MWC 2018 Recap: Begeisterung um Budget-Phones, Flaggschiffe fallen durch
Der Mobile World Congress 2018 ist schon wieder vorbei und es ist an der Zeit, die Flut an Geräten, Ankündigungen und Informationen in Ruhe zu verdauen. Hier ist eine Analyse unserer Berichte der vergangenen Woche.
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Budget boomt: die Smartphones aus dem unteren Segment begeistern
In diesem Jahr fand eine überraschende Wende statt: Das größte Aufsehen erregten nicht die neuesten Smartphone-Flaggschiffe, sondern die Geräte aus den unteren Marktsegmenten. Mehrere OEMs kündigten neue Budget-Smartphones an, während Google den Start seiner Android-Go-Initiative bekannt gab. Während das Android-One-Programm (welches in den letzten Jahren sehr erfolgreich war) darauf abzielt, Geräte mit Stock Android und langfristigem Support zu liefern, präsentiert sich Android Go als eine Android-Umrüstung in Hinblick auf Geräte mit geringen Spezifikationen, z.B. mit weniger als 1 GB RAM. Im Prinzip ist Android Go eine Light-Version von Android, und ist mit einer eigenen Sammlung an Google-Apps ausgestattet. Mehrere Hersteller waren sofort mit dabei, und der MWC wurde zum Schauplatz für Android-Go-Smartphones.
Als Android-Go-Smartphones angekündigt wurden unter anderem das Nokia 1, ZTE Tempo Go und Alcatel 1X. Jedes dieser Geräte trägt ein SoC mit geringer Leistung (auf dem Level der Snapdragon-2XX-Serie oder des MediaTek MT6580), ein schwach auflösendes Display und maximal 1GB RAM zur Schau. Die Geräte haben einen dementsprechenden Preis von ungefähr $100 (~80 Euro) oder darunter. Dieser Preis, kombiniert mit den Optimierungen, die Android Go verspricht, machen diese Smartphones als Zweitgeräte oder Ersatzgeräte für stärkere Mittelklasse- oder Flaggschiff-Phones sehr verlockend. Wir werden natürlich all diese Geräte testen und unsere Erfahrungen mit Android Go so bald wie möglich mit Ihnen teilen.
Flaggschiffe fallen durch: Zeitlupen-Videos und langsame Entwicklungen
Samsung, LG und Sony haben alle ein paar Flaggschiffe vorgestellt, der allgemeine Eindruck bleibt aber eher enttäuschend. Natürlich sind diese Geräte alle ausgezeichnet, nur bieten sie gegenüber den Vorjahresmodellen eher geringe Verbesserungen. Vor allem das Galaxy S9 und LG V30S ThinQ wirken eher wie verfeinerte Versionen ihrer 2017-Pendants, als wie neue Smartphones. Das Galaxy S9 muss nach dem radikalen Neudesign der Galaxy-Serie mit dem S8 in große Fußstapfen treten, und tut sich dabei dementsprechend schwer. Ja, das SoC ist etwas besser, der Fingerabdrucksensor wurde an eine bessere Stelle verschoben, und die Kameras bieten eine variable Blende und Zeitlupen-Videos, doch das sind die einzigen großen Neuerungen für 2018. Diese Features wirken eher wie Gimmicks, als wie notwendige Verbesserungen des Geräts. Daher zweifeln wir daran, dass viele Galaxy S8-User auf das S9 umsteigen werden. Das S9 ist eher ein aufpoliertes S8, welches vielleicht für User der 2015er- oder 16er-Flaggschiffen interessant ist.
Ist das Galaxy S9 lediglich eine leichte Verbesserung seines Vorgängers, so trifft das beim LG V30S ThinQ noch verstärkt zu. Die größten Veränderungen hier sind eine Erhöhung der beiden RAMs sowie der Speicherkapazität (6-GB-RAM und bis zu 256-GB-Speicherkapazität im V30s ThinQ gegenüber 4-GB-RAM und maximal 128-GB-Speicherkapazität im alten V30). Es bietet auch ein paar neue, auf künstlicher Intelligenz basierende Technologien, welche die automatischen Anpassungen beim Fotografieren und beim Drehen von Videos verbessern sollen. Doch da die Hauptfeatures des V30 seine beeindruckenden manuellen Kamera- und Videomodi waren, werden diese Features von den Profi-Usern, an die dieses Handy gerichtet ist, womöglich nie verwendet.
