Thermografie-Kameras im Test – Teil 2: Seek Thermal Compact
Sie sind ein fester Bestandteil unserer Testberichte: Temperaturmessungen der Geräteoberfläche geben Auskunft darüber, wie gut ein Smartphone, Tablet oder Notebook die Abwärme der im Inneren verbauten Hardware bewältigt. Durch den Trend zu immer dünneren Gehäusekonstruktionen sind kritische Hotspots zunehmend auch abseits hochgezüchteter Gaming-Laptops anzutreffen – in den letzten Monaten sorgten beispielsweise die dramatischen Temperaturprobleme des Snapdragon 810 von Qualcomm für Schlagzeilen, dessen Hitzeentwicklung bei diversen High-End-Smartphones (beispielsweise dem HTC One M9) zu warmen Händen und spürbarem Throttling unter Volllast führt.
Mit einzelnen Messpunkten lässt sich die komplexe Wärmeentwicklung eines Gerätes meist nur sehr unzureichend darstellen – schon wenige Millimeter weiter links oder rechts können die Werte vollkommen anders aussehen. Die Lösung für dieses Problem: Ein bildgebendes Verfahren, welches eine hochauflösende Darstellung des Temperaturverlaufes über die gesamte Oberfläche liefert. Aus diesem Grund wollen wir im nachfolgenden Artikel auf die Grundlagen und den praktischen Einsatz der sogenannten Thermografie eingehen – und zukünftig gegebenenfalls auch ausgewählte Testberichte um entsprechende Aufnahmen und Analysen ergänzen.
In den kommenden Tagen und Wochen werden wir verschiedene Smartphone-Lösungen zur Aufnahme von Wärmebildern vorstellen und dabei unter anderem auf Handhabung, Genauigkeit und Preis-Leistungs-Verhältnis eingehen.
Teil 1: Opgal Optronic Therm-App (Link zum Hersteller)
Teil 2: Seek Thermal Compact (Link zum Hersteller)
Physikalische Grundlagen
Das physikalische Prinzip der Thermografie beziehungsweise Wärmebildgebung ist bereits seit etwa 200 Jahren bekannt: Jedes Objekt, welches eine Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes besitzt, sendet Energie in Form von Strahlung aus – anschaulich erkennt man dies beispielsweise am farbigen Leuchten eines glühenden Metallstücks. Die Wellenlänge der abgegebenen Strahlung hängt dabei von der jeweiligen Temperatur ab: Je kälter ein Körper, desto größer die Wellenlänge. Bei üblichen Umgebungstemperaturen, oftmals gerundet mit 300 Kelvin (26,85 °C) angenommen, liegt das Maximum der Strahlung bei etwa 10 µm und damit im nicht mehr sichtbaren, infraroten Spektralbereich. Übliche Infrarotkameras arbeiten deshalb mit speziellen Optiken, die möglichst ausschließlich Wellenlängen zwischen etwa 7 und 14 µm ungehindert passieren lassen.
Die Strahlungsleistung verhält sich proportional zur vierten Potenz der Temperatur eines Körpers (Stefan-Blotzmann-Gesetz) – verknüpft über eine zusätzliche Naturkonstante ist es so möglich, aus einer Größe die jeweils andere zu bestimmen. Prinzipiell gilt diese Beziehung zunächst einmal nur für idealisierte, schwarze Objekte, die jegliche auf sie treffende Strahlung vollständig absorbieren (Emissionsgrad 1). In der Realität fällt der Emissionsgrad in der Regel etwas niedriger aus und liegt bei den meisten nicht-metallischen respektive stark spiegelnden Oberflächen in einer Größenordnung von etwa 0,9 bis 0,95. Ist dieser Wert nicht bekannt oder an der Wärmebildkamera falsch eingestellt, kann es zu erheblichen Abweichungen bei den ermittelten Temperaturen kommen.
Hat die Kamera für jeden Bildpunkt die zugehörige Temperatur errechnet, muss anschließend noch eine für das menschliche Auge interpretierbare Darstellung erzeugt werden. Dies geschieht mittels Falschfarbtechnik, das heißt jedem Temperaturwert wird eine eigene Farbe oder Graustufe zugeordnet. Am meisten verbreitet und intuitiv gut verständlich ist hierbei der Ansatz, kalte Bereiche mit Blau-, mittlere Temperaturen mit Grün- und Gelb- und warme Bereiche mit Rottönen einzufärben (Regenbogen-Farbpalette). Alternativ werden in einigen Fällen auch ausschließlich Rot- und Gelbabstufungen (Glühfarben) oder eine kontrastreiche Schwarz-Weiß-Ansicht genutzt.
