OnePlus 9 Pro bremst Apps aus: Neue Art der Performance-Manipulation aufgedeckt, Geekbench zieht erste Konsequenzen
Wer erinnert sich nicht an die vielen Fällen von Benchmark-Manipulationen früherer Jahre in denen auch OnePlus immer wieder negativ aufgefallen ist? Offenbar haben die Hersteller daraus gelernt, denn in den letzten Jahren ist es um diese Praxis, bekannten Benchmark-Apps Vorrang zu gewähren, um damit bessere Ergebnisse in prominenten Performance-Listings zu erzielen, still geworden.
Nun wurde OnePlus aber mit einer ganz neuen Methode der Performance-Manipulation ertappt und zwar von den US-Amerikanischen Kollegen von Anandtech. In einem ausführlichen Bericht legen sie dar, wie der beliebte Smartphone-Hersteller am OnePlus 9 Pro (hier bei Amazon erhältlich) gezielt Apps ausbremst, die auf einer definierten Liste stehen - sozusagen das Gegenteil von der bisher bekannten Praxis des Whitelistings.
Die "Blockliste" umfasst eine ganze Reihe sehr prominente Anwendungen und Spiele, etwa Zoom, Whatsapp, Facebook, Instagram, Snapchat, YouTube, Chrome, Firefox, Netflix, Microsoft Office, Twitch, Discord, Pokemon Go und viele weitere. Das führt zu der kuriosen Situation, dass beliebte Apps wie Chrome auf dem OnePlus 9 Pro langsamer laufen als unbekanntere, etwa der nicht in der Blocklist aufgeführte Vivaldi-Browser.
Dadurch, dass OnePlus die lange Liste prominenter Apps offenbar vom Zugriff auf den schnellen Cortex-X1-Core abhält beziehungsweise mit deutlich reduzierter Taktfrequenz abarbeitet, ergeben sich laut Anandtechs Tests Geschwindigkeitseinbußen zwischen 20 und 35 Prozent je nach Anwendung. Das führt nun auch als erste Reaktion dazu, dass Geekbench via Twitter verkündete, OnePlus 9 und OnePlus 9 Pro aus dem Benchmark-Ranking entfernt zu haben.
It's disappointing to see OnePlus handsets making performance decisions based on application identifiers rather than application behavior. We view this as a form of benchmark manipulation. We've delisted the OnePlus 9 and OnePlus 9 Pro from our Android Benchmark chart. https://t.co/G40wmWeg7o
— Geekbench (@geekbench) July 6, 2021
Warum macht OnePlus das bloß?
In einem Folgetweet erklärte der Hersteller der beliebten Benchmark-Software, auch andere OnePlus-Handys auf diese Manipulation testen zu wollen und notfalls auch diese aus den Benchmark-Charts zu entfernen. Die Tatsache, dass sämtliche Benchmark-Apps und auch Spiele wie etwa Genshin Impact, die gern als Benchmarks Verwendung finden, nicht in dieser "Blacklist" auftauchen, erhärtet die Vermutung, dass OnePlus hier bewusst im Alltag genutzte Apps ausbremst, ohne auf die Spitzenpositionen in Benchmark-Charts verzichten zu wollen.
Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: OnePlus traut zumindest dem OnePlus 9 Pro - andere Smartphones, etwa das OnePlus 9 wurden bislang noch nicht auf diese Manipulation untersucht - offenbar nicht zu, im Alltag das hohe Performanceniveau der Benchmark-Apps halten zu können, ohne möglicherweise negative Auswirkungen auf Akkulaufzeit, Effizienz oder vielleicht sogar Langlebigkeit zu riskieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass OnePlus davon ausgeht, dass Nutzer des OnePlus 9 Pro im Alltag auf maximale Performance keinen Wert legen, ohne ihnen allerdings die Wahl zu lassen oder das Vorgehen entsprechend transparent zu kommunizieren.
Ein Statement von OnePlus zu der Entdeckung ist aktuell noch ausständig.
Update 21.00 Statement von OnePlus
Gegenüber XDA-Developers hat OnePlus folgendes Statement zum Thema abgegeben:
Our top priority is always delivering a great user experience with our products, based in part on acting quickly on important user feedback. Following the launch of the OnePlus 9 and 9 Pro in March, some users told us about some areas where we could improve the devices’ battery life and heat management. As a result of this feedback, our R&D team has been working over the past few months to optimize the devices’ performance when using many of the most popular apps, including Chrome, by matching the app’s processor requirements with the most appropriate power. This has helped to provide a smooth experience while reducing power consumption. While this may impact the devices’ performance in some benchmarking apps, our focus as always is to do what we can to improve the performance of the device for our users.
De facto erklärt OnePlus damit, dass die Performancebeschränkungen bei populären Apps eingeführt wurden, um - wie erwartet - den Stromverbrauch zu reduzieren, angeblich auf Grund von Feedback von Nutzern. Damit erklärt sich aber noch nicht, warum daraus ein Geheimnis gemacht wurde, anstatt das offen zu kommunizieren oder dem User, etwa über eine Option in den Einstellungen, die Wahl zu lassen.
Update 8. Juli Weiteres Statement von OnePlus Deutschland
Wir haben nun auch direkt noch ein Statement von OnePlus Deutschland erhalten, das wir der Vollständigkeit halber unten auch noch einblenden wollen, auch wenn es de facto nur eine Übersetzung der Erklärung oben ist.
Unsere oberste Priorität ist es, immer ein großartiges Nutzererlebnis mit unseren Produkten zu liefern, was zum Teil darauf basiert, schnell auf wichtiges Nutzerfeedback zu reagieren. Nach der Einführung des OnePlus 9 und 9 Pro im März haben uns einige Nutzer auf einige Bereiche hingewiesen, in denen wir die Akkulaufzeit und das Wärmemanagement der Geräte verbessern könnten. Als Ergebnis dieses Feedbacks hat unser Forschungs-& Entwicklungs-Team in den letzten Monaten daran gearbeitet, die Leistung der Geräte bei der Verwendung vieler der beliebtesten Apps, einschließlich Chrome, zu optimieren, indem die Prozessoranforderungen der App mit der am besten geeigneten Leistung abgeglichen wurden. Dies hat dazu beigetragen, ein reibungsloses Erlebnis zu bieten und gleichzeitig den Stromverbrauch zu reduzieren. Dies kann sich zwar auf die Leistung der Geräte in einigen Benchmarking-Apps auswirken, aber unser Fokus liegt wie immer darauf, alles zu tun, um die Leistung des Geräts für unsere Nutzer zu verbessern.