Achtung, Falle: Energieversorger kündigt allen Bestandskunden und gibt neue Ladetarife für E-Mobilität bekannt
Kunden des Energieversorgers Linz AG flatterte kürzlich ein Schreiben ins Haus, in dem die Kündigung bestehender Ladestromverträge zum Monatsende bekannt gegeben wurde. Die angebotenen neuen Tarife enthalten wie erwartet eine deutliche Preissteigerung bei den Energiepreisen. Als Partner des EMC (ElektroMobilitätsClub Österreich) betrifft die Tarifanpassung auch alle Mitglieder, die die Club-Ladekarte mit einem Vertrag bei der Linz AG genutzt haben. Im Schreiben an die Kunden führt die Linz AG die Umstellung auf eine Abrechnung nach Kilowattstunden als zentralen Vorteil für alle Kunden an. Ein Zeittarif wird allerdings weiterhin als Option angeboten.
Im Tarif “StromMOBIL EASY POWER” ohne monatliche Grundgebühr werden nun für AC-Laden (3,7 kW bis 43 kW) 54 Cent pro kWh berechnet, DC bis 200 kW kostet 64 Cent pro kWh, ab 201 kW liegt der Preis bei 89 Cent pro kWh. Partner, wie auch Mitglieder des EMC, können im Tarif “StromMOBIL Partner” 3 Cent bei allen Optionen sparen. Als Fußnote bei den einzelnen Tarifpositionen findet sich folgender Hinweis:
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Details
*Die Infrastrukturbelegung wird mit 0,12 EUR/Minute ab Minute 241 bei AC-Stationen und ab Minute 91 bei DC- und HPC-Stationen verrechnet.
Sogenannte Blockierkosten sind E-Mobilisten an sich bekannt, kamen bislang allerdings in der Regel bei DC-Schnellladeeinrichtungen zur Anwendung, mit dem Ziel, nach dem erfolgten Laden die Ladestation umgehend wieder für weitere Kunden frei zu machen und so eine möglichst rasche Weiterfahrt zu gewährleisten. An den Superchargern von Tesla werden aktuell beispielsweise bis zu 1 Euro pro Minute fällig; wohlgemerkt nach Beendigung(!) des Ladevorganges.
Die aktuellen Linz-AG-Tarife sehen hingegen eine Blockiergebühr vor, die automatisch nach 1,5 Stunden bei DC-Ladern und nach 4 Stunden Ladedauer an AC-Stationen zur Anwendung kommt, auch wenn der Ladevorgang weiterhin aktiv ist. Während dies bei DC-Ladevorgängen (ab 50 kW) in den wenigsten Fällen ein Problem darstellen sollte (ca. 70 kWh in 1,5 Stunden möglich und damit eine volle Ladung bei den meisten gängigen Elektroautos), wird beim AC-Laden bei niedriger Ladeleistung eine gefährliche Kostenfalle eingebaut.
Langsam laden, mehr bezahlen - Die “Infrastrukturbelegung” macht's möglich
Anhand eines Beispiels wird die Problematik sichtbar: Beim Laden an einer 11-kW-Station können in 4 Stunden rund 40 kWh aufgenommen werden. Genug Energie, um mit einem durchschnittlichen Elektroauto ca. 200 km Strecke zurücklegen zu können. Viele aktuelle Elektroautos besitzen allerdings einen Akku mit einer Kapazität von 60 bis 80 kWh, einzelne Modelle sogar 100 kWh und mehr. Ab der 4. Stunde wird nun eine “Infrastrukturbelegung” von 0,12 EUR/Minute fällig, sprich 7,20 Euro pro Stunde. Die eigentlichen Energiekosten fallen natürlich weiterhin an.
Damit ergibt sich an einem 11-kW-Ladepunkt für weitere 20 kWh nun ein Preis von rund rund 12 Euro Energiekosten plus zwei Stunden Infrastrukturbelegung in der Höhe von 14,40 Euro, also insgesamt rund 26,40 Euro für rund 100 km zusätzliche Reichweite nach der 4. Stunde.
