Deutschlandticket: Eklatanter Chipkartenmangel für Nahverkehrskarten
Für die Einführung des Deutschlandtickets wird es nicht genug Chipkarten geben. Das geht unter anderem aus einem Bericht der Berliner Zeitung hervor sowie weiteren Informationen, die Notebookcheck.com bekannt sind. Konkret heißt es im Bericht, dass man in Berlin nicht vor Herbst 2023 mit einer Entspannung der Liefersituation rechnet.
Vor allem für technisch weniger versierte Kundschaft oder auch jene, die nicht das Risiko eines leeren Akkus eingehen wollen, braucht es aber eigentlich Chipkarten. Die werden normalerweise gemeinsam in der Industrie über die VDV eTicket Service GmbH bestellt.
Laut der deutschen Bundesregierung soll das Deutschlandticket zum 1. Mai eigentlich nur Digital angeboten werden. Die Chipkarte sollte das Problem für jene lösen, die kein Smartphone haben. Die Bundesregierung informierte sich jedoch erst sehr spät über die Infrastruktur und den Stand der Digitalisierung im Nahverkehr, sodass eine Ausnahmeregelung bis spätestens 31. Dezember 2023 beschlossen wurde: Auch (ausgedruckte) QR-Codes sind erst einmal zulässig.
Gerade für kleine Verkehrsbetriebe, manche von ihnen, wie etwa die Schöneicher-Rüdersdorfer-Straßenbahn haben nicht einmal ein Dutzend Fahrzeuge und einen günstigen Haustarif, stellt die nun hektische Digitalisierung vor Probleme. Sie müssten eigentlich bis zum 1. Mai 2023 die Infrastruktur für Chipkarten aufbauen. Das gilt für Software, Kontrollgeräte, die Chipkarten, aber auch Ausgabemechanismen. Selbst große Verkehrbetriebe, wie die MVG in München, werden erst im Sommer Chipkarten anbieten können.
VDV Kernapplikation als Alternative für Smartphones
In Deutschland wird ein nationales Smartticket-System genutzt. Das E-Ticket Deutschland, auch bekannt unter dem sperrigen Namen VDV Kernapplikation, setzt auf eine äußerst umfangreiche Spezifikation, die selbst für Verkehrsbetriebe oft zu komplex ist. Das gilt insbesondere für die deutschlandweite Umsetzung, die erstmals mit dem 9-Euro-Ticket teilweise genutzt wurde.
Hinzu kommt, dass Karten des E-Ticket Deutschland langsam sind, vor allem im Vergleich zu internationalen Systemen wie Oyster (London), OV-Chipkaart (Niederlande), Tap (Los Angeles), Octopus (Hong Kong), Easycard (Taiwan), Namane & T-Money (Seoul & Umgebung) oder den besonders schnellen Felica-Systemen in Japan (Suica, Pasmo, Icoca, Hayakaken, etc.). Allen diesen Karten gemein ist, dass die Bevölkerung und Unternehmen teilweise schon seit Jahrzehnten an diese Art der Digitalisierung gewöhnt sind und die Karten weit verbreitet sind.
Dies soll nun nachgeholt werden. "Die Digitalisierung bietet die Chance, die öffentlichen Verkehrsdienstleistungen für die Menschen attraktiver und passgenauer zu gestalten.", heißt es seitens der Bundesregierung. "Gerade in der ÖPNV-Branche besteht hier ein großer Nachholbedarf. Ein digitales Deutschlandticket ist ein wichtiger Schritt für die weitere Digitalisierung des Sektors."
Im Unterschied zur Konkurrenz, wo die Chipkarten teilweise sogar einfach am Automaten gekauft werden können, ist das E-Ticket Deutschland insbesondere bei Gelegenheitskunden kaum verbreitet. Auch die Infrastruktur für den Verkauf von Smarttickets per Automat fehlt in Deutschland. Insgesamt soll es in Deutschland rund 16,2 Millionen E-Ticket-Deutschland-Chipkarten geben. Zu beachten ist bei der Statistik allerdings, dass die Karten spätestens nach fünf Jahren ausgetauscht werden müssen. Die ersten E-Tickets im RMV-Gebiet mussten 2016 gar nach 20 Monaten ausgetauscht werden.
In Deutschland haben sich zudem Konkurrenzsysteme etabliert. Die Berliner BVG setzt etwa auf die Guthabenkarte, die allerdings nicht bei der Berliner S-Bahn funktioniert. In Mainz gibt es eine neue, auf veraltete Magnetstreifen basierende Prepaid-Karte. Auch hier gilt: die Mainzer Karte kann nicht in allen Fahrzeugen des ÖPNV in Mainz verwendet werden. Sowohl Berlin wie auch Mainz sind eigentlich E-Ticket-Deutschland-Territorium (RMV und VBB), welches spezifikationsseitig auch Guthaben unterstützt. Umgesetzt wurde das etwa im Bodo-Verkehrsverbund (Bodo eCard). Große Verbünde wie der RMV oder der VBB waren dazu bisher nicht in der Lage dies im E-Ticket Deutschland umzusetzen, obwohl es die Funktion bereits seit 2006 gibt, sodass sich die Gelegenheit für die Entwicklung von zueinander inkompatiblen Kleinsystemen bot.
Das E-Ticket Deutschland soll ab 2026 auch international vermarktet werden und wird dann als Version 3.0 mit dem Namen Eticore vermarktet. 2031 soll Eticore dann die VDV KA ersetzen.
Quelle(n)
Berliner Zeitung & Eigene Recherchen