Die Leica M11 im Kurztest: Die modernste Messsucher-Kamera der Welt bringt neue Features und Probleme
Die Leica M11 ähnelt der Leica M10 auf den ersten Blick stark – die Maße sind praktisch identisch, die Einstellräder für die Lichtempfindlichkeit des Sensors (ISO) und der Verschlusszeit wurden unverändert übernommen, genau wie der Auslöser. Auch der Messsucher, der die Leica M von allen anderen Vollformat-Kameras am Markt unterscheidet, wurde vom Vorgängermodell übernommen. Das Metallgehäuse der schwarzen Variante besteht bei der M11 aus Aluminium statt Messing, wodurch das Gewicht auf 530 Gramm sinkt, die Version in Silber besteht nach wie vor teilweise aus Messing, und bringt 640 Gramm auf die Waage.
Der Touchscreen auf der Rückseite besitzt eine höhere Auflösung, das Panel ist heller und kontrastreicher. Trotz der ähnlichen Anmutung wurde die Bedienung umfangreich überarbeitet. Denn die Leica M11 bietet drei frei belegbare Buttons: Der Knopf neben dem Auslöser, der Fn-Knopf links neben dem Display, und die Klick-Funktion des Scrollrads können mit einer Funktion nach Wunsch belegt werden, indem sie für ein paar Sekunden gedrückt werden. Das Schnellmenü erlaubt den Zugriff auf zahlreiche weitere Funktionen, während eine Favoriten-Seite im Menü frei angepasst werden kann, um auf weitere Features zugreifen zu können, ohne diese im Menü suchen zu müssen.
Das macht die Bedienung der Leica M11 deutlich angenehmer, denn die Kamera kann in vielerlei Hinsicht an die Bedürfnisse des Fotografen angepasst werden. Das grundlegende Handling bleibt aber unverändert – Autofokus fehlt, fokussiert wird ausschließlich über den Messsucher. Neu ist, dass die Kamera standardmäßig eine Mehrfeld-Belichtungsmessung einsetzt, wie fast alle modernen Kameras, sodass das gesamte Bild analysiert wird, um die korrekte Belichtung zu bestimmen. Bei der Leica M10 kam noch der klassische, mittenbetonte Belichtungsmesser zum Einsatz, eine Mehrfeld-Messung war nur mit geöffnetem Verschluss möglich, wodurch die Reaktionszeit der Kamera deutlich langsamer wurde.
Bessere Bildqualität dank 60 MP Sensor
Das Herzstück der Leica M11 ist der brandneue 60,3 Megapixel CMOS-Sensor im Kleinbild-Format. Dieser verspricht einen größeren Dynamikumfang, der unter anderem durch die niedrigere Basis-Empfindlichkeit von ISO 64 ermöglicht wird, maximal können Bilder mit ISO 50.000 aufgezeichnet werden. Der verbesserte Dynamikumfang fällt beim Bearbeiten der Fotos aus der Leica M11 schnell auf, wie das unten eingebettete Landschaftsfoto zeigt.
Schon eine einzelne RAW-Datei enthält ausreichend Daten, um eine derartige Landschaft bei Sonnenuntergang festzuhalten. Eine HDR-Kombination mehrerer Fotos lohnt sich dennoch, um einen nochmals größeren Dynamikumfang und weniger Bildrauschen in den aufgehellten Bereichen zu erhalten. Auch die Farbdarstellung profitiert von einer HDR-Kombination, denn stark aufgehellte Bereiche tendieren zu einem leichten Magenta-Stich.
Die Belichtungsmessung tendiert dazu, Fotos bei hohem Kontrast ein wenig unterzubelichten, was gerade bei Tageslicht eine gute Entscheidung ist, denn dunkle Bereiche können mühelos um mehrere Blendenstufen aufgehellt werden, ohne störendes Bildrauschen oder andere Artefakte sichtbar zu machen. Die Schärfe eines Fotos hängt vor allem vom verwendeten Objektiv ab, der Sensor ohne AA-Filter ist dazu imstande, Schärfe auf Pixel-Ebene abzubilden – solange der Nutzer richtig fokussiert.
Falls ein Bereich doch überbelichtet wird, so bietet der Sensor nur begrenzt Reserven, um im Nachgang Details sichtbar zu machen. Die helle Gebäude-Wand im Hintergrund des unten eingebetteten Fotos enthält beispielsweise keinerlei Zeichnung mehr, im Gegensatz zum Boden, der noch zu retten war. Um eine Überbelichtung verhindern, hat Leica in einem Update eine Belichtungsmessung namens "Helle Bereiche betont" nachgereicht, der die Belichtung so wählt, dass keine Spitzlichter ausreißen, auch dann, wenn das restliche Foto unterbelichtet werden muss, um das zu erreichen.
