Notebookcheck-Interview mit Lenovo Deutschland über das neue ThinkPad X1 Nano
Wir haben gerade erst das brandneue ThinkPad X1 Nano von Lenovo getestet und das besonders kompakte und leichte Business-Notebook konnte uns in sehr vielen Bereichen überzeugen, allerdings gab es auch einige Entscheidungen, die Fragen aufgeworfen haben.
Zum Launch des neuen ThinkPad X1 Nano hatte Notebookcheck jetzt die Möglichkeit mit Michael Weigelt (Business Development Manager) von Lenovo Deutschland zu reden und diese Punkte anzusprechen. Neben dem neuen ThinkPad X1 Nano ging es auch um die ThinkPad-X1-Familie sowie die ThinkPad-Baureihe im Allgemeinen. Das Interview fand virtuell statt und die Fragen für Notebookcheck wurden von Andreas Osthoff gestellt. Für alle weiteren Informationen zum ThinkPad X1 Nano empfehlen wir unseren ausführlichen Testbericht:
ThinkPad X1 Nano
Notebookcheck: Das ThinkPad X1 Nano ist ein neues Mitglied in der X1-Familie. Welche Idee steckt dahinter und welche Zielgruppe soll es ansprechen?
Michael Weigelt: Die X1-Submarke soll Produkte für besonders anspruchsvolle Kunden bieten. Neben ThinkPads gab es bereits auch ein ThinkCentre X1 (Desktop-PC) und ThinkVision X1 (Monitor). Über den Jahreswechsel sind jetzt drei neue Geräte hinzugekommen, für die es keinen direkten Vorgänger gibt: X1 Fold, X1 Nano und X1 Titanium Yoga. Die Voraussetzung hierfür sind die neuen Tiger-Lake-Prozessoren von Intel (10 nm), was uns erlaubt, deutlich kleinere und flachere Mainboards zu bauen. Klassischerweise befinden sich die Mainboards unterhalb der Tastatur. Beim X1 Titanium Yoga hingegen befindet sich das Mainboard oberhalb der Tastatur und weist nur noch etwa die Größe eines großen Desktop RAM-Moduls auf. Das ThinkPad X1 Titanium Yoga ist das flachste und das ThinkPad X1 Nano das leichteste ThinkPad auf dem Markt. Das ThinkPad X1 Fold hingegen ist ein komplett neues Konzept für die Nutzung eines mobilen Gerätes.
Notebookcheck: Ist das Kohlefaser-Cover für beide Display-Optionen verfügbar und wird es das X1 Nano auch noch mit höheren Auflösungen geben?
Michael Weigelt: Das Kohlefaser-Cover ist nur für die Touch-Variante verfügbar und ist auch nur ein optisches Feature. Es gibt aber keinen technischen Unterschied bei der Konstruktion der Deckel. Ob es höher aufgelöste Displays geben wird kann ich nicht ausschließen, auf absehbare Zeit ist es aber nicht geplant. Mit der 2K-Auflösung bieten wir einen sehr guten Kompromiss aus Bildqualität und Stromverbrauch.
Notebookcheck: Im Test hat sich gezeigt, dass die Kühlung sehr effizient arbeitet und der Tiger-Lake-UP4-Chip deutlich über den eigentlichen Spezifikationen von Intel liegt. Warum wurde dann nicht ein „normaler“ UP3-Prozessor verwendet, der auch etwas mehr Grafikleistung bieten würde?
Michael Weigelt: Der Vorteil der UP4-Chips ist der geringere Platzbedarf, was uns erlaubt, das Gerät insgesamt kompakter zu machen. Daher kommen sowohl beim X1 Nano, dem X1 Titanium Yoga oder beispielsweise auch dem X12 Detachable ausschließlich die UP4-Versionen der Tiger-Lake-Prozessoren zum Einsatz.
Notebookcheck: Das ThinkPad X1 Nano bietet trotz des neuen Tiger-Lake-Prozessors keine moderne PCIe-4.0-Anbindung für die SSD und auch der Power-Button befindet sich noch an der Seite des Gehäuses und nimmt damit wertvollen Platz ein, den man beispielsweise für einen weiteren Anschluss nutzen könnte. Bei dem kommenden ThinkPad X1 Carbon G9 wird der Power-Button zum Beispiel auf die Oberseite der Baseunit wandern.
Michael Weigelt: Obwohl das ThinkPad X1 Nano Anfang 2021 auf den Markt kommt, ist es das letzte Gerät von Lenovo, was intern noch dem Modelljahr 2020 angehört und daher auch Teil dieses Entwicklungsprozesses war. Daher befindet sich der Power-Button noch auf der Seite und die SSD ist über ein PCIe-3.0-x4-Interface angebunden. Das kommende ThinkPad X1 Carbon G9 hingegen ist eines der ersten Geräte des Modelljahres 2021. Alle Geräte des Modelljahres 2021 (auch die Convertibles) bekommen den Power-Button auf der Oberseite, wo dann auch der Fingerabdruckscanner integriert ist.
