Game Kurztest | Interstellar Space: Genesis – 4X-Strategie im Weltraum
Master of Orion, Endless Space, Stellaris – Die Anzahl der Strategietitel im Weltraum ist in den letzten Jahren groß und auch der Hype unter Strategiespielern nicht zu verachten.
Da möchte auch der Indie-Hersteller Praxis Games mitmachen. Und dort weiß man durchaus, was die Fans sich wünschen, denn die beiden Entwickler Adam Solo and MalRey haben früher die Seite SpaceSector.com betrieben, auf der es Infos und Tests rund um Strategiespiele im Weltraum gab. Interessant finden wir, dass Name und Logo des Herstellers an Firaxis erinnern, den Entwickler, der die großen 4X-Spiele Civilization 5 & 6 oder die Neuauflage der XCOM-Reihe zu verantworten hat.
Interstellar Space: Genesis startete als Project: Space Sector im Jahr 2016, war also circa 3 Jahre in Entwicklung. Endgültig veröffentlicht wurde es Ende Juli diesen Jahres und ist über Steam, ichi.io oder den Humble Bundle Store verfügbar.
Genre und Spielprinzip
Bei 4X-Strategie geht es darum, ein ganzes Volk zu führen und meist rundenbasiert die folgenden Tätigkeiten durchzuführen: "Erforschen, erweitern, ausbeuten, auslöschen", auf Englisch "explore, expand, exploit, exterminate", weil jedes dieser Wörter ein X beinhaltet, eben 4X-Strategie oder auch Globalstrategie. Die berühmtesten Vertreter des Genres sind Civilization oder auch Master of Orion, auf dessen zweiten Teil sich die Entwickler als geistiges Vorbild beziehen.
Interstellar Space: Genesis nutzt als Setting also den Weltraum und lässt uns eine von 6 vorgefertigten Völkern auf dem Weg zur Vorherrschaft über die Galaxis führen. Zusätzlich kann man sich auch sein eigenes Volk zusammenstellen und Vorteile und Nachteile aus zahlreichen Optionen selbst wählen. Hat man sein menschliches oder außerirdisches Volk gewählt, so beginnt man mit einer Startgalaxie und einem besiedelten Planeten.
In jeder Runde kann man wählen, was die Kolonie produzieren soll, ob man neue Schiffe bauen will, um den Weltraum zu erkunden oder seine Kriegsflotte ausbauen will, in welchen Bereichen man die Forschung voranbringt, man kann diplomatisch tätig werden oder die Grenzen des eigenen Reiches verschieben. 4X-Strategie ist oft keine einfache Sache und auch Interstellar Space: Genesis erschlägt einen erstmal mit seinen Möglichkeiten.
Eine freundliche Roboterstimme erklärt in Englisch jeden neuen Bildschirm, den wir betreten. Auch die Texte sind nur auf Englich, andere Sprachversionen gibt es aktuell nicht. Unsere Beraterin hat einiges zu tun, denn die zahlreichen Menüs und Übersichtsbildschirms sind erstmal durchaus verwirrend für Neueinsteiger. Wer aber schonmal andere 4X-Strategiegames gespielt hat, der wird zumindest einige der Screens wiedererkennen und das Spiel benchrichtigt auch, wenn man beispielsweise eine neue Forschung auswählen sollte.
Gameplay
Jetzt geht es also los mit der Verwaltung unseres Reiches, aber die ersten Runden sind erstmal etwas fad: Der Basisbau auf den besiedelten Planeten ist erstmal nicht möglich, zu Beginn können wir meist nur weitere Schiffe für die Kolonialisierung neuer Planeten oder die Erweiterung unseres Flugradius über Außenposten bauen. Außerdem eine Forschung auswählen und dann gibt es noch Perks für unser Volk, die alle paar dutzend Runden freigeschaltet werden und uns beispielsweise Gratis-Schiffe oder -Forschung geben. Zudem erforschen wir die umliegenden Sektoren in mehreren Stufen, was zunehmend länger dauert, uns aber auch zunehmend mehr Informationen über den Sektor liefert.
Am Anfang passiert also erstmal recht wenig, zusammen mit dem relativ leeren Weltraum, den man nichtmal richtig erforschen kann, weil man zuerst den Versorgungsradius erweitern muss, ist das Spielgefühl schonmal wesentlich weniger packend als bei einem Civilization, bei dem man mit einem schnell gebauten Späher die Karte erkunden kann.
Bald aber sind die ersten Schiffe fertig, wir können neue Planeten besiedeln und entdecken neue Ressourcen. Diese führen dazu, dass wir sofort neue technologische Möglichkeiten der Nutzung dieser Rohstoffe freischalten, hier müssen wir uns aber meist entscheiden: Wollen wir die Ressource friedlich oder lieber militärisch nutzen? Zufallsevents, neue Planetentypen und bald auch schon die erste Begegnung mit einem fremden Volk bringen Schwung ins Spiel und fordern uns neue Entscheidungen ab.
Ein Diplomatiesystem gibt es, es ist mit unterschiedlichen Möglichkeiten für Geschenke, Drohungen und Verträgen auch ordentlich ausgebaut, allerdings nicht so detailliert wie in anderen 4X-Games. Eine nette Idee sind die Leader, die wir als Gouverneure für unsere Kolonien oder Kapitäne für unsere Schiffe einsetzen können, die im Level aufsteigen und dann neue Fähigkeiten freischalten und sogar eigene Bedürfnisse haben, die wir erfüllen können. Oder auch nicht, dann müssen wir allerdings mit den Konsequenzen leben, beispielsweise, dass der Leader uns verlässt. Diese Rollenspielelemente sind eine nette Zugabe.
