Audi: Physikalisches Recycling soll vorsortierte Kunststoffabfälle wiederverwertbar machen
Audi treibt die nachhaltige Produktentwicklung weiter voran und will immer mehr Kreisläufe etablieren. Da sich nicht alle Kunststofftypen gleich gut oder auf die gleiche Weise sortieren und recyceln lassen, nutzt Audi bereits parallel das mechanische und chemische Recycling von Kunststoffen. Jetzt kommt mit dem physikalisches Recycling von Kunststoffen eine dritte Recyclingmethode dazu. Hierfür arbeitet Audi mit dem Fraunhofer Institut zusammen.
Laut dem Autohersteller aus Ingolstadt sind in einem modernem Auto mehr als 200 Kilogramm verschiedener Kunststoffe und Kunststoffverbundwerkstoffe verbaut. Stoßfänger, Kühlerschutzgitter, verschiedene Teile im Innenraum, aber auch Bauteile im Antrieb und der Klimatisierung. Die teilweise nicht sortenreinen Kunststoffabfälle werden zunächst mechanisch zerkleinert und von anderen Stoffen getrennt. Anschließend können sie erneut zu Kunststoffgranulat verarbeitet werden.
Audi setzt laut Mike Herbig, aus dem Polymer-Team bei Audi, nur Rezyklatwerkstoffe ein, wenn die daraus hergestellten Autoteile die gleichen hohen Qualitätsansprüche wie Neuteile über die gesamte Nutzungsdauer erfüllen. Mechanisches Recycling von Plastik habe seine Grenzen, wo verschiedene Kunststoffe im Verbund mit Klebern, Lacken und Füllstoffen wie Glasfasern verarbeitet werden. Die Qualität der Kunststoffe sinke mit jedem mechanischen Aufbereitungsschritt und können nicht mehr für sicherheitsrelevante Bauteile verwendet werden, so der Audi-Experte.
Eine chemische Recyclingmethode hat Audi bereits mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Partnern aus der Industrie gemeinsam entwickelt. Damit lassen sich gemischte Kunststoffabfälle zu Pyrolyseöl verarbeiten. Das Pyrolyseöl kann Erdöl als Rohstoff für die Produktion von hochwertigen Kunststoffen ersetzen. Die so hergestellten Bauteile sind genauso wertig und sicher wie Neuteile.
Ergänzend dazu sucht Audi zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im Rahmen einer Machbarkeitsstudie nach Möglichkeiten des physikalischen Recyclings von Kunststoffabfällen aus dem Auto und dem erneuten Einsatz im Fahrzeug. Bei dieser Methode könne laut Audi mit deutlich höheren Verschmutzungsgraden der Kunststoffe gearbeitet werden. Eine einfache und unvollständige Vorsortierung aus Altfahrzeugen reiche aus.
Anders als beim chemischen Recycling wird der Kunststoff beim physikalischen nicht zerstört. Vielmehr wird er mit Lösemitteln aufgelöst. Physikalisches Recycling nutzt den Werkstoff direkt, da keine chemische Abbaureaktion stattfindet und die Polymerketten unbeschadet bleiben. Beim chemischen Recycling ist nur die Rückgewinnung von Rohstoffen und über einen energieintensiven Polymerisationsschritt eine erneute Nutzung als Kunststoff möglich.
"Als Lösemittel werden ausschließlich Stoffe eingesetzt, die absolut ungefährlich sind", erklärt Dr. Martin Schlummer vom Fraunhofer IVV. "Andere Feststoffe, die für das neue Endprodukt störend sein könnten, werden abgetrennt." Auch mitgelöste Substanzen wie etwa Flammschutzmittel können bei Bedarf aus der Kunststofflösung gelöst werden. Die verwendeten Lösemittel werden schließlich verdampft und ebenfalls im Kreislauf geführt. Nach der Trocknung entsteht somit ein sehr reines Kunststoffgranulat auf dem Qualitätsniveau von Neuware. Das Ziel ist es, größere Mengen dieses Granulats herzustellen, um die technische Machbarkeit abzusichern und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen.
Für weitere Tests sollen in einem nächsten Schritt aus diesem recycelten Kunststoff Anbauteile wie etwa der Sitzhöhenversteller werden. Dabei handelt es sich um ein kleines Bauteil, das jedoch hohe Ansprüche an Emissionen und Geruch erfüllen muss. In Zukunft sollen die verschiedenen Recyclingtechnologien bei Audi einander ergänzend eingesetzt werden, um Kunststoffe aus Altfahrzeugen für den hochwertigen Wiedereinsatz zurückzugewinnen.