ÖPNV: Mainzer führen neues, aber veraltetes Bezahlsystem mit Magnetstreifen ein
Nach langer Wartezeit ist nun auch für Mainz besuchende Touristen die Prepaid-Karte für die dortigen Verkehrsbetriebe verfügbar. Doch im Unterschied zur bargeldlosen Lösung innerhalb des Verbunds ist das Mainzer System veraltet. Dabei geben sich die Mainzer Verkehrsgesellschaft und damit auch die Mainzer Stadtwerke besonders "innovativ und zukunftsorientiert", wie es in der Ankündigungspressemitteilung heißt.
Die Prepaid-Bezahlkarte wurde schon im Oktober 2021 angekündigt und sollte dann noch im selben Jahr verfügbar sein. Die offizielle Pressemitteilung wurde zwischenzeitlich verändert. Es gibt aber keinen Hinweis, dass die Pressemitteilung überarbeitet wurde und nun das erste Quartal 2022 als Startdatum nennt.
Notebookcheck erfuhr von der Veränderung auch, als wir in Mainz am 28. Dezember 2021 versuchten eine der Karten, die laut Pressemitteilung angeblich schon erhältlich waren, zu erwerben. Damals erfuhren wir, dass die Einführung verschoben wurde. Ein Datum kannte das Personal vor Ort allerdings nicht und kommuniziert wurde die Verschiebung von den Verkehrsbetrieben damals ebenfalls nicht.
Auch vor einigen Wochen, also im dritten Quartal, war die Karte im Kundenzentrum noch nicht verfügbar. Das Verkaufspersonal gab an, dass das Softwaresytem noch nicht so weit war. Immerhin sollte man die Karte wohl schon online bestellen können.
Eine "moderne" Karte gegen Bargeld
Am heutigen Montag, den 22. August 2022 gelang es uns, eine entsprechende Karte direkt vor Ort zu erwerben. Für 15 Euro bekommt man eine als modern beworbene Karte. Doch beim Versuch per Android die darunter liegende Technik zu scannen, scheiterten wir. Die Karte kann weder über NFC-/RFID-Scansoftware noch per EMV-Scanner (Bankkarten) ausgelesen werden. Sie meldet sich nicht.
Ein paar Gegenproben mit einer Kreditkarte und einem E-Ticket Deutschland später war klar: Die Karte ist nicht modern. Sie arbeitet ausschließlich mit einem Magnetstreifen. Die Mainzer Verkehrsgesellschaft hat sich für ein System entschieden, welches bei Bezahlkarten kaum noch eine Bedeutung hat. Das heißt auch, dass sie in Zukunft Bezahlterminals immer mit Magnetkartenleser bestellen müssen, sollte ein neues installiert werden müssen. Sei es bei der Straßenbahn oder auch im Bus.
Die Prepaid-Karten selbst bieten wenige Komfortfunktionen an und einige Nachteile. Zu den Vorteilen gehört die Möglichkeit, die Karte online aufzuladen werden. Auch im Kundenzentrum ist das möglich.
Die Nachteile sind allerdings deutlich. Am typischen Automaten funktionieren die Karten nicht. Weder kann die Karte dort aufgeladen noch das Guthaben verwendet werden. Auch im Kundenzentrum kann Guthaben der Karte nicht verwendet werden. Zudem lässt sich eine Karte bei Verlust nicht sperren. Die Karte selbst ist übrigens keine gewöhnliche Plastikkarte. Es ist eine Blue Card von Novo, die teilweise aus nachhaltigen Rohstoffen produziert wird (PDF).
Im Zuge der Einführung der Prepaid-Karte wurde auch die Bargeldzahlung teilweise in Mainz abgeschafft, so die Pressemitteilung. Laut dem Unternehmen wurde die Bargeldzahlung bereits zum 1. Juni in Bussen und Straßenbahnen abgeschafft. Die Mainzer Verkehrsbetriebe widersprechen sich aber beim Bus. "In unseren Bussen können Sie seit dem 10. Januar beide Zahlarten nutzen, bar und unbar." heißt es in der aktuellen FAQ.
In jedem Falle reduziert sich der Aufwand der Bargeldabwicklung für das Verkehrsunternehmen. Allerdings kann nicht jeder bargeldlose Zahlungsmittel verwenden.
Notwendiges Ersatzsystem für das Bargeld
Die Prepaid-Karte ist also auch ein Ersatz für jene, die etwa kein Bankkonto bekommen können. Darunter fallen beispielsweise Kinder aber auch Menschen, die durch gesellschaftliche Raster fallen. Auch für einige Touristen ist die Karte notwendig, denn das Mainzer System für bargeldloses Zahlen hat einige Einschränkungen.
Es ist zwar möglich mit anderen kontaktlosen Karten zu bezahlen, doch die Unterstützung ist eingeschränkt. Die Mainzer nennen etwa die Girocard (vom Verkehrsbetrieb öfter fälschlicherweise EC-Karte genannt). Außerdem wird pauschal von Kreditkarten und kontaktlosen Handyzahlungssystemen gesprochen.
In der FAQ gibt es dazu weitere Angaben. Als Kreditkarten werden nur Master Card und Visa unterstützt. Keine Angaben gibt es zu Maestro, V Pay (beide üblicherweise im Co-Badge mit Girocard) oder Master Card Debit- und Prepaid-Karten. Funktionieren sollen außerdem auch alle kontaktlosen Handyzahlungssysteme. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass American Express, die chinesische Union Pay und etwa die japanischen JCB-Kreditkarten über Apple und Google Pay funktionieren. Dann würden nämlich auch die Kreditkarten unterstützt, die zuvor nicht erwähnt wurden.
Ein weiteres Problem: Die Mainzer Prepaid-Karte funktioniert natürlich nur bei der Mainzer Verkehrsgesellschaft. Busse, die etwa aus dem benachbarten Wiesbaden kommen, können mit dem System nichts anfangen. Selbiges gilt für den S-Bahn-Verkehr innerhalb von Mainz.
Und die Prepaid-Karte ist nicht das einzige Kartensystem in Mainz und Umgebung. Als Teil des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) lässt sich auch das VDV E-Ticket Deutschland des RMV in Mainz verwenden. Allerdings nur als elektronischer Fahrschein (EFS). Dieses System arbeitet kontaktlos und muss der Mainzer Betrieb ohnehin unterstützen. Das E-Ticket Deutschland kann prinzipiell aber auch als Bezahlsystem verwendet werden, wie dies etwa im Bodo-Verbund am Bodensee gehandhabt wird.
"Im Laufe des Dezembers wird in den Fahrzeugen dann auch das bargeldlose Bezahlen mit der neuen Prepaid-Bezahlkarte der Mainzer Mobilität möglich sein" https://t.co/DNzaGzZEkt
— ReNa ⬅️ (@regnerischerTag) December 16, 2021