verfahren getestet, um eine Vergleichbarkeit aller Testergebnisse zu gewährleisten. Seit rund 20 Jahren entwickeln wir diese Testmethoden kontinuierlich weiter und setzen damit Branchenstandards. In unseren Testlaboren kommt ausschließlich hochwertiges Messequipment in die Hände erfahrener Techniker und Redakteure. Die Tests unterliegen einer mehrstufigen Kontrolle. Unsere komplexe Gesamtbewertung basiert auf hunderten fundierten Messergebnissen und Benchmarks, womit Ihnen Objektivität garantiert ist. Weitere Informationen zu unseren Testmethoden gibt es hier.