Aufforstung kein Allheilmittel: Wälder mit komplexem Einfluss auf Klima und Umwelt
Ein bisschen Einigkeit besteht: Bäume müssen gepflanzt werden, und ein paar wenige hier und da werden in keinem Fall reichen. Vor allem dort, wo sich vor 100 oder 200 Jahren noch Wälder erstreckten, sollten und müssen diese wieder aufgeforstet werden.
Auch darf der aktuelle Trend keinesfalls bestehen bleiben, denn dann gehen bis zum Jahr 2095 fast 3 Millionen Quadratkilometer zusätzlicher Waldfläche verloren. Das sind etwa zwei Drittel der Fläche der Europäischen Union. Die prognostizierte Erderwärmung läge dann bei 4 Grad im Vergleich zu aktuell deutlich weniger als 2 Grad.
Bei der Aufforstung sind allerdings zusätzliche Effekte zu berücksichtigen, die durch verschiedene Erdsystemmodelle untersucht wurde. Je nachdem, wie komplex die Berechnungen sind und welche Aspekte berücksichtigt werden, ergeben sich ganz unterschiedliche Bedingungen für die Zukunft.
Eine derart gigantische Simulation konnte nur mit entsprechender Rechenleistung bewältigt werden, die der Supercomputer HPE SGI ICE XA (Cheyenne) dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Mit 145.152 Prozessoren, 40 Petabyte Speicherplatz und insgesamt 5,3 Petaflops waren die nötigen Modellierungen realisierbar. Und die detaillierten Ergebnisse sind beachtenswert.
So ändert sich durch einen neu gepflanzten Wald zum Beispiel das Rückstrahlvermögen der Erdoberfläche. Der Effekt, "Albedo" genannt, kann insbesondere in höheren Breiten sogar die Erderwärmung verstärken, wo vorher Grasland oder noch kargere Böden zu finden waren.
Zudem tragen Bäume zur Erhöhung der Konzentration an Ozon und Methan bei, welche den Treibhauseffekt stärken.
Und große Waldgebiete binden Aerosole. Diese kleinen Schwebteilchen sind mitverantwortlich für die Entstehung von Wolken, welche wiederum in großem Maße Wärme ins All abstrahlen und dadurch zur Reduktion der Erderwärmung beitragen.
Gleichwohl können Wälder durch Verdunstung und Kondensation ebenfalls zur Wolkenbildung beitragen und damit einen kühlenden Effekt haben. Wohingegen ungeeignete Bepflanzungen und unkalkulierbare Trockenperioden auch zusätzliche Waldbrände auslösen könnten.
Es zeigt sich insgesamt, dass mit der Zunahme der Komplexität auch die Prognosen schwieriger werden. Dennoch lassen sich ein paar Extreme erkennen, die es im besten Fall zu vermeiden gibt.
Die Abholzung muss gestoppt werden, das ist ziemlich klar. Aber auch die Effekte einer maximal möglichen Aufforstung scheinen kaum zum gewünschten Resultat zu führen.
So sind die Auswirkungen von 7,5 Millionen Quadratkilometern neuem Wald, was der Fläche Australiens entspricht, nicht zwangsläufig positiver als von circa 3 Millionen Quadratkilometern an den richtigen Stellen.
Das wären dann grob geschätzt 300 Milliarden Bäume, die neu gepflanzt werden müssen. Dies könnte unsere globalen Emissionen gut abfangen, vielleicht sogar kompensieren - bei gleichzeitig weniger negativen Effekten.
Vor allem aber zeigt sich, dass Aufforstung allein keinesfalls der richtige Weg sein kann, und dass jeder Eingriff eine Vielzahl von weiteren Effekten nach sich zieht. Das hätte man sich vielleicht auch schon vor 50 oder 100 Jahren denken können - selbst ohne Supercomputer.
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