Wärmebildkameras im Praxistest
Opgal Optronic Therm-App
Unser erster Testkandidat stammt von der israelischen Firma Opgal Optronic Industries und hört auf den Namen Therm-App (www.therm-app.com). Von der Bezeichnung darf man sich in diesem Fall nicht fehlleiten lassen, handelt es sich hierbei doch nicht nur um eine Anwendung, sondern ein vollständiges Thermografie-Komplettpaket für Android-Geräte: Im Lieferumfang befindet sich zum einen eine kompakte Infrarotkamera, die bei Abmessungen von 4,5 x 5,7 x 4,0 Zentimetern gerade einmal rund 120 Gramm inklusive Halterung auf die Waage bringt. Zum anderen legt der Hersteller noch drei unterschiedlich abgewinkelte Micro-USB-Kabel für die Verbindung von Smartphone und Kamera, einen abnehmbaren Handgriff sowie eine recht kurz gehaltene Anleitung bei. Preis für das gesamte Set: 939 US-Dollar.
Ungeachtet ihrer zierlichen Größe erlaubt die Therm-App vergleichsweise hochauflösende Thermografie- und Nachtsichtaufnahmen mit 384 x 288 Pixeln (viele vergleichbar teurere oder günstigere Konkurrenten lösen deutlich niedriger auf), allerdings bei einer Framerate von nur 8,7 fps. Alternativ hat das Unternehmen auch eine leistungsfähigere High-End-Variante mit 25 fps im Angebot, welche uns für diesen Test jedoch nicht zur Verfügung stand. Die standardmäßig mitgelieferte 19-mm-Festbrennweite mit manuellem Fokus lässt sich gegen verschiedene andere Linsen (6,8/13/35 mm Brennweite) austauschen, deren Preise zwischen 189 und 750 US-Dollar liegen.
Professionelle Anwender, die für tiefergehende Analysen auf die vollständigen Messdaten (das heißt die Temperaturwerte für jeden einzelnen Messpunkt) der Kamera zugreifen wollen, müssen zur Therm-App TH greifen, die derzeit nur über ausgewählte Distributoren und zu einem mutmaßlich weitaus höheren Preis vertrieben wird.
Installation und Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme von Therm-App gestaltet sich erfreulich unkompliziert und sollte keinen Android-Nutzer vor Probleme stellen. Zunächst muss die kostenlose "Therm-App"-Anwendung aus dem Play Store installiert werden, anschließend befestigt man die Kamera mittels Schraubmechanismus am eigenen Smartphone und steckt das USB-Kabel ein. Selbiges dient sowohl zur Datenübertragung als auch zur Stromversorgung der Kamera, deren Leistungsbedarf vom Hersteller mit unter 0,5 Watt beziffert wird.
Offiziell führt Opgal Optronic etwa 30 aktuelle Smartphones auf seiner Support-Liste, darunter beispielsweise aktuelle Modelle aus der Samsung-Galaxy-, HTC-One- oder LG-G-Baureihe. Prinzipiell sollte allerdings fast jedes Android-Gerät mit USB-OTG-Unterstützung und Android 4.1 oder neuer mit Therm-App kompatibel sein. Unser Test wurde mit einem Samsung Galaxy S4 unter Android 5.0.1 durchgeführt; Abstürze oder sonstige Probleme konnten wir zu keiner Zeit beobachten.
Praxistest
Genauso einfach wie die Installation fällt die Konfiguration und Nutzung von Therm-App. Direkt nach dem Start der Anwendung sieht der Nutzer auch schon ein Echtzeit-Wärmebild, dessen Schärfe gegebenenfalls noch per Fokusring angepasst werden muss. Eine seitliche Skala informiert über die Minimal- und Maximaltemperaturen im aktuellen Bildausschnitt, dazu zeigt ein (optionaler) Cursor die Temperatur in der Bildmitte auf 0,1 °C genau an. Da die Messunsicherheit vom Hersteller jedoch mit ± 3 °C oder ± 3 Prozent angegeben wird, sollte die Aussagekraft der Nachkommastelle mit Vorsicht betrachtet werden – auch in Anbetracht möglicher Unsicherheiten des eingestellten Emissionsgrades. Ober- und unterhalb des Bildes befinden sich die Tasten zur Aufnahme von Fotos und Videos (H.264, inkl. Ton), ein Link zur Galerie sowie das Optionsmenü. Dort erfolgt unter anderem die Umschaltung zwischen Thermografie- und Nachtsichtmodus, die Einstellung verschiedener Farbschemata sowie die Änderung des soeben angesprochenen Emissionsgrades.