Der Sensor liefert auch bei sehr hohem Kontrast und bei wenig Licht gute Ergebnisse. Das unten eingebettete Foto wurde bei ISO 1.600 aufgezeichnet und in Capture One Pro 22 um zwei Belichtungsstufen aufgehellt, das Bildrauschen hält sich dabei in Grenzen. Je höher die Lichtempfindlichkeit, desto kleiner fällt der Dynamikumfang aus. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, nur im Notfall auf ISO 10.000 oder höher zurückzugreifen.
Bei ISO 64 reicht der Dynamikumfang dagegen aus, um selbst bei sehr hohem Kontrast in der Mittagssonne Aufnahmen zu machen, ohne sich Sorgen um etwaige Spitzlichter oder Schatten machen zu müssen.
Die Leica M11 eignet sich genau wie ihre Vorgänger nur eingeschränkt für bestimmte Einsatzzwecke – ohne Autofokus können Sportveranstaltungen kaum zuverlässig fotografiert werden, lange Tele-Objektive existieren für das M-Bajonett schlicht nicht. Der Nutzung in einem Studio steht nur die etwas eingeschränkte Auswahl an Blitzsystemen im Wege, mittlerweile werden aber sogar Makro-Objektive mit Messsucher-Kopplung von Drittanbietern angeboten. Die maximale Verschlusszeit bei hohen ISO-Werten wurde erweitert, sodass sich die Leica M11 nun auch für Landschaftsfotos bei Nacht eignet.
Gute Akkulaufzeit – solange der Messsucher benutzt wird
Die Leica M11 besitzt einen deutlich größeren Akku als noch die Leica M10 – die Kapazität wächst von 1.100 mAh (8,2 Wh) auf 1.800 mAh (13,32 Wh), womit der Akku gleich groß ist wie bei der dickeren und schwereren Leica M (Typ 240). Laut der technischen Daten von Leica kann die Leica M11 mit nur einer Akkuladung 1.700 Fotos aufnehmen, oder aber 700 Bilder nach dem CIPA-Standard. In der Praxis hängt die Laufzeit vor allem davon ab, ob der elektronische Sucher, Live View auf dem Display oder aber die WLAN-Verbindung zum Smartphone genutzt werden.
Wer all diese Features nutzt, der muss den Akku nach nur rund zwei Stunden Nutzung tauschen. Wer ein eintägiges Event mit dem elektronischen Sucher fotografiert, der benötigt mindestens zwei Ersatzakkus – ein teurer Spaß, denn der passende Leica BP-SCL7 kostet 160 Euro. Wer Geld sparen oder leicht reisen möchte, für den gibt es allerdings eine neue Alternative zu Ersatzakkus, denn die Leica M11 kann als erste Leica M Kamera über einen USB-C-Anschluss geladen werden, der sich auf der Unterseite befindet. So ist es möglich, die Kamera zu verwenden, während sie durch ein USB-Kabel mit einer Power Bank in der Hosentasche verbunden ist.
Der elektronische Verschluss ist praktisch, macht aber Probleme
Die Leica M11 bietet Nutzern zwei Verschluss-Optionen. Genau wie bei der Leica M10 steht ein mechanischer Verschluss zur Verfügung, der eine Verschlusszeit von 1/4.000s erreicht, und der recht leise, aber durchaus hörbar ist. Neu ist der elektronische Verschluss, durch den eine Verschlusszeit bis 1/16.000s erzielt wird. Dabei wird der Sensor Pixel für Pixel ausgelesen, ähnlich wie bei einer Smartphone-Kamera, wodurch die Leica M11 komplett geräuschlos arbeiten kann.
Den gesamten Sensor auszulesen, dauert allerdings ein Zehntel einer Sekunde, unabhängig davon, welche Verschlusszeit ausgewählt wurde. So wird zwar jeder Pixel nur für die gewählte Verschlusszeit belichtet, da die Pixel allerdings Reihe für Reihe und damit zeitversetzt ausgelesen werden, ergeben sich mehrere Probleme. Wie das unten eingebettete Foto zeigt, können unschöne Linien zu sehen sein, wenn sich das Licht innerhalb der Zehntel Sekunde verändert, welche die Kamera zum Auslesen des Sensors benötigt.
Bewegt sich ein Objekt zu schnell, so kann dieses verzerrt abgebildet werden. Fotografen sollten daher aufpassen, in welchen Situationen der elektronische Verschluss genutzt wird – bei Konzerten ist dieser unbrauchbar, in den meisten Situationen wird die Bildqualität allerdings nicht beeinträchtigt. Abgesehen vom geräuschlosen Betrieb und von der kürzeren Verschlusszeit, die durch den elektronischen Verschluss ermöglicht werden, gibt es ohne bewegliche Komponenten auch keinen Verschleiß, sodass die Lebensdauer der Kamera potenziell verlängert werden kann.
