Matter-Migration Teil 1: Unkompliziert für Neulinge, aber mit Hürden für alte Smarthomes
Im Dezember und den folgenden Monaten sind die ersten Updates rund um Matter zu erwarten. Gemeint sind damit vor allem Firmware-Updates für bestehende Endgeräte, während die Ökosysteme zumindest in Teilen schon Matter-fähig sind. Dazu gehört etwa das Apple-System und Samsungs Smartthings. Auf dem vergangenen Launch-Event der Connectivity Standards Alliance (CSA) in Amsterdam, auf dem Matter aus Endkundensicht offiziell gestartet wurde und von dem wir bereits viele Details berichteten, konnte Notebookcheck.com bereits mit einigen Anbietern sprechen.
Schon mal vorab: Die Migration wird unübersichtlich, aber nicht unbedingt kompliziert. Wer hingegen neu mit Matter einsteigt, der muss sich – wie es der Standard vorsieht – kaum noch mit Details beschäftigen.
Doch fangen wir erst einmal mit dem Grundsätzlichen an. Matter als Sprache zwischen den Geräten kann über verschiedene Funkprotokolle geführt werden. Genannt wird das dann Matter over [Technikname]. So wird Matter über das WLAN Matter over Wifi genannt. Das ist schon einmal ein wichtiger Funkstandard, der unterstützt wird. Der hat zudem den Vorteil, dass er weit verbreitet und etabliert ist. Kaum ein halbwegs moderner Haushalt ist heutzutage noch ohne WLAN unterwegs.
Nachteil der WLAN-Technik ist üblicherweise die Leistungsaufnahme. Sensoren sind selten über das WLAN angebunden. Aufgrund der Verwandtschaft gibt es zudem noch das klassische Kabelnetzwerk: Matter over Ethernet. Auch nicht unbedingt eine Technik für kleine, weit entfernte Geräte. Ein kleiner Türkontaktsensor mit RJ45-Netzwerkbuchse dürfte – wenn es ihn überhaupt gibt – sehr unpraktikabel sein.
Und damit wären wir beim vermutlich wichtigsten Funkprotokoll: Matter over Thread. Ein Standard, der Mesh beherrscht, wenig Energie benötigt aber leider nur in sehr neuen Geräten zu finden ist. Prinzipiell unterstützt Matter auch Bluetooth Low Energy alias Bluetooth Smart. Das allerdings nur für die Einrichtung der Geräte. Danach bleibt die Funkeinheit still.
Eve-Home-Upgrades lösen sich von der Redundanz
Das ist zum Beispiel bei den Eve-Smarthome-Geräten der Fall, die bis jetzt im Apple-Homekit-Universum genutzt wurden. Ab dem 12. Dezember wird es die ersten Firmware-Upgrades geben. Wie Lars Felber, PR-Chef von Eve Home, Notebookcheck.com sagte, wird das Upgrade an sich keine Probleme bereiten. Eve stellt sicher, dass bei der gesamten Migration von Homekit zu Matter alle Funktionen beibehalten werden. Die ersten Geräte sind Eve Energy, Eve Door & Window und Eve Motion, die eine Matter-Zertifizierung erhalten haben und mit dem Firmware-Upgrade dann Matter sprechen.
Allerdings können die Geräte dann nur noch Matter sprechen. Homekit wird danach nicht mehr funktionieren. Auch ein Downgrade zurück ist nicht mehr möglich. Für den Gebrauchtmarkt ist das eine interessante Hürde, denn den Geräten sieht man von Außen natürlich nicht an, welche Firmware aufgespielt wurde.
Mit dem Upgrade auf Matter wird zudem auch Bluetooth eingeschränkt. Die Eve-Home-Geräte brauchen den Standard nur noch für die Einrichtung der Geräte. Danach bleibt der Funkstandard still. Das heißt auch, dass der direkte Kontakt mit Smartphones oder dem iPad nicht mehr möglich ist. In diese Richtung bewegt sich Apple aber ohnehin entwicklungstechnisch nicht mehr. Die Hubs in der Homekit-Welt sind das Apple TV und der Homepod Mini. Reichweitenprobleme soll es mit Thread ohnehin nicht mehr geben. Deswegen ist auch der Bluetooth-Repeater von Eve mit den neuen Geräten des Herstellers obsolet geworden.
Wichtig zu wissen: Nur weil einzelne Geräte auf Matter umgestellt werden, heißt das für den Homekit-Nutzer nicht, dass die alten Geräte nun nicht mehr funktionieren. Sie bleiben Teil des Smarthomes. Ihnen fehlt nur der Kommunikationsweg über Matter. Das gilt auch für Amazon und Google. Es ist also nicht zu befürchten, dass im Zuge der Migration plötzlich ein Teil des Smarthomes ausfällt.
Interessant wird es auch im Handel. Dort werden eine Weile noch Geräte mit alter Firmware abverkauft. Laut Felber werden Verpackungen von Geräten mit Matter-Firmware ein entsprechendes Logo haben. Die lassen sich dann natürlich auch außerhalb der Apple-Welt sofort benutzen. Bei älteren Beständen im Handel braucht es hingegen erst einmal ein Update.