Noch dramatischer fällt dieses Missverhältnis bei 3,7-kW-Ladepunkten aus. Diese Lademöglichkeiten eignen sich beispielsweise optimal, um etwa während der Stehzeit über Nacht den Speicher des Elektomobils zu füllen. In den ersten 4 Stunden ohne anfallende Blockiergebühr würden theoretisch knapp 15 kWh geladen werden können (je nach Autotype und Witterung rund 75 bis 100 km Reichweite). Kosten: ca. 8 Euro. Lässt man sein Auto nun über Nacht am Ladepunkt, um beispielsweise innerhalb von 12 Stunden rund 45 kWh nachzuladen, wird man auf der nächsten Rechnung eine Hiobsbotschaft vorfinden. Zu den Energiekosten von rund 24 Euro summieren sich satte 57,60 Euro "Infrastrukturbelegung", um die Gesamtkosten für 45 kWh (rund 200-250 km Reichweite) auf stolze 81,60 Euro zu heben.
Die technisch und ökologisch sinnvollste Variante des Ladens, sprich über einen längeren Zeitraum während ohnehin vorhandener Stehzeiten des Automobils netzschonend mit einer niedrigen Ladeleistung den Energiespeicher des Elekotromobils aufzufüllen, bevorzugt über Nacht, wenn die Nachfrage am Energiemarkt erheblich niedriger ist, wird mit dieser Blockiergebühr nicht nur gänzlich unattraktiv gemacht, viel schlimmer noch, wird hier eine gefährliche Kostenfalle eingebaut. Anders als etwa bei vielen DC-Ladesäulen mit direkter Anzeige der laufenden Kosten an der Ladestation oder im Auto, erfährt man die jeweiligen finalen Ladekosten bei AC-Ladepunkten in der Regel erst im Nachhinein auf der monatlichen Abrechnung seines Energieversorgers. Böse Überraschungen sind damit vorprogrammiert.
Update 24.4.2022: Stellungnahme der Linz AG
Wir haben die Linz AG um eine Stellungnahme zur neu geschaffenen Infrastruktubelegung und die Auswirkungen auf AC-Langsamladestationen gebeten. Folgend möchten wir das Feedback der Linz AG teilen:
"Es ist richtig, dass im neuen Tarifsystem mit kilowattstundenbasierter Abrechnung bei AC-Stationen ab der vierten Stunde eine Gebühr (12 ct/Minute) für Infrastrukturbelegung anfällt .
Dies betrifft allerdings ausschließlich das Laden im öffentlichen Bereich. Es betrifft nicht jene Ladeinfrastruktur, die vom Arbeitgeber den Mitarbeitenden während der Arbeit über die LINZ AG zur Verfügung gestellt wird. Es betrifft auch nicht die WallBOX CitySolution-Ladesystemlösung der LINZ AG im Wohnbau. Wir bemühen uns darüber hinaus, im öffentlichen Bereich ideale Ladelösungen für alle anzubieten, und dort, wo es erforderlich und möglich ist, immer wieder zu optimieren.
Bei der zeitbasierten Abrechnung ist ein Kritikpunkt der, dass man auch dann zahlen muss, wenn kein Strom mehr fließt. Gleichzeitig kommt es aber auch vor, dass Ladeplätze als Parkplätze* genutzt werden, was durch die kWh-Abrechnung begünstigt werden würde. (*Etwas, das auf Tankstellen – im Sinne einer Blockade von Zapfsäulen – völlig undenkbar ist.)
Bei der kWh-Abrechnung hat sich der Zeitraum von vier Stunden am Markt etabliert und wird vielfach auch im Roaming verrechnet.
Wir arbeiten daran, unser Angebot laufend zu optimieren bzw. weiterzuentwickeln. Deshalb werden wir nahezu alle unserer Ladestellen schrittweise von 3,7 kW auf mindestens 11 kW Maximal-Ladeleistung umstellen. Bei einem durchschnittlichen 30 kWh/Ladevorgang, sind vier Stunden eine ausreichende Zeit.
Es ist uns aber bewusst, dass es Fälle geben kann, bei denen die Gebühr für Infrastrukturbelegung ab der vierten Stunde nicht praktikabel ist – z.B. bei Schiliften oder auf Pendlerparkplätzen..... Deshalb beobachten wir diese und ähnliche Fälle im Detail und wir werden ggf. künftig bei der Tarifgestaltung darauf Rücksicht nehmen."
