Warum der Apple Pay Express Mode mit Bezahlkarten bei manchen ÖPNV-Anbietern nicht funktioniert
Wer Apple Pay im ÖPNV benutzt hat, dem ist es vielleicht schon aufgefallen. Express Mode funktioniert – wenn überhaupt – immer nur mit einem Kartenschema: entweder das des ÖPNV-Systems oder die Kreditkarte sowie Debitkarte und Prepaidkarte.
Sprich akzeptiert ein ÖPNV-Betrieb den Express Mode mit seiner eigenen ausgegebenen (nativen) Karte unter Apple Pay, dann kann weder Mastercard noch Visa noch eine andere EMV-Bezahlkarte für den Express Mode eingesetzt werden. Andersrum gilt das genauso, beherrscht der ÖPNV-Betrieb Express Mode mit Bezahlkarten, dann gibt es keinen Express Mode für die heimischen nativen E-Tickets.
Wie Ata Distance erklärt, ist das gleichzeitige Anbieten im Kontext von EMV- und Mifare-Kartensystemen oder auch reinen EMV-Systemen ein grundsätzliches Problem und nennt ein paar Beispiele. So ist das Omny-Smartticket-System in New York City etwa ein Ticket-System, bei dem Kredit- oder Debitkarte als Bezahlsystem im Express Mode genutzt werden kann. Doch technisch ist es nicht möglich eine Omny-Karte im per Apple Pay Express Mode zu nutzen. Dabei ist Omny technisch gesehen eigentlich eine Debitkarte. Versuche, Omny überhaupt aufs iPhone zu bringen, sind seltsamerweise bisher ganz gescheitert.
Anders herum ist das Hop-Smartticket, das System in Portland, Oregon, in der Lage, die native Mifare-Karte im Express Mode zu nutzen. Doch obwohl die Lesegeräte EMV-kompatibel sind, sprich Kredit- und Debitkarten kontaktlos an die Lesegeräte gehalten werden können, funktioniert dies nur manuell nach Autorisierung auf einem iPhone. Der Express Mode ohne Autorisierung wird nicht unterstützt. Dadurch ist es mitunter schneller, einfach die Plastikkreditkarte zu zücken.
Eine Besonderheit ist dabei Chicagos Ventra-System. Denn das System arbeitet auf EMV-Basis. Früher hat der Verkehrsbetrieb Mastercards ausgegeben, die als Nahverkehrskarte genutzt werden konnten. Chicago nutzt EMV noch für die digitale native Karte beispielsweise in der Apple Wallet, die per Express Mode genutzt werden kann. Als Folge kann in solchen Systemen aber keine andere andere EMV-Karte als Express Mode genutzt werden.
Eine Vereinfachung auf ein System ist allerdings auch nicht einfach, wie Omny gezeigt hat. Normalerweise ist es mit Bezahlkarten nicht möglich, Rabatte zu speichern. Auch bestimmte Ticketarten lassen sich nicht auf einer Kreditkarte speichern. In der Regel haben Verkehrsbetriebe deswegen mindestens zwei Systeme.
Es gibt aber Ausnahmen. In Chicago wurden früher Mastercards als Ventra ausgegeben, was jedoch so problematisch war, dass das System umgestellt wurde. Auch in Europa gibt es Mastercards als Fahrscheine. So ist die Brno-ID der tschechischen Stadt Brno ein Beispiel. Es ist eine der wenigen Situationen, wo über eine Bezahlkarte auch Rabatte, etwa für Kinder oder Fahrgäste im Rentenalter gespeichert werden kann. Brno erlaubt sogar die Nutzung einer virtuellen Bankkarte (Apple Pay/Google Pay) als Träger einer Brno-ID. Dafür muss man seine virtuelle Karte aber mit einer gesonderten App (nur .apk) und einem zweiten Smartphone scannen.
Die Stadt Brno ist allerdings sonst im Kontext der Nahverkehrsunterstützung durch Apple direkt vermutlich zu klein. Apples Bemühungen konzentrieren sich normalerweise auf große Städte. Die Frage nach einem Express Mode für iPhones stellt sich daher in Brno nicht.
In Toronto soll Express Mode mit beiden Systemen funktionieren
Das Express-Mode-Problem wird nun aber anscheinend gelöst, wie Ata Distance berichtet: Innerhalb des Presto-Kartensystems in Ontario, Kanada lässt sich der Express Mode nämlich sowohl für die native Presto Karte und bald auch für EMV-Bezahlungen aktivieren. Es wäre das erste System dieser Art und deckt mit dem Grroßraum Toronto auch viele Menschen ab.
Hintergrund ist, dass es im Presto-System offenbar erstmals gelungen ist Closed-Loop-Systeme, also in der Kontrolle der Verkehrsbetriebe, und Open-Loop-Systeme (in diesem Kontext in der Kontrolle der Banken) soweit in Harmonie zu bringen, dass beides im Express Mode funktioniert. Presto selbst ist ein Mifare-System und bleibt es auch über Apple Pay (NFC Card Emulation Mode für Mifare). Bezahlkarten arbeiten hingegen mit EMV (ebenfalls Card Emulation).
Das dieser Mix aus zwei Kartensystemen reine EMV-Systeme wie Omny und Ventra überholt, ist in jedem Fall interessant. Laut Ata Distance ist es im EMV-Kontext nicht einfach zu erkennen, welche Karte verwendet werden soll: Die des Verkehrsbetriebs oder die der Bank. Es kommt dann zu einem sogenannten Card Clash. Das kennt man aus London, wo es explizite Warnhinweise gibt, dass zwei kontaktlose Plastikkarten nicht übereinander gehalten werden sollen. In Japan ist das übrigens prinzipiell möglich. Sogenanntes Card Stacking ist in Verbindung mit der EX-IC und anderen IC-Karten (Suica, Pasmo) möglich (PDF). Allgemein sind EMV-Karten als Closed-Loop-Karten laut Ata Distance problematisch.
Das Beispiel in Toronto gibt Hoffnung, dass in Zukunft mehrere Systeme Express Mode sowohl mit der nativen Karte als auch einer Bezahlkarte unterstützen. Einem älteren Ata-Distance-Beitrag zufolge wären das etwa auch mit San Franciscos (Bay Area) Clipper-Karte möglich, da man dort gerade an Open Loop arbeitet. Ata Distance selbst glaubt aber nicht an eine Umsetzung, weil dafür die Lesegeräte ein Update brauchen. Smarttrip und Hop würden als Mifare-Systeme theoretisch auch infrage kommen.
Übrigens gibt es seit kurzem erstmals in Europa ein natives E-Ticket mit der Unterstützung des Express Mode. Apple und Île-de-France Mobilités haben die Navigo-Karte für Paris und Umgebung rechtzeitig zu den Olympischen Spielen für Apple Pay freigegeben. Die Suche nach einem Fahrkartenautomaten und das Erwerben einer Navigo-Karte kann so entfallen, da sich die Karte auch ohne App und ohne Account direkt in die Wallet des iPhones (oder der Apple Watch) integrieren lässt.
Welche Systeme Express Mode über native Karten oder über Bezahlkarten unterstützen, listet Apple übrigens in einem gesonderten Support-Dokument auf. Die Navigo-Karte und Presto fehlen hier aber noch. Zudem ist die Liste insbesondere was das Zahlen per EMV angeht, nicht vollständig. In der Regel gilt: Nimmt ein System kontaktlose Bezahlkarten an (EMV Contactless, erkennbar an dem Wellensymbol), dann funktioniert auch das Bezahlen per NFC Card Emulation mit einem Smartphone.