Das umstrittene Design der neuen Modelle Xperia XZ2 und XZ2 Compact repräsentiert ein neues Kapitel in der ehrwürdigen Xperia-Linie. Im Gegensatz zu Sonys langjährigem rechtwinkligen Design haben das XZ2 und XZ2 Compact nun eine gerundete Rückseite mit rückseitigem Fingerabdrucksensor und (leider) keinen Kopfhöreranschluss. Ihre Displays wurden auch auf das immer häufiger aufkommende 2:1-Format ausgedehnt (laut Marketingmaterial: 18:9). Die neue Designsprache wurde bereits von manchen kritisiert, von anderen gelobt, und wird bestimmt in den kommenden Testberichten ein großes Thema sein.
Nokia Reborn: HMD ist ambitioniert
Erst vor ein paar Jahren war HMD Global noch ein relativ unbekannter Akteur auf dem Smartphone-Markt, der hauptsächlich Low-End-Android-Smartphones herstellte. Doch seit das Unternehmen die Rechte auf den Nokia-Namen gekauft hat, bringt es langsam neues Leben in eine Marke, die einst Allesverdränger auf dem Handymarkt war. Der Star der Show ist das Nokia 8 Sirroco, ein Smartphone der Flaggschiff-Klasse, welches Teil von Googles Android-One-Programm sein wird. Während das Nokia 8 die Konfiguration eines 2017er Flaggschiffs hat (Snapdragon 835, 6-GB-RAM, 16:9, 1440p), sollte es aufgrund seiner Teilnahme bei Android One, und dem dadurch garantierten Support von Google, noch mindestens drei Jahre laufen. Das Gerät wurde bereits aufgrund seines kantigen Designs kritisiert; das Gehäuse passt nicht gut in die Hand und das Gerät könnte für viele Nutzer schwer zu bedienen sein. Das Preisschild weist auch auf den Flaggschiff-Status des Geräts hin: Der erwartete Startpreis für das Nokia 8 liegt bei 749 Euro (netto).
Das Nokia 7 Plus ist HDMs Angebot im mittleren Marktsegment. Trotz seiner mittelmäßigen Innereien (Snapdragon 660, 4-GB-RAM, 5.5-Zoll, 2:1, FHD+), ähnelt sein Design dem des Nokia 8. Das 7 Plus bietet auch eine Dual-Kamera mit Zeiss-Optik, welche einige optische Features des großen Bruders imitiert. Das Nokia 7 Plus wird bestimmt ein wichtiger Player im mittleren Preisbereich.
Zusätzlich zum bereits erwähnten Nokia 1, präsentiert HMD ein weiteres Budget-Gerät. Das Nokia 8110 4G besticht hauptsächlich durch seinen Look. Das Gerät ist ein Feature-Phone mit rudimentären Apps (Facebook, E-Mail, usw.) und sieht aus wie das "Banana-Phone" der späten 90er (welches Neo in The Matrix verwendet). Das 8110-4G wird ab Mai für ca. 79 Euro (netto) verfügbar sein.
Asus ZenFones: eine Notch weiter
Asus hatte dieses Jahr einiges im Angebot und präsentierte gleich drei neue Modelle der ZenFone-Linie. Das ZenFone 5Q ist ein Mittelklasse-Gerät mit guter Hardware und einem Snapdragon 630 SoC. Das Design ähnelt dem des letztjährigen ZenFones: abgerundete Ecken, dünne (aber vorhandene) Bildschirmränder und die ZenUI-Interface von Asus, welche auf Android Oreo basiert.
Die größte Neuigkeit des taiwanesischen Herstellers war eindeutig die Vorstellung des ZenFone 5 und 5Z. Während die Smartphones grundsätzlich gut aussehen, löste das Design dieser Geräte große Diskussionen aus - und aus gutem Grund: Das Design der ZenFone-5- und 5Z-Modelle lehnt sich sehr stark an das des iPhone X, inklusive seiner umstrittenen Notch, an (man könnte sogar sagen, es sei eine direkte Kopie). Ein paar Unterschiede gibt es natürlich schon zwischen den ZenFones und ihrem Apple-Mitstreiter, aber die Ähnlichkeiten können nicht geleugnet werden.