Kommentar des Autors
Der Vergleich eines AC-Langsamladepunktes mit einer Zapfsäule hinkt, dies wäre nur bei DC-Schnellladestationen verständlich. Innerhalb von 90 Minuten könnte hier tatsächlich eine "Volladung" erreicht werden, während an Langsamladepunkten dies innerhalb von 4 Stunden oftmals nicht möglich ist. Autos mit großen Akkus würden hier lediglich 15 bis 50% ihrer gesamten Speicherkapazität nachladen können. Die Möglichkeit, Elektroautos während ohnehin vorhandener längerer Stehzeiten netzschonend mit niedriger Leistung nachzuladen, wird damit eingeschränkt.
Der Tarif "StromMOBIL TIME" der Linz AG bietet weiterhin eine zeitbasierte Abrechnung ohne Infrastrukturkosten und stellt eine Option für Nutzer dar, die auf längere Ladephasen angewiesen sind. Preis: 5,70 Euro pro Stunde bei 11 kW.
Wie sieht es bei konkurrierenden Anbietern aus? Es geht auch anders!
Die im oberösterreichischen Zentralraum ansäßige Energie AG führt lediglich einen Zeittarif mit 3,49 Euro/Stunde für Typ 2 11 kW (entspricht rund 32 Cent pro kWh), DC 50 kW verursacht Kosten in der Höhe von 21,99 Euro/h, allerdings nur bei eigenen Ladepunkten. In Partnernetzwerken steigen die Kosten auf 4,99 Euro pro Stunde bei 11 kW Ladepunkten und bis zu 34,99 Euro pro Stunde für 50 kW DC-Schnelladen. Monatliche Kosten gibt es nicht, allerdings jährliche Pauschalen von rund 60 Euro. Blockiergebühren werden online nicht angeführt.
Der Anbieter da-emobil nennt 49 Cent bis 59 Cent als Kosten für AC-Laden, erst nach 12 Stunden wird ein Zusatzentgelt von 6 Cent pro Minute (3,60 Euro pro Stunde) schlagend. DC-Laden wird mit 59 bis 69 Cent pro kWh angesetzt, nach der 3. Stunde erhöht sich der Betrag um 12 Cent pro Minute.
Wien Energie bietet aktuell drei verschiedene Tarife. Im Einstiegstarif "Tanke START" fallen keine laufenden Gebühren an, das AC-Laden mit 11 kW kostet untertags (8-22:00) 0,075 pro Minute (4,5 Euro pro Stunde). Vorbildlich fällt das Angebot zum "Langsamladen" (11 kW) über Nacht aus: Hier werden nur 0,018 Euro pro Minute bzw. 1,08 Euro pro Stunde verrechnet, allerdings nur im eigenen Wien-Energie-Netz sprich bei Wien-Energie-Ladepunkten. Blockiergebühren oder erhöhte Kosten nach bestimmten Zeiträumen werden nicht angeführt.
Tesla ruft an seinen Superchargern (DC-Schnellladen) aktuell einen Preis von maximal 49 Cent pro kWh auf (Beispiel Eberstallzell, 250 kW max., 16-20:00, 44 Cent übrige Zeit, nur für Tesla-Fahrer). Nach Beendigung des Ladevorganges fallen Blockiergebühren von bis zu 1 Euro pro Minute an. Tesla Destination Charger (bis 22 kW) werden in der Regel von Partnern betrieben, ein einheitliches Preisschema gibt es hier nicht.
Der "way to go" bleibt weiter holprig
Für E-Mobilisten gilt damit weiterhin höchste Vorsicht bei der Wahl der Ladestation und des Energieanbieters bzw. des jeweilen Tarifs. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Tarife wollen stets im Vorfeld verglichen werden, optimalerweise plant man etwaige Ladestopps bereits vor Abreise und verfügt über einen Pool an Ladeverträgen mit verschiedensten Anbietern. Realitätsfremde Energiepreise, fragwürdige Abrechnungsmodalitäten, fehlende Anzeigen von Preisen und Gebühren direkt an den Ladesäulen, horrende Blockiergebühren und Roaming-Aufschläge sorgen weiterhin für Frust im E-Fahrerlager. Erinnerungen an die ersten Jahre der Mobiltelefonie werden wach...