Grünen Wasserstoff richtig erzeugen: Planbar und skalierbar
Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein, um besonders emissionsintensive Branchen CO2-neutral umgestalten zu können. Schiffs- und Flugverkehr sowie die Stahlindustrie lassen sich mit dem Treibstoff, der nicht ohne Grund auch für Raketen eingesetzt wird, auf Umwegen mit erneuerbarer Energie betreiben.
Wasserstoff ist vergleichsweise einfach mittels elektrischem Strom zu gewinnen. Die Speicherung gelingt entweder verflüssigt oder chemisch gebunden an Stickstoff (Ammoniak) oder Kohlenstoff (grünes Methan).
Nutzt man nun aber Strom aus Kohle und Erdgas und bezieht nicht ausschließlich Energie aus Überkapazitäten, wird die Wasserstoffherstellung zum Problem.
Was wäre die Lösung? Erst einmal über Jahre die Energieerzeugung umgestalten und Überkapazitäten schaffen, die zunächst nicht verwertet werden könnten? Anschließend noch mehrere Jahre die Wasserstoffproduktion aufbauen, bis sie im großen Stile funktioniert? Dafür fehlt nicht nur die Zeit, das ist auch unpraktisch, unwirtschaftlich und alles andere als realistisch.
Zu diesem Schluss kommt auch eine umfassende Untersuchung am MIT, die einen realisierbaren Weg zur Erzeugung von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstab skizziert.
Mehr Pragmatismus, bitte
Statt also auf die tatsächlich erzeugte Strommenge aus erneuerbaren Energien in einem Stromnetz zu schauen, wird empfohlen, die jährlichen Einspeisungen zu betrachten.
So kann zwar der grüne Wasserstoff in genau der Zeit seiner Erzeugung ausschließlich mit Kohlestrom entstanden sein. Aus den über längere Zeit ermittelten Überkapazität von Wind- und Solarparks soll der Wasserstoff zumindest auf dem Papier trotzdem erzeugt worden sein.
So bleibt er CO2-neutral und kann entsprechend besteuert beziehungsweise subventioniert werden.
Ganz ähnlich ist die Herangehensweise bei Überkapazitäten. Auch hier erscheint es mit den aktuellen Stromnetzen, der genutzten Technik (vor allem der mangelnden Intelligenz der Netze) und der Erfassung der benötigten Daten unrealistisch, genau bei Überkapazitäten insgesamt mit der Erzeugung von Wasserstoff beginnen zu können und vor einer drohenden Überlastung oder der Zuschaltung eines Gaskraftwerks wieder zu beenden.
Man lässt zu, dass die Überproduktion aus erneuerbarer Energie nach Jahresabschluss erfasst wird, und erlaubt damit die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Solche Zahlen lassen auch zu Jahresbeginn schon gut abschätzen.
Auf diese Weise soll der Start gelingen, sollen kleine Anlagen und ganze Industriekomplexe entstehen, die den Treibstoff klimaneutral und ohne erhöhten Energiebedarf herstellen - wenigstens auf dem Papier.
Ein Fahrplan, bitte
Genau dieses Vorgehen soll den Einstieg ermöglichen. Es soll aber ein genau festgelegtes Verfallsdatum erhalten, damit die Industrie sich darauf einstellen kann.
Genau auf diese Weise könnte gleichzeitig der Umbau der Stromnetze hin zu flexiblen, intelligenten und dezentralen Geflechten gelingen.
Parallel lassen sich die zwangsläufig entstehenden Überkapazitäten, die schließlich auftreten werden, sinnvoll speichern - wie in einem Pumpspeicherwerk, nur eben als Wasserstoff - und später wieder freigesetzt werden.
Ein greifbares Beispiel nennt Tim Schittekatte, einer der Autoren der Studie, dass die Problematik gut zusammenfasst: Ein Dach voller Solarzellen, das das eigene E-Auto laden soll. Theoretisch genügt die Strommenge dafür, aber tagsüber steht das Auto meist nicht dort. Also wird der erzeugte Strom anderweitig genutzt. Abends fließt Strom aus anderen Quellen in die Akkus. Je größer und flexibler das Stromnetz wird, umso besser lassen sich derartige Unstimmigkeiten ausgleichen. Es braucht nur etwas Zeit und Starthilfe.
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