Nein, Apples T2-Chip ruiniert den Mac-Gebrauchtmarkt nicht
Apple zu kritisieren bringt wohl Klicks – anders lässt sich die schiere Menge an Artikeln nicht erklären, die den unten eingebetteten Tweet gerade aufgegriffen und zu einem ausführlichen Angriff auf den Konzern aus Cupertino ausgebaut haben. Aber eins nach dem anderen.
Der T2-Chip wurde erstmals im iMac Pro im Dezember 2017 verbaut, seitdem findet man ihn in den meisten Computern von Apple. Der Chip kombiniert nicht nur viele Funktionen, die zuvor separate Komponenten benötigt haben, wie den System Management Controller, den Audio-Controller oder auch den SSD-Controller, er ist vor allem auch für die Sicherheit eines Macs verantwortlich, indem beispielsweise die SSD sicher verschlüsselt werden kann.
Der Effekt des T2-Chips ist vergleichbar mit der iCloud-Sperre eines iPhone, wodurch ein Mac praktisch nutzlos wird, wenn man das Nutzer-Passwort nicht kennt. Die Daten der SSD auszulesen oder auch nur das Gerät auf die Werkseinstellungen zurückzusetzen ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. Genau wie beim iPhone lässt sich dem aber vorbeugen, indem man das Gerät einfach auf die Werkseinstellungen zurücksetzt – Apple bietet dazu eine einfache Anleitung an.
The irony is that I’d like to do the responsible thing and wipe user data from these machines, but Apple won’t let me. Literally the only option is to destroy these beautiful $3000 MacBooks and recover the $12/ea they are worth as scrap. #righttorepair pic.twitter.com/YS0FV6iBYu
— John Bumstead (@RDKLInc) April 18, 2020
Schlampige Gebrauchthändler fordern weniger Sicherheit
Das ist der Kern der Sache: Genau wie beim Verkauf eines iPhone muss das Gerät vor dem Verkauf einfach zurückgesetzt werden. Die meisten Gebrauchthändler, die alte Macs von Privatpersonen ankaufen, leisten hier gute Arbeit, indem sie den Kunden mehrmals darauf hinweisen, ihm eine einfache Anleitung zur Verfügung stellen und den vollen Betrag erst auszahlen, wenn sichergestellt wurde, dass das Gerät ordnungsgemäß zurückgesetzt wurde.
John Bumstead sieht wohl auch ein, dass sich dies mit Privatpersonen regeln lässt, denn in seinem Interview mit Vice beschwert er sich vor allem darüber, dass gebrauchte Macs, die aus Unternehmen stammen, durch den T2-Chip häufig unbrauchbar sind. Er meint dazu (frei übersetzt):
Die meisten Unternehmen, die ein Gerät verkaufen oder spenden, weigern sich, den Computer aus dem Apple Business Manager zu entfernen, selbst wenn man sie fragt. Aber auch wenn sie dazu bereit sind ist es ein absolut schrecklicher Vorgang, wegen dem Unternehmen die Computer fast lieber wegwerfen würden als sie an einen Gebrauchthändler zu verkaufen.
Also gibt es hier angeblich zwei Probleme: Unternehmen wollen ihre Macs nicht aus dem Business Manager entfernen, oder aber sie wollen aber es ist ihnen zu aufwändig. Apple hat auch dazu ein Support-Dokument parat, und darin heißt es sehr eindeutig:
Gemäß den AGB von Apple Business Manager bist du gesetzlich verpflichtet, alle Geräte zu entfernen, die dir nicht mehr gehören.
Darüber hinaus enthält das Dokument auch eine Anleitung, die gleich drei Methoden aufzeigt, wie man die Geräte entfernen kann. Kurz gesagt reicht es völlig, eine CSV-Datei hochzuladen, die eine Liste der Seriennummern aller Geräte enthält, die man ausmustert – das ist wohl kaum ein "nicht tragbarer Aufwand".
Und wenn der "arme Gebrauchthändler" trotz allem 1.000 MacBooks kauft, von denen 500 unbrauchbar sind? Dann hat die Kommunikation des Händlers versagt. Wenn sogar Privatkunden, die sich teils kaum mit Computern auskennen, ihre Macs problemlos zurücksetzen können, dann schafft es auch die IT-Abteilung eines Großunternehmens, Gebrauchthändler müssen hier nur eben genauso sauber arbeiten wie bei Endverbrauchern, das ist wohl kaum zu viel verlangt. Denn wenn Apple auf den T2-Chip verzichtet, würden alle Mac-Nutzer viel verlieren ...
Darum ist der T2-Chip großartig für Mac-Nutzer
Um die "Gegenseite" zu Wort kommen zu lassen – so beschwert sich John Bumstead bei Vice über den T2-Chip (frei übersetzt):
Wenn der vorherige Besitzer des MacBooks, das mit einem T2-Chip ausgestattet ist, dieses vor dem Verkauf nicht zurückgesetzt hat, dann kann es gar nicht mehr zurückgesetzt werden. Der Laptop ist dann nicht viel mehr als ein Briefbeschwerer. Recycler dürfen natürlich keine Laptops verkaufen, auf denen Nutzerdaten gespeichert sind. In so einem Fall muss das Gerät aber eingestampft werden, da es keine Möglichkeit gibt, darauf zuzugreifen, ohne das Passwort zu kennen.
Nur um das richtig zu verstehen: Niemand kann auf mein MacBook oder die darauf gespeicherten Daten zugreifen, ohne das Passwort zu kennen? Großartig! Denn das hat für den Nutzer gleich mehrere Vorteile. Einerseits sind die Daten sicher, wenn das Gerät gestohlen wird oder verloren geht. Andererseits können Diebe mit dem MacBook nichts anfangen.
Und dadurch sinkt sogar die Wahrscheinlichkeit, dass ein MacBook gestohlen wird: Nur zwölf Monate, nachdem die iCloud-Sperre beim iPhone eingeführt wurde, sank die Anzahl gestohlener iPhones in einigen Städten um 50 Prozent! Zumindest da hat die Publicity rund um den aufgebrachten Tweet sein Gutes – je mehr potentielle Diebe vom T2-Chip wissen, desto weniger Macs werden gestohlen.
Kritik an der falschen Stelle
Ganz frei von Kritik bleibt Apple damit aber nicht. Denn der T2-Chip verhindert einige Reparaturen, wie wir bereits im Jahr 2018 berichtet hatten. Laut Apple geht es dabei nur um sicherheitsrelevante Bauteile, wie etwa dem Touch ID-Sensor oder dem Mainboard, es gab allerdings auch Berichte, in denen sogar nicht autorisierte Display-Reparaturen vom T2-Chip erkannt wurden.
Auch hier wird aber die falsche Frage gestellt. Die Authentizität von relevanten Bauteilen zu prüfen ist nämlich ein durchaus sinnvolles Feature, vor allem wenn darin derart sensible Informationen wie Fingerabdrücke gespeichert werden. Dass Apple vielen Reparatur-Shops und auch den Kunden selbst keine Ersatzteile zur Verfügung stellt, das ist eine Diskussion, die man allerdings führen sollte.
Wer mehr Informationen zur Technik des T2-Chip möchte, für den stellt Apple ein ausführliches Whitepaper zur Verfügung.