Lootboxen sind illegales Glücksspiel: Gericht in Österreich verurteilt Sony zur Rückerstattung von Geld für FIFA-Packs
Electronic Arts (EA) vertritt die Meinung, dass die Fans der Fußball-Simulation FIFA die sehr umstrittenen Lootboxen lieben. Nach einer Entscheidung in Großbritannien im vergangenen Jahr, das geltende Glücksspielgesetz nicht zu ändern und daher keine Maßnahmen gegen Lootboxen in Videospielen zu ergreifen, hatte EA kräftig Oberwasser bekommen und die Lootboxen für Ultimate Team und FUT-Packs verteidigt. Jetzt sorgt ein Sensations-Urteil aus Österreich gegen Lootboxen für riesiges Aufsehen.
Vor rund zwei Jahren reichte die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Kooperation mit dem Prozessfinanzierer Padronus eine Musterklage gegen Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited ein. Gegenstand der Klage: Rückerstattung von 338,26 Euro, die ein Kunde für den Erhalt von FIFA-Packs aufwendete. In diesem Zusammenhang stellt sich gleich die Frage, warum richtet sich die Klage gegen Sony und nicht gegen EA?
Ohne zu tief in die rechtliche Materie einzusteigen, muss dazu kurz etwas ausgeholt werden: Bei dem Verbot der Lootboxen geht es im Kern um einen "bereicherungsrechtlichen Anspruch", also wer die Zahlung von Echtgeld tatsächlich abgewickelt hat. In diesem Fall ist es Sony, der die Euros für die Lootboxen in FIFA tatsächlich von den Spielerinnen und Spielern kassiert. Zweitens geht es in dem Gerichtsstreit um die Qualifizierung von "Glücksspiel": das Ergebnis muss vom Zufall abhängig sein und es muss ein Vermögenswert vorhanden sein. Nach Meinung der Kläger stellen die Lootboxen respektive die FIFA-Packs einen Vermögenswert dar, da es für Lootboxen respektive Packs einen florierenden Sekundärmarkt gibt. Den verbieten Sony und EA zwar, das sei aber unerheblich, da faktisch ein Handel mit den Vermögenswerten stattfinde, so der Prozessfinanzierer Padronus.
Das österreichische Bezirkgsgericht Hermagor entschied nun, dass die Packs für FIFA (FIFA 23 als Standard Edition für PS5 für 47,99 Euro) als konzessionspflichtige Ausspielung von Glücksspiel zu qualifizieren sind (Urteil vom 26.02.2023). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
FIFA-Packs beinhalten virtuelle Fußballspieler, die man in seine digitale Fußballmannschaft integrieren kann. Laut dem Gericht sei das inhaltliche Ergebnis der FIFA-Packs vom Zufall abhängig und stelle eine vermögenswerte Leistung im Sinne des österreichischen Glücksspielgesetzes dar, weil die digitalen Fußballspieler auf einem Zweitmarkt gehandelt würden und dadurch eine Gewinnerzielung möglich sei. Daher handle es sich um Glücksspiel.
Diese Rechtsauffassung zu den FIFA-Ultimate-Lootboxen dürfte auch in Deutschland mit großem Interesse aufgenommen werden, da die gesetzlichen Regelungen der beiden Länder hier ähnlich sind. Da Sony keine Glücksspiel-Konzession besitze, seien die zwischen ihr und dem Kläger abgeschlossenen Verträge nichtig und die geleisteten Zahlungen rückforderbar. Der Gerichtsprozess wurde im Rahmen des von Padronus finanzierten Sammelverfahrens geführt.
Padronus-Geschäftsführer Richard Eibl kommentiert:
Das Urteil ist ein Paukenschlag für die gesamte Videospiel-Branche. Weder in Österreich noch in Deutschland existierte bisher eine Rechtsprechung zur Frage der Legalität von Lootboxen und zur Rückforderbarkeit geleisteter Zahlungen. Das finale Ergebnis bleibtnatürlich abzuwarten, da das Verfahren wohl die Instanzen hochgehen wird, doch sollten sich Sony und etliche anderen Gaming-Konzerne ab sofort warm anziehen.
Lootboxen sind ein hochumstrittenes und weltweites Milliardengeschäft, das in den Niederlanden und Belgien bereits verboten wurde. Allein 2020 wurden weltweit 15 Milliarden Dollar mit Lootboxen umgesetzt. Sollte sich die Rechtsprechung zur Rückforderbarkeit der Zahlungen auch hierzulande zementieren, dürften die finanziellen Folgen für die betroffenen Betreiber verheerend sein.
"Das Urteil ist richtungsweisend für den Umgang mit Looxboxen und zeigt, dass Videospiele kein rechtsfreier Raum sind", fasst Michael Linhard zusammen, der federführend für die Salburg Rechtsanwalts GmbH am Verfahren beteiligt war. Mit den Salburg Rechtsanwälten hat Padronus einen Partner, der bereits im Anlegerbetrugsskandal um die Meinl-Bank Entschädigungen bis zu 100 Mio. Euro erwirkte und nun die Kunden von Padronus vertritt.
"Für die Subsumtion unter Glücksspiel reicht es nach dem Gesetz aus, wenn ein Kauf für etwas getätigt wird, dessen Ergebnis erstens vorwiegend vom Zufall abhängt und zweitens einen wirtschaftlichen Gegenwert hat. Das Gericht hat uns Recht gegeben und plausibel dargelegt, warum dies bei FIFA-Packs der Fall ist", erklärt Eibl. "Auch von der Inszenierung her orientiert sich Sony beim Kaufprozess der Lootboxen stark an herkömmlichen Glücksspielen. Es wird mit der Untermalung von audiovisuellen Lockelementen wie beispielsweise Feuerwerkeffekten gearbeitet, um den Dopaminaustoß bei vorwiegend männlichen Jugendlichen zu triggern. Durch die Gespräche mit unseren Kunden haben wir erst realisiert, wie enorm der Suchtfaktor der FIFA-Packs und wie krankhaft das Kaufverhalten der Spieler teilweise ist."
Im Multiplayer-Modus messen sich FIFA-Spieler untereinander. Dort gilt die Regel: Je besser die Fußballspieler, desto leichter ist es, das Spiel zu gewinnen. "Auch das führt natürlich zu einem starken psychologischen Druck, sich bessere Spieler durch FIFA-Packs zu holen, damit man wettbewerbsfähig bleibt", so Eibl.