Hue behält die Redundanz zum Teil
Etwas anders sieht es bei der Hardware rund um Philips Hue-System aus (Signify). Wie Signify sagte, gibt es die neue Firmware für die Hue-Bridges zunächst nur für Entwickler im Betatest. Ab dem 1. Quartal 2023 soll dann die finale Version ausgerollt werden. Dies ist ein typisches Alt-Geräte-Szenario. Philips/Signify bringt laut eigenen Angaben alle Generationen des Hue-Systems in das Matter-Universum. Die Hue-Bridge macht, was sie machen soll. Als Matter-over-Ethernet-Gerät kommuniziert sie mit den Zigbee-Leuchten und stellt diese damit im ganzen Netzwerk zur Verfügung.
Je nach Ökosystem gibt es aber Unterschiede. Philips lässt im Apple-Universum die Wahl: Die Anwender können von Homekit auf Matter migrieren, müssen es aber nicht. Hintergrund ist, dass Homekit einzelne Funktionen wie Adaptive Lighting hat, die in Matter noch fehlen. Die Bridges kommunizieren also auch weiterhin per Homekit, wenn das gewünscht ist. Nur bei Neueinrichtungen ist Matter voreingestellt, so ein Signify-Sprecher.
Im Google- und Amazon-Alexa-Universum ist das etwas anders. Hier wird die Steuerung über die Cloud zwar beibehalten, allerdings nur als Redundanzebene verwendet. Sprich, wenn die Kommunikation über Matter nicht funktioniert, dann kommt der Weg über die Cloud, wie es Signify verspricht. Prinzipiell ist Matter ein lokales Smarthome-Protokoll, das keine Cloud-Anbindung vorsieht.
Google und Alexa funktionieren plötzlich auch ohne Internet
Die Notwendigkeit einer Cloud verlieren Google und Amazons Alexa also. Da Amazon ebenfalls auf der CSA-Launch-Veranstaltung in Amsterdam anwesend war, konnte das Logistikunternehmen hier etwas aufklären. Aus Sicht der Alexas wird die Redundanz bewusst beibehalten. Nach dem Firmwareupdate werden die Echo-Geräte Matter over Wifi oder über die Cloud sprechen, je nachdem welcher Kommunikationsweg gerade einfacher ist, so Amazon.
In einem detaillierten Blog-Eintrag für Entwickler verspricht Amazon 17 Echo-Geräte noch dieses Jahr zu aktualisieren. Sehr alte Hardware wird aber nicht darunter sein, wie Amazon vor Ort sagte. Die exakte Liste findet sich in der Matter-Dokumentation interessanterweise nicht. Vor Ort sagte Amazon nur, dass der allererste Echo Dot nicht unterstützt wird. The Verge hat eine genauere Liste. Der älteste Echo Dot, der unterstützt wird, gehört der dritten Generation an, der 2018 erschien.
Das dürfte als grobe Orientierung auch für zukünftige Geräte eine Hilfe sein. Im ersten Quartal soll die Liste dann nämlich auf 30 anwachsen und auch Eero-Mesh-Systeme beinhalten.
Einen Wermutstropfen gibt es jedoch erst einmal. Die Updates, die im Dezember kommen, sind zunächst nur für die Android-Gemeinde nutzbar. Die iOS-Unterstützung kommt erst Anfang 2023. Selbiges gilt für Matter over Thread.
Smartthings ohne Bridge-Funktion
Einen komplett anderen Weg geht Samsung mit Smartthings. Im Gespräch machte das Unternehmen sehr deutlich, dass man im Unterschied zu anderen Unternehmen eindeutig keine Bridge-Funktion anbietet. Der Smartthings-Hub kann zwar Matter, öffnet das Ökosystem so aber nicht. Laut Samsung muss weiter die Smartthings-App genutzt werden oder die bereits bestehende Öffnung über Google und Amazon als Cloud-Dienst.
Um die Sache etwas zu verkomplizieren, kann es also sein, dass Geräte, die über den Smartthings-Hub angebunden sind, nur teilweise offen über Matter ansprechbar sind. Das gilt etwa für über Thread angebundene Smarthome-Geräte. Nicht aber für Z-Wave- oder Zigbee-Geräte.
Im Kontext der CSA-Veranstaltung mag das verwundern, propagiert die Allianz doch die offene Kommunikation und die weitere Verwendung aller Alt-Geräte. Die Interpretation von Samsung widerspricht aber offensichtlich nicht dem, was die Allianz erlaubt, sonst wäre Smartthings wohl kaum vor Ort in Amsterdam gewesen. Im Vergleich zur Konkurrenz ist das aber überraschend einschränkend.
Was das für den Endkunden in der Praxis bedeutet, muss sich erst noch zeigen, wenn die ersten Matter-over-Thread-Geräte auch abseits von Beta-Versionen bereit sind. Außerdem ist zu erwarten, dass auch andere Unternehmen ähnliche Einschränkungen haben werden. Auch das bleibt abzuwarten, da die Dokumentation, selbst bei bereits aktivem Matter-Support, teilweise noch unzureichend ist.