Mobiles iPhone- & iPad-Tethering dank App
Die Leica M11 kann dank der zugehörigen Fotos-App mit einem iPhone oder einem iPad verbunden werden. Die App erlaubt es, einige Einstellungen anzupassen, Fotos von der Kamera zu übertragen, die Firmware der Leica M11 zu aktualisieren und die Kamera auszulösen. Aktuell sollten Nutzer dazu allerdings auf ein USB-C-Kabel zurückgreifen, denn die drahtlose Verbindung ist weder schnell noch zuverlässig genug.
Leica verspricht Besserung: Im Herbst wird ein Update veröffentlicht, durch welches die Leica M11 auf Wi-Fi 5 (802.11ac) zugreifen kann, inklusive 5 GHz Kanal, während die Kamera bisher nur mit Wi-Fi 4 (802.11n) auf 2,4 GHz funkt.
Fazit
Die Leica M11 ist die wahrscheinlich beste digitale Messsucherkamera, die je auf den Markt gekommen ist. Der 60 MP Vollformat-Sensor erlaubt sich keine Schwächen, die Verarbeitung sucht ihresgleichen, die Bedienung wurde im Vergleich zur Leica M10 weiter verbessert. Der USB-C-Port ist eine echte Bereicherung für schnelleres Tethering und einfacheres Aufladen unterwegs.
Die 64 GB integrierter Speicher sind praktisch, aber schlicht zu klein dimensioniert, um einen zweiten SD-Kartenslot ersetzen zu können. Die WLAN-Verbindung zum iPhone und iPad ist nicht besonders zuverlässig. Der elektronische Verschluss führt unter bestimmten Umständen zu schweren Bildfehlern.
Neben diesen technischen Problemen bleiben die Einschränkungen einer Messsucher-Kamera erhalten – kein Autofokus, keine langen Tele-Objektive, und kein Messsucher-Fokus in einer Distanz von unter 70 Zentimetern, wer näher am Motiv ist, muss auf das Display oder den elektronischen Sucher zurückgreifen. Diese Einschränkungen gelten aber für alle Messsucher-Kameras am Markt. Wer eine Messsucher-Kamera haben möchte, und mit den genannten Problemen und Einschränkungen leben kann, der wird derzeit keine bessere Kamera als die Leica M11 finden.
Alternativen zur Leica M11
Die Leica M11 mag die wahrscheinlich beste Messsucher-Kamera der Welt sein, mit einem Listenpreis, der kürzlich auf 8.750 Euro erhöht wurde, plus 725 Euro für den elektronischen Sucher und 160 Euro für einen Ersatzakku, ist die Kamera aber alles andere als günstig. Wer einen Messsucher möchte, für den gibt es aber kaum Alternativen. Abseits von Leica gibt es derzeit nur ein Unternehmen, das Messsucher-Kameras herstellt – Pixii.
Die Pixii ist ab 2.499 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer erhältlich. Für diesen Preis müssen Käufer aber eine ganze Reihe an Kompromissen in Kauf nehmen, allen voran den 26 MP Sensor im APS-C-Format, der zwar eine passable Qualität bietet, aber eben nicht den vollen Bildkreis von Leica M-Objektiven nutzen kann. Die Pixii verzichtet darüber hinaus auf ein Display, einen SD-Kartenleser (zugunsten internem Speicher), und auf einen optionalen elektronischen Aufstecksucher.
Abgesehen von der Pixii bleibt Messsucher-Enthusiasten nur die Option, eine ältere Leica M zu kaufen. Die Leica M10 kostet auch fünfeinhalb Jahre nach ihrem Launch noch 6.850 Euro, im Gebrauchtmarkt ist die Kamera in gutem Zustand aber schon unter 4.000 Euro zu finden. Die Leica M10 ist damit nach wie vor eine interessante Option für Messsucher-Einsteiger, die auf den besseren Sensor, das überarbeitete Bedienkonzept, den USB-C-Port und die übrigen Neuerungen der Leica M11 verzichten können.
Der Vorgänger der Leica M10, die Leica M (Typ 240), ist gebraucht schon für rund 2.500 Euro zu bekommen. Der ältere 24 MP CMOS-Sensor ist aber nur bis maximal ISO 3.200 zu gebrauchen, und auch ansonsten gibt es einige Nachteile verglichen mit der Leica M10, wie das dickere Gehäuse, das fehlende ISO-Einstellrad, die massiven Verzögerungen bei der Nutzung des Live View, oder auch dem für heutige Verhältnisse nicht sonderlich guten elektronischen Aufstecksucher.
Quelle(n)
Eigene