Menü und Einstellungen
Thermografie- und Nachtsichtmodus basieren grundsätzlich auf dem gleichen, im vorherigen Grundlagen-Abschnitt beschriebenen Prinzip. Während die Thermografieansicht allerdings eine möglichst exakte Analyse von Temperaturverläufen ermöglichen soll, wurde die Nachtsichtfunktion vorrangig auf ein hohes Kontrastverhältnis zur einfachen Erkennung von Menschen und Tieren optimiert. Wir haben uns im Test vor allem auf den Thermografiemodus konzentriert und damit die Wärmeentwicklung von HPs Business-Detachable Elite x2 1011 G1 untersucht. Insbesondere unter Last zeigen unsere Aufnahmen sehr anschaulich einen lokalen Hotspot im rechten oberen Bereich der Rückseite, der offensichtlich von dem dort verbauten Core-M-SoC herrührt. Ebenfalls interessant: Auch die Hintergrundbeleuchtung des Displays, erkennbar als schmaler roter Streifen am unteren Bildrand, stellt bei maximaler Helligkeit eine nicht unerhebliche Wärmequelle dar. Einfarbig blau bleibt dagegen das Tastaturdock, welches keinerlei Hardware und damit keine sichtbare Wärmequelle beinhaltet.
Im Direktvergleich mit einem Infrarotthermomenter vom Typ Fluke 62 Max bewegen sich die von Therm-App angezeigten Temperaturen in einem akzeptablen Toleranzrahmen von etwa zwei Kelvin – schon ein leicht abweichender Emissionsgrad kann ähnliche oder gar größere Differenzen hervorrufen.
Seek Thermal Compact (Android)
Bei Testkandidat Nummer zwei handelt es sich um die Seek Thermal Compact (http://www.thermal.com), eine konzeptionell recht ähnliche Thermografie-Lösung für Android- und iOS-Smartphones (entweder/oder, muss beim Kauf ausgewählt werden). Gegenüber der ebenfalls sehr kompakten Therm-App erscheint die Kamera von Seek geradezu winzig: Viereinhalb Zentimeter breit, gut zwei Zentimeter hoch und tief, gerade einmal 12 Gramm schwer – selten passt der Begriff "ultraportabel" so gut wie hier. Eine zusätzliche Halterung ist dadurch überflüssig, stattdessen reicht der Micro-USB-Stecker zur sicheren Verbindung von Messgerät und Mobiltelefon. Beachten sollte man allerdings, dass die breite Seite der Micro-USB-Buchse des eigenen Smartphones in Richtung Rückseite zeigen sollte, damit die Orientierung der Kamera stimmt. Andernfalls bleibt nur die Möglichkeit, ein zusätzliches Adapterkabel einzusetzen. Laut Support-Liste des Herstellers werden unter anderem die Samsung-Modelle Galaxy S3 bis S6 sowie Note 2 bis Note 4, das Motorola Moto G und Moto X sowie Apples iPhone 5 und neuer unterstützt; inoffiziell dürften aber die meisten Android-Smartphones ab OS-Version 4.3 und USB-OTG-Support mit der Seek Compact zusammenarbeiten.
Mit 249 US-Dollar kostet die Seek Compact nur etwas mehr als ein Viertel der Therm-App – technische Abstriche lassen sich da kaum vermeiden. In erster Linie zeigt sich dies an der Auflösung des Sensors, der statt 384 x 288 Pixel nur 206 x 156 Bildunkte bietet. Die Bildwiederholrate wird mit kleiner als 9 Hz beziffert. Weiterhin lässt sich die Linse, wie bei der Therm-App eine Festbrennweite mit manuellem Fokus, nicht austauschen. Neben dem Standardmodell mit 36° Öffnungswinkel bietet der Hersteller darum noch eine etwas weniger weitwinklige Variante an (20° Öffnungswinkel), die jedoch 50 Euro Aufpreis kostet. Beide Modelle sind für einen erstaunlich breiten Einsatzbereich von -40 bis +330 °C ausgelegt; welche Messgenauigkeit man je nach Temperatur erwarten darf, verrät das Datenblatt aber leider nicht. Ein Zugriff auf die detaillierten Messergebnisse für jeden einzelnen Bildpunkt ist leider generell nicht möglich.
Installation und Inbetriebnahme
Auch die Lösung von Seek sollte selbst Laien auf dem Gebiet der Thermografie keine Rätsel aufgeben: "Seek Thermal"-App aus dem Play Store laden, Kamera anstecken, fertig. Der Entfall von Kabeln und Halterung erleichtert das Handling nochmals deutlich und sorgt dafür, dass die Seek Compact innerhalb weniger Sekunden betriebsbereit ist. Trotz des geringen Gewichtes sollte man allerdings Vorsicht walten lassen, die zierliche USB-Verbindung nicht allzu sehr auf Biegung zu beanspruchen – im schlimmsten Fall könnten sonst Smartphone und Kamera gleichermaßen beschädigt werden.
