Kolumne: AMD-Vision
von Uli Ries 08.01.2010
Visionär oder nutzlos?
AMD hat eine Vision: Das neue Vision-Programm soll auch PC-Laien sofort klar machen, welches Notebook für welche Anwendungen taugt – ohne den Kunden dabei mit Taktfrequenzen und anderem Techno-Sprech zu überfordern. Tolle Idee, aber bringt Vision den Käufern wirklich etwas?
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„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Gilt das berühmte Zitat des deutschen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt auch für AMDs Marketingstrategen? Oder wird Vision wirklich aufräumen mit dem babylonischen Wirrwarr im Notebookmarkt und endlich klar machen, welches Mobil-PC-Modell für welchen Anwendungszweck perfekt ist?
Soviel vorweg: Die Idee hinter Vision ist lobenswert, das Programm kommt genau zur richtigen Zeit. Denn inzwischen sind Notebooks Allerweltsprodukte, die auch von Technikunkundigen gekauft werden, die mit Gigahertz, Quad-Core, Nanometern und DirectX 11 herzlich wenig anfangen können (und im Übrigen auch mit Web-Angeboten wie notebookcheck.com überfordert sind, weil die hier gelieferten Infos viel zu technisch sind für diese Klientel). Diese Kunden suchen nach Geräten, die ihrem jeweiligen Anspruch gerecht werden: nur im Netz surfen und E-Mail schreiben, oder auch einmal Digital-Bilder bearbeiten, wahlweise Videos schneiden oder eben zocken. All diese Profile vereint Vision in verschiedenen Kategorien wie Basic, Premium oder Black.
So weit, so löblich. Denn nun haben selbst latent schlecht informierte Verkäufer die Chance, dem Kunden das passende Gerät zu verkaufen. Auch wenn der Vergleich in mehrerlei Hinsicht hinkt: Auto-Käufer akzeptieren es auch nicht, dass jeder Hersteller den Verbrauch nach selbst gewählten Kriterien angibt oder sich der Einsatzzweck des Fahrzeugs nur denen erschließt, die eine KFZ-Mechanikerlehre hinter sich gebracht haben. Eine industrieweite Norm sorgt für Vergleichbarkeit beim Verbrauch, die Kundenwünsche definieren die Einsatzzwecke.
Es ist undenkbar, dass der Hersteller des Motors oder des Getriebes den Autokauf durch ständig komplexer werdende Technikdetails, die alle irgendwo im Verkaufsprospekt zu finden sind, zum Erlebnis für hartgesottene KFZ-Profis werden lässt. Im IT-Umfeld wird hingegen von Kunden bei der Kaufentscheidung erwartet, dass sie all die Daten und Funktionen der einzelnen Bauteile verstehen und beurteilen können. So ein bisschen macht Vision damit Schluss, da sich die verwirrenden Details hinter dem Vision-Sticker verstecken.
Aber mal im Ernst: Nur weil die Notebookhersteller anstelle eines x-beliebigen anderen AMD-Logos jetzt das knallrote Vision-Logo aufs Gerät kleben, hält noch längst keine Erleuchtung Einzug beim Kunden. Denn neben dem Vision-Bapperl finden sich noch zig andere Logos: Designed for Windows XYZ, DLNA, WLAN-sonstwas kompatibel, SRS TruSound und so weiter und so fort. Dem Profi sticht sofort das AMD-Logo ins Auge und er erkennt natürlich: Aha, das ist Vision-Basic-Modell, damit kann ich nur surfen und E-Mails schreiben. Für Laien sehen die Sticker aber alle ähnlich vielsagend aus, jedes ist irgendwie genauso wichtig und bunt wie das andere. Und somit löst sich die Aussagekraft der einzelnen Logos wieder in Luft auf.
Wirklich hilfreich wird ein Programm wie Vision erst, wenn wirklich alle Notebooks damit kategorisiert werden. Und das schließt nun mal die Geräte auf Basis der Konkurrenz von Intel & Co. mit ein. Es ist freilich utopisch anzunehmen, dass derart rivalisierende Firmen wie AMD und Intel sich jemals an einen Tisch setzen. Im Sinne des Kunden ist es aber das einzig Sinnvolle. Denn andernfalls kommunizieren Intel & Partner weiterhin nichtssagende Taktfrequenzen und Cachegrößen, wohingegen AMD & Partner lustige Schlagworte die „Ultimate“ oder „Premium“ in Richtung Kunde schleudern. Die Verwirrung wird dadurch sicher nicht kleiner.
Völlig unklar ist auch, was eigentlich mit langsam alternden Geräten passiert: Was heute „Ultimate“ ist, wird morgen wohl nur noch „Premium“ sein können. Schließlich hört AMD ja nicht auf, die Leistung von CPU, Chipsatz und Grafikchip voran zu treiben. Was aber passiert mit den Vorgängermodellen, wenn neue „Vision-Premium“-Notebooks auf den Markt kommen? Muss der Händler die Logos alle von Hand wegzupfen? Muss er die Geräte verschämt über die Resterampe verschleudern, damit das Image der neuen Vision-Geräte nicht unter vermeintlich veralteter Hardware leidet?
So pfiffig und kundenfreundlich die Idee hinter Vision auf den ersten Blick scheint, so fraglich ist der Nutzen des Programms nach dem zweiten Blick. Natürlich sind Nichtstun und den Kunden weiterhin mit Technik-Kauderwelsch verwirren keine Alternativen. Aber anstatt wiedermal im Alleingang mit einem neuen Logo nach vorn zu preschen, hätte AMD es vielleicht besser mit einem industrieweiten Ansatz versuchen sollen.