Die Zukunft ist jetzt: Konzepte und brandneue Technologien
Aufgrund des großen Medienaufruhrs rund um den MWC haben natürlich viele Hersteller diesen Zeitpunkt gewählt, um ihre neuesten Entwicklungen anzupreisen, auch wenn sie noch nicht ganz startbereit sind. Vivo hat dieses Event erfolgreich ausgenutzt, um mit seinem APEX Concept Phone Schlagzeilen zu machen - ein Gerät mit einem erstaunlichen Screen-to-Body-Verhältnis von 98 %. Möglich wird dieses Vollbild-Smartphone aufgrund einer Kombination aus einem flexiblen OLED-Panel, dem In-Screen-Fingerabdrucksensor von Vivo und anderen technischen Zaubereien. Das Smartphone ist erst ein Konzept und Vivo hat noch nicht angekündigt, ob das Gerät überhaupt jemals zum Verkauf angeboten wird. Doch wenn man den Gerüchten glaubt, könnte Vivo wirklich planen, das Smartphone in naher Zukunft zu produzieren.
Auch um künstliche Intelligenz gab es viel Aufruhr, wobei Qualcomm hier mit seiner Snapdragon 700-SoC-Serie im Zentrum des Interesses stand. Es scheint, als hätte jedes Telefon irgendein AI-Feature, die meisten im Bereich der Fotografie. Beispielsweise verwendet das LG V30 ThinQ AI-Software, um Schnappschüsse zu machen und vorherzusehen, welche Einstellungen den Nutzern gefallen würden. Zu diesem Zeitpunkt wirkt künstliche Intelligenz noch eher wie ein Gimmick. Ein wirkliches "Must-Have"-AI-Feature blieb bis jetzt aus, doch die Technologie steckt auch noch in den Kinderschuhen.
Der Markt für Speichererweiterungen wird von zwei wichtigen Teilnehmern stark beeinflusst: SanDisk präsentierte eine 400-GB-microSD-Karte, die "die schnellste UHS-I micro-SD-Karte der Welt" getauft wurde. Mit Lese- und Schreibgeschwindigkeiten im 160-MB/s- und 90-MB/s-Bereich, sollte die Karte ein Segen für alle Smartphone-Kameramänner und -Frauen sein. Western Digital prahlte mit einem atemberaubenden Konzeptnachweis einer PCIe-Schnittstelle für SD-Karten. WD erreichte hiermit Lesegeschwindigkeiten von 880 MB/s und sequentielle Schreibgeschwindigkeiten von 430 MB/s. Auch wenn dieser Konzeptnachweis noch lange nicht verfügbar sein wird, könnte es bereits ein Indiz dafür sein, was uns im Bereich der Fotografie und Videografie, und später bei den Smartphones (wenn microSD-Erweiterungen nicht mit dem Kopfhöreranschluss verschwinden) noch so erwartet.
Ein dritter Player könnte bald die Dominanz von Apple und Google herausfordern. Jolla, die Organisation hinter Sailfish OS, präsentierte die neueste Version ihres alternativen mobilen OS. Mit dem einfachen Namen Sailfish 3 verspricht das Betriebssystem Verbesserungen bei der Leistung sowie Kompatibilität mit einer Auswahl an Android-Apps. Sailfish 4 unterstützt auch 4G LTE, VoLTE, Fingerabdrucksensor und mobile VPNs.
Zu guter Letzt brachte auch Huawei ein interessantes Gerät mit - es war aber kein Telefon. Wir sprechen von dem neuen Huawei MateBook X Pro, einem 13,9-Zoll-Ultrabook mit unglaublich dünnen Bildschirmrändern (von denen Huawei verspricht, sie seien die Dünnsten der Welt). Das interessanteste Feature des Geräts ist womöglich die Platzierung der Webcam, welche aus einem dedizierten Knopf über der Ziffernreihe ausklappt. Diese Platzierung spart zwar am Bildschirm Platz, der daraus resultierende Blickwinkel der Kamera ist allerdings nicht ideal. Wir werden das MateBook X Pro testen, sobald es diesen Sommer verfügbar ist.
Zusammenfassung
Wir haben in diesem Überblick sehr viele Informationen verarbeitet. Dennoch kratzen wir damit kaum an der Oberfläche, so viel wurde von der MWC 2018 berichtet. Wenn Sie an mehr Informationen interessiert sind, durchsuchen Sie unser Archiv mit dem Stichwort "MWC 2018".
Quelle(n)
Notebookcheck