Das Ende: Huawei will nie wieder zurück zu Google und setzt voll auf eigenes Ökosystem
Es ist schon eine veritable Sensation, die der Huawei Country-Manager des vergleichsweise kleinen Landes Österreich, Fei Wang, gegenüber der Presse heute in Wien verkündete. Die anfangs sehr schmerzhaften Erfahrungen der letzten Monate haben im Huawei-Management offenbar zu einer sehr selbstbewussten Entscheidung geführt, die für Huawei-Fans auch im unwahrscheinlichen Fall eines Endes der US-Sanktionen, Konsequenzen haben werden.
Nie wieder mit Google!
Ein Zurück zu Google und seinen Apps und Services sei ausgeschlossen, betonte der Huawei-Manager, stattdessen setze Huawei voll auf sein wachsendes Ökosystem aus Huawei Mobile Services und der Play Store-Alternative App Gallery, mit der auch der Heimatmarkt in China bedient wird. Drei Milliarden US-Dollar Budget hat Huawei für den Ausbau der Huawei Mobile Services (HMS) alleine in 2020 bereit gestellt, dazu soll eine weitere Milliarde für das internationale Marketing außerhalb Chinas flüssig gemacht werden.
Huawei Mobile Services
Die wird auch nötig sein, denn die meisten Smartphone-Käufer werden sich nicht so leicht davon überzeugen lassen auf Google komplett zu verzichten. Auch die App-Entwickler müssen mitspielen, damit dieser Plan aufgeht - ihre Apps müssen nicht nur zusätzlich zum Play Store auch in der App Gallery veröffentlicht werden, sie müssen auch angepasst werden, um parallel zu den Google Mobile Services auch mit den Infrastrukturdiensten von Huawei zusammenzuarbeiten, etwa für Location-Services, das Login oder die Einbindung digitaler Karten.
Proxy für US-Entwickler
Bis dato sind die verfügbaren mobilen Dienste von Huawei noch keine wirkliche Alternative zu den etwa 60 Services, die Google anbietet, vorerst 24 davon baut Huawei aber so gut als möglich nach, um die wichtigsten Schnittstellen abzudecken. Da es ohne US-Apps wie Facebook, Whatsapp, Instagram und Co. nicht gehen wird, hat Huawei zudem eine Art Zwischenhändler in Europa eingerichtet, mit der Entwickler in den USA, den Bann umgehen und Verträge abschließen können.
Informationskampagne
Den hohen Marktanteil, den Huawei 2019 in Österreich und dem Rest von Europa 2019 großteils noch halten konnte, wird man 2020 wohl nicht mehr erreichen - das ist auch dem Management in China bewusst. Dennoch sieht der Konzern offenbar keine anderen Alternativen um sich aus der Abhängigkeit der USA zu befreien. Kunden, die sich auf künftige Huawei-Smartphones ohne Google, etwa auf das im Februar auch in Österreich startende Mate 30 Pro und die P40-Serie Ende März einlassen wollen, will Huawei mittels Informationskampagne und geschultem Verkaufspersonal aufklären.
Google-Monopol in Gefahr
Der selbstbewusste Weg, den Huawei offenbar einschlagen will, könnte langfristig vor allem einem schaden: Google. Bis dato haben die US-Amerikaner den Android-Markt außerhalb Chinas fest im Griff, kaum ein größerer Hersteller traute sich ohne die praktisch unverzichtbaren Google-Services auf den Markt. Falls Huawei mit seiner Strategie langfristig erfolgreich ist, hätte der US-Bann von Donald Trump ironischerweise zu mehr Vielfalt im Android-Bereich geführt und den Handelsgegener China auf Kosten eines US-Konzerns gestärkt. Die Frage ist nur, ob es wirklich soweit kommt oder ob Huawei trotz aller Bemühungen international an Bedeutung verliert.
Update 31.01 Dementis
Wie im Anschluss zur Veröffentlichung dieses Artikels bekannt wurde (mittlerweile erweiterte auch Der Standard seine ursprüngliche Meldung), scheint Huawei in dieser Sache international noch keine klare Linie gefunden zu haben. Der Huawei-Manager in den Niederlanden ließ verkünden, dass Huawei sehr wohl wieder Google-Services installieren würde. Gegenüber t3n erklärte Huawei Deutschland, dass sich an der Position des Konzerns nichts geändert habe und Huawei weiter mit Google zusammenarbeiten wolle, was allerdings nicht unbedingt als Dementi interpretiert werden kann, beispielsweise, weil Huawei für ältere Geräte Updates benötigt.
Auch international schlug die Nachricht aus Österreich große Wellen, weswegen sich Standard-Autor Andreas Proschofsky bemüssigt fühlte, via Twitter die Erklärung nachzureichen, dass die Interpretation von Huawei Österreich eindeutig gewesen wäre, er habe mehrere Male nachgefragt:
Just as a note for others who read this. There was no wiggle room in what Huawei told me, I asked them several times (as I was rather surprised myself) and they insisted on not going back to Google - even if the US ban falls.
— Andreas Proschofsky (@suka_hiroaki) January 30, 2020
Gegenüber dem US-Magazin "The Verge" erklärte Huawei, dass die erste Wahl des Konzerns ein offenes Android inklusive Google-Services wäre - etwas, das Huawei ermöglicht hätte Platz 2 im weltweiten Smartphone-Ranking zu erobern. Letztlich interpretieren wir die unterschiedlichen Standpunkte einzelner Manager so, dass Huawei in dieser Sache zwar gespalten ist, aber doch Chancen sieht, trotz US-Bann erfolgreich zu sein und Stärke zu signalisieren. Angesichts der Tatsache, dass Google trotz entsprechender Ankündigungen von US-Präsident Trump bis heute keine permanente Handelslizenz erhalten hat, um seine Services weiter an Huawei zu liefern, ist durchaus nachvollziehbar, dass die Chinesen über die Medien vielleicht auch ein wenig Druck machen wollen.
Update 01.02: Huawei Deutschland
Uns liegt nun ebenfalls noch ein offizielles Statement von Huawei Deutschland vor, welches wir unten im Wortlaut wiedergeben wollen. Womit wir nicht ganz einverstanden sind, ist der Spin, dass es sich hierbei um "Spekulationen und Gerüchte" handelte - laut Standard-Redakteur waren es dagegen mehrmals wiederholte Aussagen eines offiziellen Huawei-Country-Managers. Wie dem auch sei, hier das offizielle Statement von Huawei Deutschland im Wortlaut:
Gestern sind aufgrund eines Artikels aus Österreich Spekulationen und Gerüchte entstanden, die nicht wahrheitsgetreu sind. Dazu wollen wir einmal kurz mit diesem offiziellen Statement Stellung nehmen: „Ein offenes Android-System sowie Ökosystem ist nach wie vor die erste Wahl von HUAWEI. Wird uns die Nutzung davon allerdings verwehrt, sind wir in der Lage ein eigenes Betriebs- und Ökosystem zu entwickeln.“