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Meinung | Von Videospielen und Filmen zur Rekrutierung: Militarisierung unserer Jugend durch Kriegspropaganda in Print und Film

Level Up Your Life: Vom Videospiel zur echten Rekrutierung
Level Up Your Life: Vom Videospiel zur echten Rekrutierung
Jahrelang mussten sich Games-Magazine von echter Gewalt mit der Waffe, vor allem nach Selbstmordattentaten und dergleichen abgrenzen. Im aktuellen Heft schaltet ein Spielemagazin hingegen eine Anzeige für die Bundeswehr. Auch vor Blockbustern im Kino sehen wir immer mehr Armeewerbung. Die gezielte Beeinflussung und Militarisierung unserer Jugend über Medien wie Games und Kino sollte uns allen zu denken geben und Gegenwehr wecken.
Kommentar-Artikel geben ausschließlich die individuelle Meinung des/der angeführten Autors/Autorin wieder.

Letztens im Kino

Nosferatu (FSK 16), das Remake eines, nein des Vampirklassikers. Es ist immer interessant zu sehen, welche Kinowerbung im Vorfeld gezeigt wird, weil die Betreiber den Zuschauern gewisse Interessen unterstellen. Natürlich Trailer zu anderen Horrorfilmen, das ist naheliegend (ich mag sonst keine Horrorfilme), aber auch Actionstreifen wie der John-Wick-Abstecher Ballerina etc. Und leider auch Werbung für die Bundeswehr.

Die Kamera zeigt die Nahaufnahme der stoischen, Stolz ausstrahlenden Miene eines Soldaten. Langsam fährt die Kamera nach hinten und offenbart immer mehr der Szenerie. Neben ihm in einer Reihe seine ebenso stolzen Kriegskameraden und auch -kameradinnen, die Waffe locker vor der Brust gehalten, im Hintergrund ein riesiges Schlachtschiff, Panzer und Mannschaftswagen mit weiteren Soldat*innen aufgereiht, in der Luft zischen brausend Kampfjets über die Köpfe der jungen, stolzen Soldat*innen hinweg. Die Szene trieft vor Action, Patriotismus und Kriegsverklärung und -verherrlichung. Und das in Deutschland! 

Die Szene hätte so auch aus einem Trailer zu Call of Duty oder Battlefield stammen können. Oder aus dem Film Starship Troopers. Nur dass es hier nicht um Satire geht, es ist ernst gemeint. Die Parallelen sind sicher nicht zufällig gewählt, um jungen Kinogängern den Dienst an der Waffe als cooles Karrierespiel zu verkaufen. 

Diese Bundeswehr-Werbung erinnert schon stark an Call Of Duty und Co (Bildquelle: Screenshot YouTube)
Diese Bundeswehr-Werbung erinnert schon stark an Call Of Duty und Co (Bildquelle: Screenshot YouTube)

Neulich in einer Games-Fachzeitschrift

Bildquelle: Foto GameStar-Werbung, QR-Code von uns unkenntlich gemacht
Bildquelle: Foto GameStar-Werbung, QR-Code von uns unkenntlich gemacht

Auf Seite 15 in einem aktuellen Spieleheft (USK 16) prangt mir ein Soldat in Uniform entgegen, Panzer im Hintergrund, die Waffe in der Hand unterhält er sich locker mit einem weiteren Soldaten. Unter dem Slogan „Mach, was wirklich zählt“ darf die Bundeswehr in dem Games-Heft ganz offiziell Artillerieoffiziere rekrutieren. Noch vor einigen Jahren wäre diese Anzeige auch im Selbstverständnis der Heftverantwortlichen undenkbar gewesen.

Als ich die Gaming-Printausgabe vor einigen Jahren abonniert hatte, gab es fast zwangsläufig immer wieder Artikel, die sich mit dem Diskurs zwischen Videospielen und echter Gewalt beschäftigten, meist vor dem traurigen Hintergrund, dass Politiker und Medien nach einem Schul-Attentat schnell die Videospiele und Videospieler (Frauen sind deutlich seltener Attentäter) als Sündenböcke heranzogen. Jahrelang mussten Gamer ihr Hobby gegen derartige Anschuldigungen verteidigen, Printmagazine waren stetig bemüht das Thema aufzuarbeiten und sich von echter Gewalt abzugrenzen. Heute setzen manche Magazine diese jahrelange Arbeit aufs Spiel.

Echter Krieg ist nicht cool!

Ich finde es einerseits erschreckend wie unsere Gesellschaft vor dem Hintergrund von globalen Konflikten und dem Emporstreben rechter Parteien zunehmend militarisiert wird. Wie sich innerhalb von nur wenigen Jahren die Einstellung zu Armee, Wehrpflicht und Kriegen scheinbar stark verändert hat.

Vor allem auch als Vater finde ich es andererseits auch erschreckend wie davon ausgehend unsere Jugend gezielt einer wachsenden Kriegspropaganda ausgesetzt wird, dazu zählen auch die unsäglichen Werbebanner auf (Berliner) Straßenbahnen. Ehemals hoch verpönte Kooperationen, wie der von Videospielmagazinen und echter Gewalt, wird nun teils ganz gezielt genutzt, um über coole Videospiel- und Film-Parallelen Jugendliche und junge Erwachsene zu rekrutieren. Die Wehrpflicht soll in Deutschland wieder eingeführt werden und scheinbar darf die Armee auch in sozialen und Print-Medien gezielt Jugendliche ansprechen. Gleichzeitig wissen laut einer Studie 40 Prozent der 18 – 29-Jährigen heutzutage nicht, dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden (Tagesschau).

Liebe Medien

Viel Recherche, Aufwand und auch emotionale Energie ist in die Abgrenzung des Gaming-Hobbies, Film und anderen Popkulturelementen von echten Gewalttaten eingegangen. Mit der Schaltung von Armeewerbung schießt ihr Euch selbst ins Bein und macht diese wichtige Arbeit womöglich zunichte. Wenn ihr wirklich an der Unterscheidung zwischen dem künstlerischen Spiel mit der Gewalt in der Popkultur und echter Gewalt festhalten wollt, dann hört auf Akteuren echter Gewalt eure Popkultur instrumentalisieren zu lassen und ihnen dafür auch noch eure Plattform zur Verfügung zu stellen!

Ich habe dem Gamingheft mittlerweile einen persönlichen Leserbrief gesendet, in dem ich die Anzeige kritisiere. Ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin. Meine Hoffnung ist, dass es in der Gesellschaft ein wachsendes Bewusstsein für diese Entwicklungen gibt und dass sich, angefangen bei solchen „Kleinigkeiten“, eine Gegenbewegung einstellt. 

Quelle(n)

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> Notebook Test, Laptop Test und News > News > Newsarchiv > News 2025-01 > Von Videospielen und Filmen zur Rekrutierung: Militarisierung unserer Jugend durch Kriegspropaganda in Print und Film
Autor: Christian Hintze, 29.01.2025 (Update: 29.01.2025)