Smartthing zeigte zumindest schon einmal die Funktionsfähigkeit. Demonstriert wurde das Ansprechen einer Eve-Energy-Steckdose vom Smartthings-Hub aus. Das wäre ohne Matter gar nicht möglich und erweitert damit die Anzahl der Produkte, die Smartthings-Nutzer verwenden können. Smartthings versicherte zudem, dass die Kommunikation zwischen Thread-Geräten auch ohne den Smarthings-Hub geht, selbst wenn die Einrichtung darüber lief.
Und die Alt-Geräte?
Bleibt noch die Frage, was mit den ganzen alten Smarthome-Geräten passiert, die weder Matter over Ethernet, Matter over Wifi noch Matter over Thread beherrschen. Wie zuvor bereits angedeutet sind das Geräte, die etwa per Zigbee oder Z-Wave sprechen. Ein ideales Beispiel im Sinne der CSA dafür ist Schneider Electric. Mit dem Matter-zertifizierten Wiser Gateway als Bridge wird die komplette Alt-Installation dem Matter-Universum geöffnet.
Wer hier also bereits gut ausgestattet ist, muss nur eine Bridge kaufen und kann sein System weiter nutzen und seinen Mischmasch mit anderen Geräten anderer Hersteller starten. Das geht so weit, dass über zwei Bridges beispielsweise Schneider Electric mit dem DECT-ULE-Standard etwa über AVM interoperabel wird. AVM bekannte sich bereits auf der vergangenen Ifa zu Matter und wird voraussichtlich Anfang 2023 mit der Laborphase für erste Fritzboxen anfangen.
Als Folge koordinieren sich damit Zigbee-Geräte über mehrere Übersetzer mit DECT-ULE-Geräten im lokalen Netz. Bislang war das kaum vorstellbar. 2023 wird es aber Realität.
Fazit: So richtig los geht es erst 2023
Damit sind wird auch schon beim vorläufigen Fazit, denn noch sind dies alles Trockenübungen und getestet werden könnte allenfalls mit Beta-Hardware. Die Richtung stimmt aber, denn die meisten anwesenden Firmen in Amsterdam bekannten sich sehr deutlich zu dieser neuen Offenheit. Natürlich können die hier vorgestellten Szenarien nicht jeden Fall abdecken. Von den rund 300 CSA-Mitgliedern war nur ein Bruchteil anwesend und noch weniger hatten einen Stand mit Demonstrationen.
Trotzdem dürfte Matter im nächsten Jahr vor allem Neukunden erfreuen. Die können sich gezielt nach Matter-Hardware umsehen und einen Mischmasch von verschiedenen, ehemals nicht miteinander im Smarthome kommunizierenden Unternehmen in ihr Heim bringen. Wenn die CSA und ihre Mitglieder die Versprechen einhalten, wird das keine Schwierigkeiten bereiten. Kein Vergleich zu dem, was Smarthome-Nutzer derzeit gewöhnt sind, insbesondere, wenn sie über Herstellergrenzen hinweg Lösungen suchen und installieren.
Den Weg für diese neue Welt werden aber voraussichtlich tatsächlich die Early Adopter von Smarthomes bereiten. Denn diese Kundschaft hat die Hardware, um als Erstes herumzuexperimentieren. Die alte Hardware, die zum Glück mit Matter nicht obsolet wird, wird mit neuen anderen Geräten verbunden und die Software-Lösungen ausprobiert, mit denen die Einrichtungen durchgeführt werde. Gerade in dem Bereich gab es hier und da im Gespräch mit mehreren Unternehmen noch Ungereimtheiten.
Bei der Hardware reicht hier und da aber ein Firmware-Upgrade und in anderen Fällen ist zumindest der Kauf einer Bridge oder einer moderneren Zentrale notwendig. Mehr ist aber eigentlich nicht zu machen, um teils zehn und mehr Jahre alte Hardware in Matter zu integrieren.
Seitens der Allianz hofft man diesbezüglich auch auf mehr Innovation und sinkende Preisen. Kleine Start-ups können Matter-Produkte vorstellen und müssen vergleichsweise wenig Arbeit in die Interoperabilität stecken. Gleichzeitig werden es wohl auch Anbieter schwer haben, sich ihre eigene Technik-Bubble zu sichern. Fehlende Matter-Funktionalität dürfte in Zukunft nicht gerade ein Argument für ein Gerät oder System sein. Im Angesicht einer rund 300 Mitglieder starken Allianz wäre das ein schwieriger Weg in die Zukunft.
Solche Anbieter gibt es aber durchaus. Der für seine Heizkörperthermostate bekannte Anbieter Tado ist etwa ein Beispiel. Zum Thema Matter schweigt das deutsche Unternehmen bisher komplett auf seiner Homepage. Trotzdem besteht Hoffnung einer Öffnung, denn die Tado GmbH ist, wie viele andere Firmen, Teil der Allianz.