Datenschutzexperte Max Schrems: #DeleteFacebook ist keine Lösung
Auf den ersten Blick verwundert es vielleicht, warum ausgerechnet ein langjähriger Kritiker des größten sozialen Netzwerks nicht auf der #DeleteFacebook-Welle mit schwimmt. Im Interview mit Anchorman Armin Wolf im Rahmen der Nachrichtensendung ZIB 2 vom Mittwoch vergangener Woche, welches in seiner Gesamtheit noch kurze Zeit in der TVThek nachzusehen ist, tritt der Österreicher Max Schrems stattdessen für staatliche Regulierungen ein und vergleich den Skandal rund um den Missbrauch privater Daten mit vergangenen Problemen analoger Technik wie Dampfkessel oder Züge, die ebenfalls nicht ignoriert oder abgeschafft sondern entsprechend reguliert und verbessert wurden:
Das [Löschen von Facebook] ist nicht der Zugang, der uns weit bringt, Digitalisierung und soziale Netzwerke sind eine tolle Technologie und wir müssen schauen, dass sie für die Gesellschaft sinnvoll nutzbar ist - das macht man normalerweise durch Regulierung. ... Ich verwende selber soziale Netzwerke, weil es eine gute Technologie ist, ich bin nur unglücklich mit dem Monopolisten, der das einzige große soziale Netzwerk betreibt. Da muss man differenzieren. Wenn wir die Unternehmen dazu bringen, sich an den Datenschutz zu halten, den wir bereits haben, kann man das auch nutzen, ohne permanent Panik zu haben.
Für Max Schrems ist die ganze Aufregung rund um Cambridge Analytica zudem nur ein Aufhänger im Anti-Trump-Sentiment des liberalen Amerika. Dass Facebook zu viele Daten sammelt und weitergibt ist seit Jahren bekannt, meint er im Interview mit der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Das hat in den USA, wo sensible Daten wie Kreditkarteninformationen käuflich erwerbbar sind, bislang allerdings niemanden interessiert, der Skandal könnte somit durchaus sein Gutes haben, da in den USA nun erstmals "im europäischen Sinn" über Datenschutz und Privatsphäre diskutiert werde.
Unwissenheit des Facebook-CEO rechtlich relevant
Das zeigt auch die in den Medien gern als "Debakel für die Senatoren" bewertete Befragung von Facebook-Gründer und CEO Mark Zuckerberg im US-Senat und -Repräsentantenhaus. Auf einige Fragen habe Mark mit Unwissenheit reagiert, etwa wenn es um das Tracking von Personen durch Facebook oder die Privatsphäre-Einstellungen der App ging - durchaus auch rechtlich relevant, wenn Facebook damit argumentiert, dass normale Facebook-Nutzer die Regeln ohnehin verstehen, wenn sie ihnen zustimmen.
Europas Datenschutz-Gesetze als Vorbild für die Welt
Interessant für Max Schrems ist auch die zunehmende Akzeptanz der europäischen Datenschutz-Gesetze als möglicher künftiger Standard im weltweiten Internet und zwar nicht nur für die Politiker in den USA sondern auch für den Facebook-CEO, der in den Hearings anklingen ließ, dass die DSGVO ab dem 25. Mai in der einen oder anderen Form nicht nur für Europäer gelten könnte. Die neue Datenschutz-Grundverordnung bedarf aufgrund einiger Unklarheiten aber wohl noch einer Nachbearbeitung.
Offene Netze gegen Monopolbildung
Last but not least müsse man wohl auch eine Diskussion um offene Netze und Standards zur Interoperabilität anstoßen, meint der Datenschutzexperte. Der Trend zur Monopolbildung im Digitalbereich, sei es bei den sozialen Netzen oder im Smart Home- oder Automobilbereich, müsse man wohl entschiedener entgegentreten, das sei nicht nur für die Kunden wichtig sondern auch für die Wirtschaft, etwa kleinere Startups, die mit den großen Playern interagieren wollen.