Man kann Schiffdesigns verändern und komplett neue Schiffstypen zusammenbauen, die man dann in die Schlacht führt. Kommt es zum Kampf, läuft dieser rundenbasiert ab, mit Schildmechaniken, Überladung von Systemen, überhitzenden Raumschiffen und der Positionierung der eigenen Flotte gibt es hier nochmals einiges zu meistern.
Das alles ergibt zusammen mit Piraten, Schmugglern und einem planetaren Rat, der mit 2/3-Mehrheit einen Führer für die Galaxis auch einfach bestimmen kann und in dem wir mit abstimmen oder uns je nach Stärke sogar zur Wahl stellen dürfen, ein sehr, sehr umfassendes Spiel. Und glauben Sie uns, wir haben bei unserem circa 2-stündigen Anspielen nicht mal ansatzweise alle Mechaniken gesehen.
Das Problem, das Interstellar Space: Genesis mitbringt, ist, dass es so viele Mechaniken besitzt und man vieles nur durch ausprobieren lernt. Spieler, die gerne Grand Strategy spielen, kennen und lieben genau das an ihren Games, für Einsteiger oder auch Fortgeschrittene kann das aber frustrierend sein.
Technik
Die Hardwareanforderungen sind moderat, selbst ein Intel Core 2 mit 2,5 GHz, 4 GB RAM und eine integrierte Grafikkarte reichen laut Hersteller schon aus, um das Game zu zocken. Mehr RAM, ein Core-i5-Prozessor und eine Grafikkarte ab GeForce GTX 660 werden aber empfohlen.
Abstürze hatten wir während unseres kurzen Tests nicht zu verzeichnen, dafür kleinere Grafik-Glitches: Man kann in der Kolonieansicht zwischen zwei Ansichten wählen, die virtuelle Kamera gleitet dann in eine andere Position, dabei flimmern Texturen und Kanten ziemlich stark, was ärgerlich ist. In Sachen Bedienung nervt es, dass beim Klick auf das Fenster-schließen-Icon (das gar kein richtiges Icon ist, sondern einfach die obere rechte Ecke) ab und an das hintere Fenster zuerst geschlossen wird, weil das Spiel nicht erkennt, dass noch ein Fenster darüber liegt.
Das Spiel bietet grafisch höchstens Standard-Kost: Viele Menüs sind sehr kleinteilig und verschachtelt, die Kolonieansicht ist zwar in 3D, aber selbst vor 10 Jahren wäre eine solche 3D-Grafik nicht mehr wirklich zeitgemäß gewesen. Die Kolonialisierung eines neuen Planeten wird mit einer Cutscene eingeleitet, die die unterschiedliche Umgebung zeigt und das landende Kolonieschiff, aber wie gesagt sind die Texturen hier sehr altbacken.
Der Kampfbildschirm ist ebenfalls sehr kleinteilig, nur in 2D und die Effekte sind sehr mäßig, er könnte auch aus einem Browsergame stammen. Zumindest eine sichtbare Veränderung am Schiff durch unterschiedliche Waffensysteme wäre nett gewesen.
Schön gestaltet ist der Weltraum mit Galaxie-Nebeln, leuchtenden Planeten und auch die Menüs sind dem Weltraumsetting angemessen designt.
Fazit
Interstellar Space: Genesis ist ein nettes 4X-Strategiespiel, dessen ambitioniertes Herangehen an das Genre man anerkennen sollte. Die Entwickler lieben offensichtlich das Genre und haben sich viele Gedanken gemacht, wie man es weiterentwickeln könnte. Da auch ein Mod-Support auf der Liste der Entwickler steht, könnte sich mithilfe der Community das Spiel noch stark weiterentwickeln.
Im Moment wirkt es ein wenig zusammengestückelt, manche Bereiche wie der Kampfbildschirm enttäuschen grafisch doch sehr und dass es gerade am Anfang in der Kolonie so gut wie nichts zu tun gibt, bremst den Spieleinstieg doch arg aus. Zufallsereignisse und Begegnungen mit anderen Rassen bringen dann Zug ins Spiel, etwas problematisch finden wir aber, dass im Spiel recht wenige der komplizierten Systeme wirklich erklärt werden und dass es kein richtiges Tutorial gibt. Einsteiger dürfte das abschrecken, für sie ist ein Civilization wohl der deutlich bessere Einstieg. Selbst als Gamer, die schon einige 4X-Games gezockt haben, fehlt uns aber immer mal wieder die Übersicht, beispielsweise über die vorhandenen Ressourcen. Dass diese dann in den meisten Beschreibungstexten auch noch abgekürzt werden, erschwert den Überblick zusätzlich.
Neue Wege, die einem wenig zugänglich präsentiert werden. Interstellar Space: Genesis ist eher etwas für 4X-Experten.
Auch der Preis lässt uns im Moment noch mit einer Empfehlung zögern: Interstellar Space: Genesis kostet im Moment 27,99 Euro auf Steam, für diesen Preis bekommt man aktuell auch das grandiose Civilization 5. Sicherlich rechnen die Entwickler mit einer Zielgruppe von Enthusiasten, aber der Preis erscheint uns für das Gebotene dann doch etwas zu hoch.
Für die richtige Zielgruppe ist es aber wohl dennoch ein gutes Game mit viel zukünftigem Potential durch Mods und Patches. Wer also Spaß an 4X-Strategie im Weltraum hat und für wen die Grafik kein wichtiges Element bei solchen Spielen ist, der kann in das Game ruhig mal reinschauen.