Caltrain: Silicon Valley hat jetzt eine echte elektrische Eisenbahn
Es ist vollbracht: Caltrain hat die gesamte Strecke zwischen San Francisco und San Jose (genauer Tamien) elektrifiziert und die Oberleitung aktiviert. Dafür gab es rund ums Silicon Valley noch eine größere Sperrpause, um letzte Tests durchzuführen.
Das mit über 2,4 Milliarden US-Dollar bezifferte Projekt (PDF) hat mehrere Jahrzehnte gebraucht. Caltrains Business Plan sah schon 1999 eine Elektrifizierung vor, die jetzt vollendet wurde. Sorgen um die Kapazität aber auch Effizienz und der Kosten.
In den Milliarden stecken dabei nicht nur die Kosten für die Errichtung der Oberleitung (25kV@60Hz, 80 Kilometer Gesamtstrecke, überwiegend zweigleisig), sondern auch weiterer stromzuführender Anlagen, weitere Ausbauten sowie die Beschaffung von insgesamt 19 neuen siebenteiligen Doppelstockzügen. Diese ersetzen 20 Diesellokomotiven.
In den Caltrain-Zügen sitzt recht viel IT-Personal, das zu den großen IT-Firmen des Silicon Valleys pendelt oder auch in Richtung San Francisco seine Arbeitsstätte hat. Ab Herbst werden diese von dem neuen Angebot deutlich profitieren, denn die Züge sollen ein U-Bahn-ähnliches Beschleunigungsverhalten haben.
Deutliche Fahrzeitreduktionen
Bereits 2023 hat Caltrain die Verbesserungen beziffert. So sollen die Local Trains, das sind Züge, die so gut wie jeden Bahnhof und Haltepunkt nutzen, von jetzt 100 Minuten auf 75 Minuten beschleunigt werden. Wohlgemerkt bei der gleichen Anzahl der Stopps. Auf manchen Verbindungen soll sogar eine Ersparnis von einer halben Stunde möglich sein.
Der sogenannte Baby Bullet, ein Expresszug zwischen San Jose und San Francisco, soll auf unter eine Stunde beschleunigt werden. Derzeit braucht der Baby Bullet, der einmal pro Stunde in der Rush Hour fährt, 1:06 Stunden. Interessanterweise nennt Caltrain noch keine genauen Zeiten für den elektrifizierten Baby Bullet. Dazwischen fahren noch drei Limited-Zugkategorien, die nur wenige Stationen auslassen.
Caltrain plant in der Spitze vier Züge pro Stunde und Richtung losfahren zu lassen. Da die Züge schneller sind, können sie insgesamt aber öfter fahren, obwohl es weniger Garnituren sind. An wichtigen Stationen wird es eine Erhöhung um 26 Prozent geben, so Caltrain. Am Wochenende wird der Abstand zwischen Zügen sogar auf 30 Minuten halbiert.
Der Service südlich von Tamien wird übrigens weiter mit dieselelektrischen Lokomotiven betrieben. Außerdem behält Caltrain eine Reserve für Notfälle. Es gibt zudem auch E-Loks. Die Hauptarbeit werden aber die Electric Multiple Units (EMU, Triebzüge) von Stadler übernehmen.
Die EMUs gehören zu Stadlers Kiss-Familie. Es sind Doppelstocktriebzüge mit einigen Besonderheiten für den US-Verkehr. So sind sie für Crashes mit Güterzügen besser gerüstet. Güterzugunfälle sind in den USA nicht ungewöhnlich. Insbesondere der gemischte Verkehr (Güterzüge und Personenzüge) ist harten Bedingungen unterworfen.
Zwei Einstiegshöhen für die Zukunft
Zusätzlich besitzen die Waggons zwei Einstiegshöhen. Einmal tief (56 cm) und einmal recht weit oben in einer Höhe von 1,28 Metern. Das reicht, um über einem Drehgestell einsteigen zu können und ist in den USA der neue vorgesehene Standard. Zum Vergleich: Dedizierte S-Bahnen haben in Deutschland eine Einstiegshöhe von etwas unter einem Meter. Fernbahnsteige liegen bei 76 Zentimetern.
In Österreich sind es 55 cm. Dedizierte Hochgeschwindigkeitssysteme, wie der Shinkansen, liegen im Meterbereich. Bei herkömmlichen Drehgestellen lässt sich so eine Barrierearmut oder -freiheit leicht umsetzen. Eine Ausnahme ist der ICE-L von Talgo mit seiner Einzelradaufhängung.
Die Züge werden zunächst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 79 Meilen pro Stunde operieren, was etwas unter 130 km/h ist. Die Garnituren sind aber auch für höhere Geschwindigkeiten vorbereitet. Weitere technische Daten gibt es in einem archivierten Stadler-Kiss-Prospekt (PDF) für die US-Version des Zuges.
Im weiteren Verlauf wollen Stadler und Caltrain übrigens auch den Einsatz eines BEMU testen. Der soll dann auf der Hauptstrecke seine Akkus laden und südlich von Tamien akkubetrieben weiter fahren. Damit wäre auch eine Ablösung der letzten Dieselloks denkbar. Die restliche Strecke gehört einem anderen Eisenbahnunternehmen, sodass hier nicht einfach Oberleitungsmasten aufgestellt werden können.
Eine elektrische Eisenbahn hatte das Silicon Valley bisher nicht. Zwar gibt es mit Bart ein elektrisches U-Bahn-System, das stellenweise auch einer S-Bahn ähnelt. Sonst gibt es aber nur elektrische Straßenbahnen in San Jose sowie in San Francisco. Die USA gehören zu den Ländern mit einem sehr geringen Elektrifizierungsgrad bei der Eisenbahn.
Caltrains Elektrifizierungsprogramm könnte auch dafür sorgen, dass die Shuttle-Busse für große Firmen wie Facebook und Google nicht mehr so oft gebraucht werden. Die Tech-Firmen sind in der Vergangenheit dafür kritisiert worden, mit ihnen die Straßen zu verstopfen.
We are one step closer to the finish line!
— Caltrain (@Caltrain) April 13, 2024
Earlier today our new electric trains were tested in San Francisco. Thank you for everyone’s patience as we prepare for September! ⚡️
Please visit https://t.co/86qPXqc1Ih this weekend before departure. pic.twitter.com/0ZU0chTazZ
Quelle(n)
Caltrain-FAQ und andere via International Railway Journal