Notebookcheck: Der Tastenhub wurde beim ThinkPad X1 Nano auf 1,35 mm reduziert. In der Vergangenheit wurde bereits beim X1 Carbon von ursprünglich 1,8 auf 1,5 mm reduziert. Dass Lenovo sich dem Trend zu immer dünneren Geräten nicht verwehren kann ist verständlich, aber gibt es nicht die Angst, dass man hier ein Key-Feature der ThinkPad-Baureihe verliert?
Michael Weigelt: Wir gehen nicht generell von Tastaturen mit 1,8 mm bzw. 1,5 mm Hub weg bei den ThinkPads. Die kommenden Modelle ThinkPad X1 Carbon G9 und ThinkPad X1 Yoga G6 bleiben definitiv bei 1,5 mm Hub. Viele Geräte, beispielsweise aus der T- oder L-Serie, bieten nach wie vor 1,8 mm Hub.
Beim X1 Nano war es eine bewusste Entscheidung, die Mobilität auf die Spitze zu treiben. Das primäre Ziel der Entwicklung war es, das Gerät so leicht und flach wie möglich zu machen. Daher geht man bei dem Entwicklungsprozess bewusst Kompromisse ein und schaut, wo man Platz einsparen kann. Kompromiss Nummer 1 ist in dem Fall die Tastatur; Kompromiss Nummer 2 ist die Anschlussausstattung mit 2x USB-C/Thunderbolt 4. Das enttäuscht sicherlich einige ThinkPad-Fans, war aber erforderlich, um so ein leichtes und flaches Gerät zu realisieren. Zudem ist das X1 Nano immer noch wartbar. Es ist leicht zu Öffnen und alle Komponenten können durch Techniker ausgetauscht werden.
ThinkPad X1-Baureihe
Notebookcheck: Warum sind die X1-Modelle bisher nur auf Intel-Prozessoren beschränkt? Wie wurden die AMD-Versionen der anderen Baureihen von den Kunden bisher angenommen?
Michael Weigelt: Es ist das Ziel von Lenovo, das AMD-Portfolio mit jeder Generation auszuweiten. Einerseits um AMD und den leistungsstarken Prozessoren einen Platz zu geben, andererseits aber auch, um eine bessere Verfügbarkeit unserer Produkte sicherzustellen. Wir haben damals mit der Einführung im unteren Preissegment begonnen (ThinkPad E485), weil die AMD-CPUs auch etwas günstiger sind. Seitdem arbeiten wir uns aber nach und hoch im Line-Up und bieten derzeit beispielsweise auch das X13 und das T14s als AMD-Versionen an. Es kommt aber auch darauf an, wie groß das Interesse bei einem Modell ist und ob es Sinn ergibt, die zusätzlichen Entwicklungskosten zu investieren, wenn sich das Gerät nur an eine kleine Zielgruppe richtet.
Die Fimenkunden waren zunächst zögerlich bei Veränderungen, die möglicherweise Auswirkungen auf ihre Softwareverteilung oder die Treiberverwaltung haben. Die AMD-Modelle waren aber eine gute Ausweichmöglichkeit, als wir generell Lieferschwierigkeiten hatten. Mittlerweile gibt es aber kaum noch Vorbehalte. Einzelne Kunden präferieren weiterhin Intel, aus unserer Sicht ist AMD aber mindestens gleichwertig.
Notebookcheck: Viele Hersteller bieten mittlerweile wieder größere 16- der 17-Zoll-Geräte an, beispielsweise auch Dell mit dem XPS 17. Wird es von Lenovo etwas Vergleichbares geben, beispielsweise ein X1 Extreme mit 17 Zoll?
Michael Weigelt: In absehbarer Zukunft steht keine Produktankündigung bevor. Generell ist der 17-Zoll-Markt aber überschaubar. Einige Jahre war Lenovo im 17-Zoll-Segment überhaupt nicht mehr vertreten und sind dann mit der P-Serie zurückgekehrt, weil es die Nachfrage von den Workstation-Kunden gab, aber es ist ein Nischenmarkt.
Notebookcheck: Die X1-Modelle sind nicht mehr WWAN-ready. Entweder es ist ein WWAN-Modul ab Werk verbaut oder es lässt sich nicht nachrüsten. Warum gibt es diese Einschränkung?
Michael Weigelt: Bei der ThinkPad T- und der L-Serie bemühen wir uns, die WWAN-ready Modelle anzubieten, weil wir dort auch öfter sehen, dass die Module aufgerüstet werden. Diese Geräte kommen oftmals für die breite Masse der Belegschaft zum Einsatz, und die Firmenkunden haben dann den Wunsch, die WWAN-Module für bestimmte Mitarbeitergruppen nachrüsten zu können. Bei den X1-Geräten sehen wir diesen Wunsch jedoch nicht, weshalb wir es hier nicht zum Nachrüsten anbieten.