Genau wie die Therm-App haben wir auch die Seek Compact in Verbindung mit einem Samsung Galaxy S4 unter Android 5.0.1 getestet, sind dabei aber auf einige kleinere Bugs gestoßen. So zeigte die Kamera nach einem Switch auf den Homescreen gelegentlich nur noch ein schwarzes Bild, was sich nur durch ein erneutes An- und Abstecken oder mehrfaches Neustarten der Anwendung beheben ließ. Des Weiteren wurden Fotos manchmal leicht verzerrt abgespeichert, obwohl das korrekte 16:9-Bildformat eingestellt war. Als wirklich gravierend schätzen wir jedoch keines dieser Probleme ein.
Praxistest
Das Hauptmenü direkt nach Programmstart ähnelt dem der Therm-App und wird vor allem von der bildfüllenden Thermografie-Ansicht dominiert, um die sich verschiedene Menüelemente gruppieren. Neben den Buttons für Foto- und Videoaufnahme, einer Verknüpfung zur Galerie sowie verschiedenen Einstellungsoptionen findet sich hier auch der sogenannte "Wärme+"-Modus, der in einer praktischen Splitscreen-Ansicht das Echtzeitbild von Smartphone- und Wärmebildkamera gegenüberstellt.
Menü und Einstellungen
Erwartungsgemäß leidet die Bildqualität sichtbar unter der relativ niedrigen Sensorauflösung. Was bei der Aufnahme großer Objekte mit gleichmäßigem Temperaturgefälle nicht sonderlich ins Gewicht fällt, kann bei filigraneren Strukturen mit lokal begrenzten Hotspots – wie bei unserem Testobjekt, dem HP-Detachable Elite x2 1011 G1 – eine detaillierte Analyse erschweren. Auch der Dynamikumfang zeigt gewisse Schwächen, das heißt kleine Temperaturdifferenzen verschwimmen schnell. Dennoch: Für Standardanwendungen, wie die Suche nach Wärmebrücken an einem Haus, reicht das Gebotene allemal aus – und angesichts des aufgerufenen Preises kann sich die Qualität noch immer sehen lassen.
Was der Seek Compact hardwareseitig fehlen mag, macht sie mit ihrem Feature-Umfang wieder wett. Neun verschiedene Farbmodi, einblendbare Min-/Max-Cursor (die allerdings gerne mal so weit an den Bildrand rutschen, dass die angezeigten Werte nicht mehr zu erkennen sind) und sogar ein praktischer Grenzwert-Modus, der Bereiche größer/kleiner/gleich einer gewählten Temperatur speziell hervorhebt, helfen dem Anwender bei der Arbeit.
Trotz Beschreibung in der Hilfe-Funktion vergeblich gesucht haben wir die Möglichkeit, den Emissionsgrad manuell einzustellen. Die angezeigten Temperaturen lassen zwar einen sinnvollen Standardwert von 0,9 bis 0,95 vermuten, doch kann bei bestimmten Oberflächen eine händische Anpassung zwingend vonnöten sein. Insbesondere für metallisch-glänzende Materialien wäre die Seek Compact so nur sehr eingeschränkt nutzbar.
Im Vergleich mit unserem Infrarotthermometer zeigt die Seek Compact zumeist etwas geringere Werte an, wobei die Differenz im Regelfall bei etwa zwei Kelvin oder darunter liegt. Bei lokal begrenzten Temperaturmaxi- oder -minima lassen sich bedingt durch die relativ niedrige Auflösung allerdings auch größere Abweichungen nicht ausschließen.
Fazit
Nicht nur zur Untersuchung der Wärmedämmung von Gebäuden oder in der Industrie leistet die Thermografie wertvolle Dienste – auch im IT-Bereich, beispielsweise für Notebook- und Tablet-Tests, liefert das Verfahren spannende Erkenntnisse.
Dank Smartphone-Kopplung lassen sich moderne Wärmebildkameras wie Therm-App nicht nur spielend einfach bedienen, sondern stoßen auch zunehmend in erschwingliche(re) Preisbereiche vor. Knapp 1.000 US-Dollar Kaufpreis sind natürlich dennoch kein Pappenstiel, doch erhält man dafür ein gut verarbeitetes und technisch überzeugendes Produkt. Schwachstellen oder Probleme konnten wir bei unseren umfangreichen Tests nicht feststellen.
Angesichts eines Kaufpreis von lediglich 250 US-Dollar lässt sich die Seek Compact kaum als direkter Konkurrent der fast viermal so teuren Therm-App bezeichnen, sondern stellt vielmehr eine günstige Alternative für einfache Anwendungszwecke dar. Privatanwender, die lediglich die Wärmedämmung ihres Hauses untersuchen oder erste Erfahrungen auf dem Gebiet der Themografie sammeln wollen, kommen auch mit dieser Lösung auf ihre Kosten – professionelle Anwender werden dagegen des Öfteren mit den niedrigen Auflösungen und der begrenzten Dynamik hadern.