Digitale Reiseinformationen der DB: Wie aus einer Güterzugentgleisung eine "Reparatur an der Strecke" wurde
Was passiert eigentlich, wenn es eine Störung im Netz der DB gibt? Üblicherweise werden Reparaturteams losgeschickt und das hört man dann auch in Ansagen, liest es auf Twitter oder auf Zugzielanzeigern. Aktuell sind die Formulierungen dabei rein formal unpräzise. So sorgt eine Reparatur an einem Signal etwa für Verzögerungen im Betriebsablauf. Nicht aber der Schaden am Signal selbst. Sorgen etwa die Reparaturteams mit ihrer Reparatur für eine Zugverspätung? Natürlich nicht, aber so klingt es bei offiziellen Störungsmeldungen.
Am vergangenen Sonntag, den 10. September 2023, sorgte diese Art der Kommunikation allerdings für Verstörungen. Doch was war passiert? Bei Geseke entgleiste ein Güterzug und der Lokführer kam dabei ums Leben. Schon früh war daher klar: Es waren zunächst Aufräumarbeiten notwendig.
Doch die vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) betriebene Webseite zuginfo.nrw und der dazugehörige Account auf twitter.com meldete am 10. September um 15:51 etwas ganz anderes: "#RB89 #RE11 (RRX) Eine Reparatur an der Strecke beeinträchtigt den Zugverkehr zwischen #Geseke und #Salzkotten. Keine Zugfahrten möglich."
Eine offensichtliche Falschinformation. Doch wie kommt es dazu, dass von einer Reparatur offiziell gesprochen wird, während die Nachrichten voll von Meldungen über einen Güterzugunfall sind. Das wollte Notebookcheck.com vom VRR wissen und fragte noch am Sonntag bei der Pressestelle an.
Doch der VRR bedankte sich nur für die Anfrage und verwies auf die Deutsche Bahn: "Bitte wenden Sie sich an die DB" Diese ist laut der Pressestelle für das Einpflegen der Daten zuständig. Auf keine der gestellten Fragen reagierte der VRR.
Komplexe Sachverhalte verständlich formulieren
Eine ähnliche Anfrage bei der Deutschen Bahn hatte immerhin teilweise Erfolg. Wir wollten unter anderem wissen, warum nicht von einer Störung gesprochen wird und stattdessen von Reparaturen. Zudem wollten wir wissen, seit wann diese neue Art der Kommunikation genutzt wird. Auf ersteres bekamen wir immerhin eine Antwort:
"Wir als DB wollen unsere Reisenden schnell, einheitlich und verständlich über Unregelmäßigkeiten informieren. Dafür übersetzen wir komplexe Sachverhalte in für unsere Kund:innen verständliche Formulierungen, wie beispielsweise "Reparatur an der Strecke" statt "Schäden an Infrastruktur durch A, B, C". Die Verständlichkeit der Texte ist in Marktforschungen bestätigt worden."
Seit wann dies so gehandhabt wird, hat die Deutsche Bahn aber nicht beantwortet. Diese Art der Kommunkation läuft über alle digitalen Kanäle wie etwa bahn.de, dem DB Navigator, an den Bahnhöfen oder auch in den Zügen, wie eine Bahnsprecherin schrieb.
Wir fragten auch, ob es für Unfälle spezielle Codes gibt, die in entsprechende Reiseinformationen umgesetzt werden. Diese Frage wurde ebenfalls nicht beantwortet. Es lässt sich also nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Deutsche Bahn über ihre digitalen Systeme in der Lage ist, entsprechende größere Störungen auch korrekt in den Informationssystemen abzubilden.
Derweil gibt es unter zuginfo.nrw einen detaillierten Eintrag vom 13. September 2023, der tatsächlich von einer Entgleisung spricht. Demnach dauern die Aufräumarbeiten noch bis zum 17. September an. Erst danach wäre der Zugverkehr erst "aufgrund einer Reparatur" beeinträchtigt, die voraussichtlich bis zum 24. September andauert.
Auch im Navigator und auf der Bahn-Webseite sind mittlerweile detaillierte Informationen eingepflegt, wenn auch zum Teil fehlerhaft. Nicht immer wird der Schienenersatzverkehr per Bus korrekt angezeigt. Einzelne Busse werden als RB-Nummer gelistet, die man nur daran erkennt, dass sie vom Gleis "SEV" abfahren.
Es gibt aber auch Züge, die durch die Unfallstelle durchfahren sollen. So hat Notebookcheck.com auf der Webseite einen RE11 gefunden, der auf den ersten Blick normal fährt. Es gibt nur einen schwarz gehaltenen Hinweis "Es liegen Meldungen vor". Der rote Hinweis, dass die Verbindung ausfällt, fehlt. Erst in der Detailansicht ist zu erkennen, dass der Zug nicht fahren kann.
Es ist offenbar einige Handarbeit notwendig, um die Informationen zu aktualisieren. Gäbe es softwareseitig eine Funktion, um eine Strecke zu sperren, müssten die Informationen eigentlich bei allen Zügen erscheinen, was nicht der Fall ist. Insbesondere für den Freitag (15. September) sind noch zahlreiche Züge gelistet, die angeblich nach Fahrplan fahren. Die Daten wurden am 13. September um 23:00 Uhr herum von Notebookcheck erhoben und dürften sich noch ändern.
Nachtrag, 14. September 10:05 Uhr: Der Wechsel der Ansagen lässt sich grob auf den Herbst 2021 eingrenzen. Zumindest im Raum München wurde seither von Reparaturen gesprochen.
Quelle(n)
Eigene Recherchen