Notebookcheck: Früher waren die ThinkPads sehr robust gebaut und fast schon „Rugged“. Mittlerweile sind die Geräte aber deutlich dünner geworden und wirken daher auch oftmals nicht mehr so widerstandsfähig. Konkurrenten wie Dell bieten beispielsweise spezielle Rugged-Versionen von einigen Laptops an, ist das auch bei Lenovo geplant?
Michael Weigelt: Die ThinkPads sind in den letzten Jahren zwar dünner geworden, aber es gab große Fortschritte bei den Materialien und es kommen auch höherwertige Materialien wie Carbon, Aluminium oder Titanium zum Einsatz, die es uns erlauben, auch sehr dünne und flache Geräte sehr robust zu machen. Genau wie früher werden alle ThinkPads nach militärischen Standards getestet und mittlerweile sind die Anforderungen und Testumfänge sogar noch gestiegen. Ein modernes und dünnes ThinkPad ist daher keinesfalls „weniger robust“ als ein ThinkPad aus dem Jahr 2010. Bei einigen Modellen, die für den Außeneinsatz in Frage kommen (z. B. X12 Detachable Windows-Tablet) bieten wir als Zubehör spezielle Schutzhüllen an, damit bei Stürzen beispielsweise auch kein kosmetischer Schaden entsteht.
Notebookcheck: ARM ist derzeit ein großes Thema, vor allem durch den Push von Apple. Microsoft arbeitet ja auch an der Unterstützung von x64-Apps. Ist da etwas von Lenovo geplant?
Michael Weigelt: Im Consumer-Bereich gab es von Lenovo ja bereits Modelle mit ARM-Prozessoren. Wir bewegen uns mit der ThinkPad-Marke aber in einem Business-Umfeld, wo Experimente generell nicht gut ankommen. Wenn es ARM-Modelle im Business-Bereich geben soll, muss das Ökosystem zuverlässig funktionieren.
Notebookcheck: War das ThinkPad 25 Anniversary Edition ein Erfolg und wird es etwas Ähnliches zum 30. Jubiläum geben? Auch die 7-reihige Tastatur wird von vielen Fans weiterhin gefordert.
Michael Weigelt: Ja es war ein Erfolg, alleine schon wegen der hohen Anzahl an Presseberichten und weil wir das Herz der ThinkPad-Fans haben höher schlagen lassen. Aus kaufmännischer Sicht sind solche Kleinserien immer problematisch, aber wir haben es gemacht, weil es eine Herzensangelegenheit für uns war.
Wir streben an, dass ein ThinkPad nicht mehr so einen „technischen Look“ hat, sondern wollen mit einem ThinkPad auch gefallen, und eines der Elemente ist die Tastatur etwas stimmiger zu gestalten. Natürlich hat der Wegfall der 7. Reihe auch Platzvorteile. Auch wir können uns dem Trend zu flacheren und leichteren Geräten nicht verwehren.
Notebookcheck: Seit 2019 haben ThinkPads keine erweiterbaren Akkus mehr – wieso hat man dieses Feature (PowerBridge) bei allen Modellen entfernt und wird diese Technologie in absehbarer Zeit nochmal zurückkommen?
Michael Weigelt: Technisch war PowerBridge ein super Konzept mit einem sehr guten Gedanken dahinter. Der Nachteil (generell bei allen austauschbaren Akkus) ist der erhöhte Platzbedarf. Daher ist das der erste Anlaufpunkt, wenn man Platz und Gewicht einsparen möchte.
Gleichzeitig ist die Qualität der Akkus in den letzten Jahren auch deutlich gestiegen und auch die Anzahl der Ladezyklen, die ein Akku bestehen muss, ist deutlich höher. Natürlich gibt es auch heutzutage noch vereinzelte Fälle, in denen Akkus defekt sind, aber es gibt in dieser Hinsicht auch keine größeren Beschwerden/Anmerkungen von Kunden.
Notebookcheck: Dell hat den Pointing-Stick bei seinen Latitude-Laptops gestrichen. Plant Lenovo etwas Vergleichbares?
Michael Weigelt: Natürlich kann keiner vorhersagen, was vielleicht in 10 Jahren passieren wird. Vielleicht haben wir dann gar keine Tastatur mehr. Es gibt aber definitiv keine Pläne, den TrackPoint bei Lenovo sterben zu lassen. Das X1 Fold ist hier eine Ausnahme, denn die ansteckbare Tastatur bietet tatsächlich keinen TrackPoint, das war aber schlichtweg der Mechanik und dem begrenzten Raum geschuldet. Bei der ThinkPad-Entwicklung in Japan arbeiten auch immer noch die gleichen Menschen, die bereits bei IBM für das Design der ThinkPads verantwortlich waren. Der TrackPoint gehört einfach zu einem ThinkPad und daher werden ThinkPads noch sehr lange mit TrackPoints ausgestattet. Zudem ist der TrackPoint für uns die ergonomischere Eingabemethode gegenüber einem Touchpad.
Wir bedanken bei Lenovo Deutschland und Michael Weigelt für das ausführliche Interview.